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Ein Jahr nach Scharons Verschwinden

Kaum ein Politiker war so umstritten wie Ariel Scharon. Sein plötzliches Verschwinden vor einem Jahr hat ein Vakuum hinterlassen, das seine inbrünstigen Feinde wie Freunde schmerzt. Sein zufälliger Nachfolger Ehud Olmert bietet den Feinden Scharons längst keine so willkommene Angriffsfläche, wie der "Hardliner" oder "Bulldozer" Ariel Scharon...

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 3. Januar 2007

Als "Massenmörder von Sabra und Schattila" 1982 in Beirut war Scharon zum Maskottchen anti-israelischer Propaganda geworden ist. Dass Prozesse in Israel und New York ihn von direkter Verantwortung für den Tod an mindestens 700 Palästinensern in den Flüchtlingslagern südlich von Beirut freigesprochen haben, hinderte niemanden, jeglichen Hass auf seine Person zu richten. Für die Feinde Israels galt Scharon als "Vater der Siedlungspolitik", was historisch nur bedingt gilt. Die meisten Siedlungen wurden von der linken Arbeitspartei als sicherheitspolitische Notwendigkeit lange vor Scharons politischer Karriere errichtet.

Scharon, vor einem Jahr durch einen Hirnschlag ins Koma gefallen, hinterließ auch in Israel ein Vakuum. Er war nicht so sehr die Negativfigur blutiger Massaker an Palästinensern, sondern jener Politiker, der das Überleben des jüdischen Staates im Sinne hatte. Scharon war schon in jungen Jahren ein nicht zu bändigender Querulant. Im Laufe seiner militärischen Karriere fiel er als eigenwilliger Kommandeur auf, der sich um die Befehle seiner Vorgesetzten wenig kümmerte. Sein taktischer Beschluss, 1973 als General der Reserve, den Suezkanal zu überqueren und bis 101 Kilometer vor Kairo vorzudringen, entschied militärisch und politisch den für Israel "verlorenen" Jom Kippur Krieg. Scharon wurde so zum Wegbereiter des Friedens mit Ägypten, dem stärksten und gefährlichsten Gegner Israels in der arabischen Welt. Als Verteidigungsminister Begins war Scharon auch jener Politiker, der 1982 in Jamit erstmals den Befehl zur Zerstörung von Siedlungen gab.

2000, nach Ausbruch der El-Aksa-Intifada, war den Israelis klar geworden, dass selbst maßlose Konzessionen an die Palästinenser, wie von Premierminister Ehud Barak im Camp David angeboten, keinen Frieden bringen würden. Jassir Arafats "Nein" bedeuteten das Ende der Friedenseuphorie seit den Osloer Verträgen. Für die Israelis war ein "starker Mann" gefragt, der allein "Sicherheit" im Sinne hatte. Ariel Scharon galt als die letzte Rettung.

Scharon, der länger als andere Militärs Politiker war, länger als Rabin, Barak oder Mitzna, wollte die Intifada durch Zurückhaltung beenden. Während der "gemäßigte" Barak sinnlos alle Hauptquartiere Arafats und Polizeizentralen bombardieren ließ, verkündete Scharon einen einseitigen Waffenstillstand. Die Zahl der getöteten Palästinenser ging drastisch zurück. Doch Selbstmordattentate und die Ermordung des Tourismusministers bewegten Scharon zu einer "harten" Politik, der Belagerung von Arafats Hauptquartier, dem Einmarsch im Westjordanland und dem Bau des umstrittenen Sperrwalls.

Scharon war nie ein Ideologe und schon gar kein verblendeter messianischer Siedler. Nur der Sicherheit und Zukunft des jüdischen Staates verpflichtet, konnte ausgerechnet Scharon die Räumung aller Siedlungen im Gazastreifen und im Norden des Westjordanlandes beschließen. Scharon schickte die von ihm gegründete Likudpartei ins Abseits. Der vorhergesagte Bürgerkrieg blieb aus. Und trotz seines plötzlichen Verschwindens siegte bei den Wahlen seine konzeptlose Kadimah-Partei mit dem grauen Ehud Olmert an der Spitze.

Scharon hat ein gefährliches Vakuum hinterlassen. Die Hisbollah im Libanon hatte nach Ansicht von Experten im Sommer 2006 den Krieg nur ausgelöst, weil sie den "Zivilisten" Olmert für unfähig hielt, die Raketen-Attacken mit Krieg zu beantworten. Trotz aller Kritik an "einseitigen Schritten", wollte Scharon auch das Westjordanland weitgehend räumen. Wegen der Versäumnisse der nach Israel zurückgeholten und bis heute arbeitslosen Siedler aus Gaza dürfte eine Fortsetzung dieser Politik unter Olmert undenkbar sein.

Premierminister Scharon überzeugte die Israelis, den palästinensischen Nationalismus zu akzeptieren und einer "Abtrennung" mitsamt Abschied von biblischen Gefilden zuzustimmen. Ausgerechnet Scharon hat die Israelis vom Wahn messianischer Träumereien befreit und auf den Boden eines Realismus zurückgeholt, der nur das Überleben eines kleinen jüdischen Staates in sicheren Grenzen kennt. Das hätte die Palästinenser zur schnellen Erfüllung ihres Traumes eines eigenen Staates verholfen. Scharons einseitiger Rückzug aus Gaza war keine "Friedensgeste" beendete aber weitgehend die Intifada und verwandelte grundlegend die politische Landschaft im Nahen Osten.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

Category: Allgemeines
Posted 01/03/07 by: admin

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