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Palästinensische politische Rapmusik zieht immer größere Menschenmengen an

Vielleicht unterscheidet sich der Kleiderkodex ein klein wenig, aber ansonsten sind es in jeder Hinsicht ganz durchschnittliche Hip-Hop-Fans, die bei einem Massenandrang beim Ausverkauf nach übriggebliebenen Eintrittskarten schreien. Doch in Ramallah ist dies wahrscheinlich das aufregendste und positivste Ereignis der letzten Zeit: Die über alles geliebten palästinensischen Rapper, Dam, stellten in der belagerten Hauptstadt der Westbank erstmals ihr neues Album vor...

Von Rachel Shabi

Im Al Kasaba Theater in Ramallah war die Menschenmenge, die hauptsächlich aus Teenagern bestand, das ganze Konzert über euphorisch, sang ihre Lieblingsstücke mit und brach in rasende Beifallsstürme aus, jedes Mal, wenn die Band das Wort "Palästina" aussprach.

Angepasst an den Rap-Stil ist das ganze Theater mit funkelnder Beleuchtung versehen, sie ist hier jedoch silberfarbig, denn allgemein sollen muslimische Männer kein Gold tragen. Die Symbole sind ganz auf die Region bezogen: Landkarten vom historischen Palästina und Figürchen des Jungen Handala, einer Comic-Figur, die das Wahrzeichen des palästinensischen Widerstands geworden ist. "Wir lieben Dam, sie sind eine der bekanntesten arabischen Rap-Gruppen. Mit dem Rap sprechen sie über unseren Konflikt", sagt die 15-jährige Hiba, eine Konzertbesucherin. "Wenn die Menschen unsere Stimmen vielleicht sonst nicht hören, mit der Musik von Dam werden sie es."

Als erste palästinensische Rapper aufgestiegen, werden sie als solche überall in der arabischen Welt gepriesen. Dam – der Name bedeutet im Arabischen wie auch im Hebräischen "Blut" – rappt über die wirklichen Lebensbedingungen im Alltag unter israelischer Besatzung und bezieht sich ebenso auf soziale Themen wie Drogen und Rechte der Frauen. Ihr Stück "Wer ist der Terrorist" beispielsweise, ist eine wütende Herausforderung gegen die stereotype Sicht auf den Nahost-Konflikt. Es beginnt mit einem Zitat des ehemaligen US Generals Ramsey Clark, in dem er behauptet, die Palästinenser seien zusammen mit den Irakern "vielleicht die terroristischsten Völker der Welt" und geht dann weiter mit Textstellen wie "Wir kämpfen für unsere Freiheit, und ihr habt daraus ein Verbrechen gemacht. Und du, der Terrorist, nennst mich Terrorist!"

Die Gruppe stammt aus Lod, einer Stadt innerhalb der Grenzen des Staates Israel, doch die Fans in Ramallah messen diesem geographischen Detail nur wenig Bedeutung bei. "Für mich kommen sie nicht aus Israel, sie sind Palästinenser", sagt Sondon(15) in der Stadt in der Westbank. "Sie sprechen über mich und darüber, wer ich bin." Es ist dieses kleine Detail, womit Dam einen Monat später bei einem Auftritt in Tel Aviv beeindruckt. Lod, nur 10 Minuten Autofahrt von Tel Aviv entfernt, ist eine Stadt mit gemischter Bevölkerung, ein Drittel der Stadtbewohner sind palästinensische Israelis. Dieser Bevölkerungsteil kämpft um die notwendigsten Serviceleistungen der Stadtverwaltung, und immer wieder werden ihnen Baugenehmigungen verweigert. Folge dieser Politik ist, dass in Lod 2000 Häuser illegal gebaut sind, womit sie unter ständiger Bedrohung stehen, abgerissen zu werden.

