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Gut, dass er tot ist
Es ist schwer nachzuvollziehen, warum die Hinrichtung eines grausamen Diktators, der während seiner 24jährigen Amtszeit persönlich verantwortlich war für den Mord an mehr als einer Million Iraker, Iraner, Kurden und Schiiten, solch ein Schock für die moralisierenden Seelen dieser Welt war, insbesondere für die Europäische Union, die das Hängen von Saddam Hussein einen "barbarischen Akt" nannte...
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 02.01.2006
Übersetzung von Daniela Marcus
Allein die Radiodiskussionen am Sonntag zwischen den Gutmenschen, die die Exekution eines der größten Massenmörder seit dem Zweiten Weltkrieg anprangerten, weil sie gegen die Todesstrafe sind, und denjenigen, die die Hinrichtung für gerecht hielten, waren genug, einen in Rage zu versetzen. Wie konnte jemand der schockierenden Antwort einer dieser "Männer mit Prinzipien" auf die Frage, ob er auch Hitler verschont hätte, zuhören und dabei ruhig bleiben?
In Israel gibt es, wie in vielen anderen Ländern dieser Erde, keine Todesstrafe. Rabins Mörder Yigal Amir wurde nicht nur nicht an den Galgen gehängt, sondern heiratete kürzlich sogar und wird bald Vater werden. Auf der anderen Seite zögerte Israel nicht, Adolf Eichmann zu hängen. Was sagt dies aus? Dass wir eine Doppelmoral besitzen? Nein. Es sagt, dass wir eine Grenze ziehen zwischen Mord und Völkermord. Ein Staatsführer, der beim Einsatz von chemischen Kampfstoffen zur Ermordung Tausender Kurden und Tausender Schiiten nicht mit der Wimper zuckt, der diese dann zu Dutzenden wenn nicht Hunderten in Massengräbern vergraben lässt, der fähig ist, einen achtjährigen Krieg gegen den Iran zu führen, der mit dem Töten einer Million Menschen endet – der ist kein gewöhnlicher Mörder. Er ist ein Kriegsverbrecher, der es verdient, exekutiert zu werden.
Wir sprechen über einen Tyrannen, der sein Volk unter Kontrolle hatte, indem er Angst schürte und wie ein Barbar handelte. Iraks zahlreiche Gefängnisse, inklusive demjenigen, in dem Saddam exekutiert wurde, waren voll von Menschen, die brutal gefoltert und getötet wurden, allein deshalb, weil sie etwas sagten, das sie nicht hätten sagen sollen, oder weil sie von Informanten verraten worden waren.
Ich war überrascht, den Kommentar von Nachum Barnea in der israelischen Tageszeitung Yedioth Achronoth zu lesen, in dem Saddams Courage gepriesen wurde. "Er ging würdig, ohne um Mitleid zu bitten und ohne die Füße seines Henkers zu umklammern in den Tod. Er verwehrte seinen Feinden diese letzte Befriedigung." Zunächst einmal: die Welt sah nur, was die Person, die die Bühnenanweisungen für die Hinrichtung gab, sie sehen lassen wollte. Während der Gerichtsverhandlungen war Saddam Hussein nicht solch ein Held. Mit dem Koran in seiner Hand versuchte er, seine Haut mit allen möglichen Ausreden zu retten. Die pathetischste war diejenige, als er sagte, er sei immer noch der Präsident des Irak.
Mörderische Diktatoren von Saddams Sorte fürchten sich nicht vor dem Tod. Die Köpfe der Nazipartei –Hitler, Goebbels, Himmler und Göring- begingen Selbstmord. Andere Naziführer, die während der Nürnberger Prozesse zum Tode verurteilt wurden, gingen mit hocherhobenem Kopf und ohne um Gnade zu flehen zur Exekution. Alfred Rosenberg, der Ideologe der Rassentheorie der Nazis, rief „Tod den Juden“ bevor er starb. Saddam sagte gemäß Al Jazeera, "Lang lebe der Irak" und "Lang lebe Palästina".
Der gemeinsame Nenner zwischen den Nazi-Mördern und Saddam war das zwanghafte Verlangen, die Juden auszulöschen. Saddam war ein Größenwahnsinniger, der gelobte, Israel zu verbrennen. Er begann mit dem Bau des ersten Atomreaktors in der arabischen Welt mit dem ausdrücklichen Ziel, Israel ein Ende zu setzen. Er förderte und finanzierte Selbstmordattentate und Terror gegen Israels Zivilbevölkerung und feuerte 40 Scud-Raketen auf uns, um den palästinensischen Terrororganisationen und der Hisbollah zu zeigen, dass die Heimatfront Israels Achillesferse ist.
Es ist schwer zu verstehen, wie ein brutaler Tyrann, der seine Gegner in Säure tauchte oder ihre Arme und Beine abhackte, eine ganze Generation lang im Amt bleiben konnte, ohne herausgefordert zu werden. Am Ende hatte er mehr Arroganz als Verstand. Er bereitete keinen Fluchtweg für sich vor und lag zweimal falsch als er nicht glaubte, dass Amerika Militärstärke gegen ihn anwenden würde.
Er marschierte ohne jede Rechtfertigung in Kuwait ein und rief dadurch eine internationale Koalition hervor, die ihn angriff. Er marschierte ohne jede Rechtfertigung in den Iran ein und zog sich acht Jahre später zurück, ohne irgendetwas erreicht zu haben, ließ aber eine halbe Million toter Iraner zurück. Er wusste, dass er keine atomaren oder biologischen Waffen besaß, doch auf arrogante Art und Weise jagte er die UNO-Inspektoren aus dem Irak. Sein Volk litt in Folge der durch die UNO auferlegten Sanktionen Hunger und Not – bis die Besatzung kam und Saddam zu Fall brachte.
Es wird noch lange dauern, bis der Irak stabil ist. Doch wäre Saddam am Leben und im Gefängnis geblieben, lägen die Chancen, irgendwann Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, bei Null. Die Menschen hätten Angst, dass er früher oder später seine Gefängniszelle verlassen und zurück an die Macht kehren würde. Somit war seine Hinrichtung keine Bestrafung. Sondern sie war das Ende eine Ära. Es ist gut, dass Saddam Hussein tot ist.