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Kein neuer Horizont am Hamas-Himmel
Gedankenverloren spielte der frischgebackene christliche Tourismusminister der Hamasregierung, Tana Abu Aita, mit seinem orangefarbenen Kugelschreiber. "I love Israel" stand da in großen schwarzen Lettern auf dem Reklamestift...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 12. Januar 2007
Das passt zu der sensationellen Äußerung des Exil-Chefs der Hamas in Damaskus, Chaled Maschal, wonach Israel eine "Realität" sei. Die europäische Presse reagierte euphorisch auf das stark verkürzt wiedergegebene Interview mit dem „militantesten“ Hamas-Chef. Die FAZ kommentierte: "Dass Khaled Meschal, der im Damaszener Exil lebende militanteste Hamas-Führer, die Existenz Israels faktisch anerkannt hat, lässt im Nahen Osten neue Horizonte aufscheinen." Andere Zeitungen schrieben ähnlich über Maschals "unerwarteten Realismus" und schlossen, dass Israel jetzt gefordert sei, mit der Hamas zu reden, dass die EU wieder Gelder fließen lassen sollte und dass sich damit doch eigentlich alle Vorbehalte gegen die Hamas erübrigt hätten.
So wie sich der Israel-liebende Touristenminister aus Bethlehem nicht lange hielt, weil ihm die christlichen Geschäftspartner drohten, keine Kunden mehr in sein Paradies-Hotel und in den Hirten-Andenkenladen zu schicken, genauso hielten die frommen Friedensbekundungen des Chaled Maschal nicht einmal bis zum Ende seines Interviews.
Denn in der längeren Originalversion des Interviews bemerkte Maschal schon nach der dritten Frage, dass er sich offensichtlich versprochen hatte. Nachdem er den Staat Israel als "Realität" bezeichnet hatte, erinnerte er sich an die andere "Realität": "Israel existiert auf palästinensischem Territorium". Weiter erklärte er: "Die Palästinenser sollten nicht gezwungen werden, Israel anzuerkennen." Und gefragt, ob die Hamas "in der Zukunft" Israel anerkennen und ihre Charter ändern werde, in der zur Zerstörung Israels aufgerufen wird, schließt sich wieder Maschals Hoffnungsfenster: "Warum sollten wir uns mit Dingen in der fernen Zukunft befassen... In der Zukunft wird es neue Umstände geben und unsere Position sollten dann festgelegt werden."
Verhandlungen mit Israel schloss Maschal aus: Israel solle die Flüchtlinge aufnehmen, was bekanntlich das Ende des jüdischen Staates bedeutet, Jerusalem abgeben und sich auf die Grenzen von 1967 zurückziehen. Ohne Verhandlungen. Versteht sich.
Bei der Hamas in Gaza beeilten sich die Sprecher, Maschals Worte auf den richtigen Punkt zu bringen. "Israels Existenz zu sehen bedeutet längst nicht, dass wir Israel Recht anerkennen, das Land Palästina zu okkupieren, das allein den Moslems gehört."
Die israelische Zeitung Jerusalem Post, wohl ohne die Langfassung des Maschal-Interviews studiert zu haben, formuliert: "Seit Monaten gibt es Bemühungen, die Hamas dazu zu bewegen, Israel implizit anzuerkennen, ohne es explizit aussprechen."
Tatsächlich haben die Sprecher und Minister der Hamas seit dem gedankenlosen Spiel des Abu Aita mit seinem Kugelschreiber dazugelernt. Natürlich stört es die Hamas, von den internationalen Geldströmen abgeschnitten zu sein. Aber das ist für sie (vorerst) kein Grund, ihre von Iran, der Hisbollah und anderen Islamisten voll unterstützte Ideologie aufzugeben.
Um westlichen Journalisten zu "beweisen", dass die Europäer sich in Wirklichkeit danach sehnen, wieder offiziell Geld an die Palästinenser zu spendieren und dass EU-Diplomaten sich heimlich mit der Hamas treffen, wenden sie heute eine ganz andere Methode der "Gedankenlosigkeit" an. Rein zufällig liegt auf dem Schreibtisch eines engen Beraters von Hamas-Ministerpräsident Ismail Hanija die Visitenkarte eines bekannten westlichen Diplomaten, und zwar so, dass der Journalist beim Interview nicht umhin kommt, sie zu sehen.
Gemäß dem Prinzip Hoffnung könnte man jetzt in die Schlagzeile setzen: Die EU hat ihren Boykott gegen die Hamas längst aufgegeben, wagt aber noch nicht, das offen einzugestehen. Wie die Visitenkarte dorthin gelangt ist, ob der Diplomat wirklich mit dem Hamas-Politiker gesprochen haben, muss gar nicht mehr geprüft werden, so wie die Kommentatoren geflissentlich jene Worte von Maschal und der Hamas-Sprecher übersehen, die nicht ins Konzept von "Frieden und Versöhnung" passen.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com