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Eine Oase im Sturm der Finanzkrise
Wenn der israelische Rundfunk eine „Abwertung des Dollars“ meldet, oder eine „Aufwertung des Euro“, dann ist der Schekel die Leitwährung. Das klingt wie Überheblichkeit. Doch wer sein Geld vor einem Jahr in Schekel umgetauscht hat, ist heute dank hoher Zinsen großer Reibach beschwert...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 16. Oktober 2008
Der Euro stand vor wenigen Wochen noch bei 5,60 Schekel pro Euro und der Dollar wurde mit 4,70 Schekel gehandelt. Doch inzwischen ist der Euro weniger als 5 Schekel wert und der Dollar sank im Verhältnis zur israelischen Währung um ganze 30 Prozent. Er dümpelt heute knapp über 3,50 Schekel.
Gleichwohl kann sich die israelische Börse der Hektik der internationalen Märkte nicht entziehen. Deshalb hört man auch in Israel besorgte Stimmen über eine bevorstehende Rezession. Bisher konnte der Chef der Nationalbank, Stanley Fischer, die Israelis einigermaßen überzeugend beruhigen. Die Wirtschaft sei stabil, sagt er. Bei den israelischen Banken gebe es keinerlei Engpässe. Keine Bank ist zusammengebrochen oder musste nationalisiert werden, wie in den USA und in England.
„Die israelischen Banken haben schon 1983 ihre große Krise erlebt, wegen unlauterer Manipulationen an der Börse“ erinnert sich ein Wirtschaftsexperte. Leichtes Kapital hatte die großen Banken süchtig gemacht, bis sie in die von ihnen ausgestellte Falle fielen. Die Regierung griff ein und verordnete eine scharfe Regulierung der Banken. Deshalb sind ausgerechnet Israels Banken relativ stabil. Sie befolgen eine eher konservative Politik und waren an dem spekulativen Investitionsgeschäft in Amerika und anderswo in der Welt kaum beteiligt.
Um mit der Zeit zu gehen, wird auch im israelischen Finanzministerium über ein Sicherheitsnetz nachgedacht, wie es in der ganzen westlichen Welt inzwischen gespannt wurde. Obgleich kein Zusammenbruch israelischer Banken in Sicht sei, wolle der Staat die privaten Sparkonten versichern, um die Öffentlichkeit zu beruhigen und eine Vertrauenskrise zwischen Kunden und Banken gar nicht erst entstehen zu lassen, so Fischer.
Der internationale Währungsfond veröffentlichte vor einer Woche seine Prognosen für das Jahr 2009. Während das Wachstum in den USA bei 0,1 Prozent liegen werde und in der Welt bei 2,8 Prozent, so werde Israel mit etwa 5 Prozent eine der höchsten Wachstumsraten in westlichen Ländern haben. Der Preisindex für Tomaten und Gurken ist im vergangenen Monat zwar angestiegen, aber billigere Kleidung und vor Allem ein Sinken der in Dollars festgelegten Mieten verhindert ein Anziehen der Inflation. In den letzten sechs Jahren lag die jährliche Teuerung in Israel um die ein Prozent. Inzwischen hat sich die Regierung eine Inflation zwischen einem und drei Prozent zum Ziel gesetzt, doch die Preise stiegen in diesem Jahr schon um etwa 3,5 Prozent.
Eine Vielzahl von Gründen werden für Israels wirtschaftliche Stabilität angegeben. Das Ende der Intifada habe nach sechs schweren Jahren ganz deutlich den Tourismus wieder angekurbelt. Für 2008 erwartet das Tourismusministerium Rekordzahlen wie im Millenniumsjahr. Noch schwerer hatte Israel im Jahr 2000 das Platzen der High-Tech-Blase an den amerikanischen Börsen zugesetzt. Doch auch dieser Bereich hat sich längst erholt. Mit seinen Patenten und Startup Firmen konkurriert Israel erfolgreich dem amerikanischen Silicon-Valley. Ein weiterer Grund für die wirtschaftliche Stabilität ist nach Meinung von Experten die äußerst konservative Haushaltspolitik der Regierung. Viele soziale Vergünstigungen, darunter das Kindergeld für das erste und zweite Kind, wurden schon unter Premierminister Benjamin Netanjahu abgeschafft. Aber ist gibt da auch bedenkliche Folgeschäden mit düsteren Prognosen für die Zukunft. Die staatlichen Subventionen der Universitäten wurden so gekürzt, dass die akademischen Institutionen sich um 30 Jahre zurückgeworfen fühlen und einen Brain-drain ihrer besten Köpfe in Richtung USA und Europa befürchten. Sogar in Israels vorbildlichen Krankenhäusern mit Weltruhm rechnet man schon bald mit einem akuten Mangel an Ärzten, weil nicht genug Nachwuchs ausgebildet wird.
Auch wenn Israel im Augenblick erstaunlich stabil dasteht, und dem kleinen, im Rahmen der Weltwirtschaft relativ unwichtigen Land hohes Wachstum vorhergesagt wird, so werden die Auswirkungen der Wirtschaftskrise unweigerlich auch Israel treffen. Die Kombination eines viel zu starken Schekels und geringere Kaufkraft des Dollars wie des Euro werden Israels Exporte treffen. Noch wurde niemand entlassen. Aber die Firmen bereiten sich schon darauf vor, Tausende Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit zu Schicken, um sich den künftigen Verhältnissen anzupassen.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com