"Wir möchten ihnen von unserem Umfeld in Lod erzählen, über den Rassismus, den wir von der israelischen Regierung erleben, über unsere Situation, die sie im israelischen Fernsehen nicht zu sehen bekommen", sagt der 24-jährige Mahmoud Jreri, der zusammen mit den Brüdern Tamar und Suhel Nafar 1998 die Gruppe gründete. Auf einer internationalen Bühne – die Gruppe hat schon vielerorts Tourneen gemacht – ist ihre Botschaft fundamentaler: "Ich versuche Leuten zu erklären, dass ich ein Palästinenser bin, der schon immer in diesem Land gelebt hat, und jetzt heißt dieses Land Israel", sagt Jreri. "Dann versuche ich dieses Dilemma zu erklären: dass nämlich die arabische Welt dich als Israeli behandelt und die Israelis behandeln dich als Palästinenser."

Diese Besonderheit, so die Gruppe, ist der Hinderungsgrund, weshalb sie bisher weder von einer israelischen noch von einer arabischen Musikfirma registriert worden sind. Ihr neues Album "Dedication" wurde vom deutschen Red Circle record herausgebracht. "Wir mussten rausgehen, um reinzukommen", sagt Jreri.

Dam ist nur eine Musikergruppe unter einer steigenden Zahl palästinensischer Hip-Hop-Künstlern, alles junge Künstler und Künstlerinnen, die von Gaza und der Westbank aus rappen. "Es gab eine Zeit, da hat man uns ausgelacht, was arabischer Rap?", erklärt Boikult, ein Mitglied von Ramallah Underground, einem Kollektiv aus Künstlern, DJs, Produzenten und Rappern. "Jetzt breitet sich die Szene wirklich immer weiter aus, viel mehr Leute kommen zu Konzerten, du hörst Menschen über palästinensischen Rap sprechen, und der wird jetzt viel mehr respektiert."

Boikult, der seine ersten Stücke schrieb, während er zum ersten Mal das Leben unter Ausgangssperre in Ramallah erlebte, erklärt, dass palästinensischer Hip-Hop mehr der Tradition von bewusstem Rap folge, im Gegensatz zu den Mädchen, Autos und dem Glamour-Stil, den man zurzeit auf MTV beobachten könne. "Sicherlich wird er für den gleichen politischen Zweck benutzt", meint er. "Es ist die gleiche Waffe, nur ist es eben eine andere Sprache, eine andere Situation und ein anderer Kampf."

Die starke Zunahme an Rap-Künstlern in der Region inspirierte die palästinensisch-amerikanische Filmemacherin Jackie Salloum, einen Dokumentarfilm über dieses Phänomen zu drehen, "Slingshot Hip Hop". Sie meint, dass der Hip-Hop den Künstlern, die in Palästina leben, eine Plattform anbiete, und dass er Ärger und Frustration in eine positive Kunstform lenke. "Ich glaube, dass die Hip-Hop-Kultur in Palästina eine neue Form von Widerstand repräsentiert", sagt sie.

Die Gruppe Dam, die innerhalb der israelischen Gesellschaft positioniert ist wie auch außerhalb, hat es vielleicht einzig und allein erreicht, ihre Botschaft in das Zentrum der Nation zu bringen. "Ich bitte die Leute nicht, pro-palästinensisch oder anti-israelisch zu sein", sagt Dam-Mitglied Tamer Nafar. "Ich bitte sie nur darum, zuzuhören, über die Situation nachzulesen und dann zu entscheiden. Chuck D [von der amerikanischen Rap Gruppe Public Enemy] sagte, Rapmusik sei der CNN der Straßen – in unserem Fall sind wir dann die Al-Jazeera."

Rachel Shabi hat sich als Autorin auf Themen zur sozialen Gerechtigkeit spezialisiert. Sie wurde in Israel als Kind irakischer Eltern geboren und ist in England aufgewachsen.
Quelle: Middle East Times, 2. Januar 2007, Übertragung K. Badr

Posted 01/15/07 by: admin

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wrote:
continental airlines
03/16/07 07:44:48

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