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Der deutsche Botschafter in Israel: "Frieden schafft man mit kleinen Schritten"
Der deutsche Botschafter in Israel: "Frieden schafft man mit kleinen Schritten"
Deutschland hat am 1. Januar die turnusmäßige EU-Präsidentschaft übernommen, mit dem Bestreben, frischen Wind auf dem großen, müden Kontinent blasen zu lassen. In Bezug auf den Nahen Osten wird Deutschland weiterhin "involviert" bleiben - insbesondere will es ein offenes Ohr für die hiesigen Bedürfnisse und zur Schaffung der Bedingungen für einen Dialog bieten, sagt der deutsche Botschafter in Israel, Dr. Harald Kindermann, in einem Interview mit Ynet. "Wir werden Sie nicht überraschen. Haben Sie keine Angst vor uns," sagt er...
Gil Yaron im Y-Net
Vorsicht, Zurückhaltung und Zusammenarbeit - sind die Schlüsselworte, die die Außenpolitik der Bundesregierung charakterisieren, Eigenschaften, die ihr eine Schlüsselrolle in der internationalen politischen Arena verschafft haben. Aus diesem Grunde sucht Deutschlands Botschafter in Israel, Dr. Harald Kindermann, auch nicht gerade eine Gelegenheit interviewt zu werden. Er ist ein erfahrener Politiker, der den inneren Regierungskreisen in Berlin sehr nahe steht, und nach Israel kam, nachdem er mehrere Jahre als Botschafter seines Landes in Saudi-Arabien gedient hat. Daher ist er selbst mit der arabischen Welt vertraut und sehr zurückhaltend in Bezug auf die Fähigkeit des Westens, dramatische Veränderungen der Ereignisse in der Gegend bewirken zu können.
In einem Sonderinterview mit Ynet anlässlich Deutschlands Übernahme der EU-Präsidentschaft sagt Kindermann, dass man die großartigen Ideen zur Lösung des Nahostkonflikts - wie z.B. den Demokratisierungsplan des US-Präsidenten George Bush für die gemäßigten arabischen Länder - stark anzweifeln muss. "Frieden schafft manmit kleinen Schritten", erklärt er die praktische deutsche Sicht der Dinge. In seinen Augen hat der Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarn eine zentrale Rolle in der deutschen Außenpolitik inne, "denn er beeinflusst uns nicht nur politisch, sondern auch emotional und wirtschaftlich."
In Israel hegt man große Zweifel an der Effektivität und Motivation der UNIFIL-Truppen in der Umsetzung des Waffenembargos gegen die Hisbollah. An dieser Truppe sind auch deutsche Soldaten beteiligt und die der deutschen Regierung entstehenden Kosten sind sehr hoch. Auf die Frage, ob die deutschen Soldaten auch vor Ort verbleiben werden, sollte es sich dort wieder aufheizen, versucht Kindermann zu beruhigen.
"Israel soll keine Angst vor der Nahostpolitik Deutschlands haben. Beide Seiten haben vereinbart, gegenseitige Überraschungen zu vermeiden. Wir leiten eine gemeinsame, intensive Außenpolitik. Deutschland ist mit Friedenspolitik befasst, aber dennoch sind wir uns der Tatsache bewusst, dass Frieden oft militärisch geschützt werden muss, selbst wenn dies nicht bedeutet, dass wir eine militaristische Politik führen. Ich bin sicher, dass wir stets die Gelder finden, um Sondertruppen zu finanzieren, die den Frieden in der Welt schützen."
-- Deutschland ist in letzter Zeit zunehmend selbstsicherer geworden. Heute zählt es zu den wichtigsten Spenderstaaten in der Region und nun ist es hier auch militärisch präsent. Ist es aufgrund dieser Veränderung möglich, dass Israel mehr Kritik von Seiten Deutschlands zu erwarten hat, mit der es sich bisher öffentlich zurückgehalten hat?
"Zwischen den beiden Staaten herrschen besonders enge Beziehungen. Selbstsicherer sind wir geworden, aber nicht in übertriebener Weise. Unter Freunden gibt es schon manchmal Meinungsverschiedenheiten, aber gewöhnlich äußern wir unsere Meinung auf sehr offene und ehrliche Weise hinter verschlossenen Türen."
-- Besteht die Gefahr, dass die neue Selbstsicherheit der Deutschen, wie sie sich bei der Fußballweltmeisterschaft in Form des neuen Patriotismus gezeigt hat, den Nazismus fördert?
"Rechtsextremisten sind keine Patrioten - sie lieben ihr Heimatland nicht wirklich. Ich meine nicht, dass in Deutschland die Gefahreines Erwachens des Nazismus besteht. Bei uns ist eine neue Art Patriotismus entstanden, den man Verfassungspatriotismus nennt, und meiner Ansicht nach gibt es keine Verbindung bzw. die Gefahr eines Abgleitens zwischen diesem positiven Patriotismus und gefährlichem Nationalismus."
-- Was sind die Ziele Deutschlands im Nahen Osten während der deutschen EU-Präsidentscha ft?
"Das Schlüsselwort unserer Außenpolitik ist " Involvierung'. Darüber hinaus streben wir nicht danach, unsere Ziele oder unsere Weltanschauung zu verwirklichen, sondern werden versuchen die Lage in der Region zu analysieren und uns darum bemühen, die Bedürfnisse der hiesigen Seiten anzuhören. Wir werden keine Wunder bewirken. Frieden schafft man mit kleinen Schritten. Wie eine zarte Pflanze muss er langsam heranwachsen. Wir sind darum bemüht, alle erforderlichen Bedingungen zu schaffen, um Frieden herbeizubringen und um die Fähigkeit der Seiten zu stärken, einen aufbauenden Dialog zu führen. Unserer Ansicht nach ist der richtige Rahmen für eine Politik, die die Zukunft verändert, das Quartett (bestehend aus VN, Russland, EU und USA) und wir wollen ihn wieder ins Leben rufen."