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Ein Jahr ohne Amerika

Nicht jeder versteht Ehud Barak mit seinen anscheinend bizarren Forderungen und Reaktionen. Doch wenn man allen Sarkasmus einmal beiseite schiebt, dann muss man sagen, dass der Mann irgendwo Recht hat. Er möchte ein gleichberechtigter Partner des Premierministers sein. In etwa wie Yitzhak Shamir und Shimon Peres in der Rotationsregierung. Die beiden hatten beschlossen, keine Entscheidung ohne gegenseitiges Einverständnis zu treffen. Obwohl die Rechte damals (im Jahr 1988) stärker war als die Linke, schloss sich Shamir diesem Abkommen an und hielt daran fest...

Kommentar von Yoel Marcus, Ha’aretz, 03.10.2008
Übersetzung von Daniela Marcus


Barak möchte nicht zu den alten Tagen zurückkehren als Ehud Olmert Schritte unternahm ohne das Kabinett zu informieren oder ihn, Barak, mit ins Boot zu nehmen (wie z. B. bei den geheimen Gesprächen mit Syrien in der Türkei). Barak hat Recht mit seiner Forderung nach einer gleichberechtigten Partnerschaft mit Tzipi Livni und z. B. auch mit seiner Forderung, den Friedmannismus zu beenden. (Anmerkung: Daniel Friedmann, auf den sich der Begriff „Friedmannismus“ bezieht, ist der derzeitige israelische Justizminister.)

Als Vorsitzender einer Partei, ohne die Livni nicht Premierministerin werden kann, besteht Barak darauf, in die Führung des Landes voll integriert zu werden. Livni ist nicht außerordentlich besorgt über Barak und seine Forderungen. Sie hat ihn zu Gesprächen über eine zukünftige Partnerschaft getroffen. Er hat Bedingungen genannt, etwas, das legitim ist. Z. B. die Bedingungen, die grundsätzliche Politik oder die gegenwärtige Regierung, die sie nun anführt, nicht zu verändern.

Was ihre Ideologie betrifft, so stehen sie sich sehr nahe. Beide streben nach Verhandlungen mit den Palästinensern und keiner von ihnen betrachtet die syrische Initiative als realistisch. Beide kämpfen um die gleiche Wählerschaft, nämlich um die politische Mitte und die moderate Linke. Keiner möchte zum gegenwärtigen Zeitpunkt Neuwahlen. Beide trachten nach einer stabilen Regierung, die für die nächsten zwei Jahre bestehen bleibt.

Die meisten Knessetmitglieder sind heutzutage nicht bestrebt, Neuwahlen abzuhalten, weil Livni sich noch nie bei Wahlen messen lassen musste und weil Umfragen prognostizieren, dass Neuwahlen Baraks Partei Avodah auf 12 Sitze fallen lassen und Benjamin Netanyahu an die Macht bringen könnten. Deshalb gibt es eine gute Chance, dass die neue Regierung hart daran arbeiten wird, bis zu den Wahlen zur 18. Knesset im Jahr 2010 an der Macht zu bleiben.

Während das Geschäft, eine Koalition zusammen zu stellen, weiterläuft, ist es üblich, die komplexen Probleme, denen die nächste Regierung gegenüber steht, zu benennen. Die Liste ist lang, doch es steht nichts wirklich Neues auf ihr. In den vergangenen Jahren beinhaltete jede dieser Listen auch den Geist der Vereinigten Staaten – als Initiator bzw. Förderer des Friedensprozesses und als Unterstützer des Krieges gegen den Terror.

Erinnern Sie sich an den Annapolis-Gipfel letztes Jahr im November, wo Präsident Bush den Grundstein für eine schnelle Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts Ende 2008 legte? Inzwischen stellte sich heraus, dass dies eine ganze Menge leeres Gerede war. Bush bringt seine pathetische Karriere als Zielscheibe des Spotts im Fernsehen zu Ende. Die einzige in der amerikanischen Regierung, die noch nicht aufgegeben hat, ist Condoleezza Rice. Wenn sie ihre Vielflieger-Punkte in Geld verwandeln könnte, wäre sie Millionärin. So viel wurde für so wenig investiert.

Israel hat sein Vertrauen immer in Amerikas Rückhalt und Unterstützung gesetzt. So lange Amerika in der Nähe war, wussten wir, dass wir uns auf jemanden verlassen konnten. Nicht nur im Bereich der Waffenlieferungen, sondern auch im Bereich der politischen Unterstützung von Israels Interessen, wozu auch die Unterstützung für Friedensinitiativen gehörte. Obwohl Olmerts Regierung nicht eine einzige illegale Siedlung geräumt hat, war da diese freundliche, immer unterstützende, vergebungsbereite und großzügige Supermacht, auf die wir uns verlassen konnten.

Durch die Präsidentschaftswahlen, die nächsten Monat in den USA stattfinden, könnte sich Amerikas Liste der Prioritäten ändern. Ein ranghoher Berater des republikanischen Kandidaten John McCain sagte bereits, es gäbe 30 globale Krisen, die dringender seien als der israelisch-palästinensische Konflikt. Das Obama-Lager vertritt den gleichen Gedanken. Obama mag einige Juden in seinem Beraterstab haben, an die wir uns aus vergangenen Regierungen erinnern, doch im Bereich des israelisch-palästinensischen Konflikts denkt er nicht anders als sein Konkurrent. Sein Lager hat 42 internationale Krisen auf der Liste stehen, die Aufmerksamkeit benötigen. Erst nach diesen kommt Israel an die Reihe.

Es ist nicht klar, welche Veränderung in der US-Politik wir bezüglich des Kampfes gegen die Achse des Bösen sehen werden. Was den Iran angeht, so stimmten frühere amerikanische Außenminister, zu denen auch Henry Kissinger gehörte, bei einer Konferenz in Washington darin überein, dass das Problem auf diplomatische Weise und nicht durch militärische Stärke gelöst werden müsse, ganz gleich wie vergiftet die Rhetorik sei, die von diesem Land komme. Ein Mitarbeiter Obamas erklärte, der Iran sei noch nicht nahe daran, eine Atombombe zu bauen und Dialog sei der Weg, der gegangen werden müsse.

Der nächste Mann im Weißen Haus wird sich vor allem erst einmal der Wirtschaftskrise und deren Auswirkungen widmen. Ein anderes Thema, das ganz oben auf der Agenda des neuen Präsidenten steht, ist die Einlösung des Versprechens, amerikanische Soldaten aus dem Irak und aus Afghanistan abzuziehen. Und nun, da die Regierung des nuklearen Pakistan wankt und ein Hotel, das der amerikanischen Marriott-Kette gehörte, in die Luft flog, sagt selbst Obama, dass die amerikanische Armee, wenn nötig, die Taliban an der pakistanischen Grenze bekämpfen wird.

Die beiden Präsidentschaftskandidaten wünschen sich die Stimmen der jüdischen Wähler, doch sie vergessen, den israelisch-palästinensischen Konflikt an die Spitze ihrer Liste zu stellen. Dies macht es besonders wichtig für uns, eine stabile Regierung zu haben, die fähig ist, einen ernsthaften Friedensplan voranzubringen. Was wir selbst nicht tun, wird niemand für uns tun. Wir müssen uns bereit machen für ein Jahr ohne Amerika.

Category: Politik
Posted 10/04/08 by: admin

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