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Der politische Zustand in Palästina

Die Machtverhältnisse in den Palästinensergebieten sind nicht erst seit dem Ruf des Präsidenten Mahmoud Abbas zu Neuwahlen verwirrend. Im palästinensischen Präsidialsystem nach französischem Vorbild herrscht Machtkampf statt "Kohabitation", wenn der Präsident und die Regierung unterschiedlichen Parteien angehören. Nur solange Jassir Arafat lebte, konnte das System funktionieren. Es war auf dessen Leib zugeschnitten. Die extremistische Hamas hatte sich zudem selber aus dem demokratischen System ausgeschlossen, indem sie die Beteiligung an den Wahlen 1996 verweigerte...


Vo Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 17. Dezember 2006

Unter Arafat stritten die gewählten Parteien um Details. Doch der Hamas, im Januar mit überwältigendem Wahlsieg ins Parlament eingezogen, geht es um das Prinzip. Sie akzeptiert nicht die Osloer Verträge, also die rechtliche Grundlage für das palästinensische Parlament und die Autonomiebehörde.

Der Finanzboykott der EU, der USA und Israels sowie die völlig zerrüttete Wirtschaft infolge der sechsjährigen Intifada machen der Fatah-Partei des Abbas wie der Hamas zu schaffen. Die Hamas kann ohne Geld nicht regieren und die Fatah kann ihre Gefolgsleute nicht bei der Stange halten. Eigentlich müsste die Hamasregierung der 80.000 Mann starken "Polizei"die Gehälter zahlen.

Diese "Polizei", von Arafat aufgebaut, gehört aber zu den Stützen des Abbas. Da ist gewalttätiger Streit vorprogrammiert. Mehrmals stürmten schon die Polizisten in Ramallah und Gaza das Parlamentsgebäude, um die Entrichtung ihrer Löhne zu erzwingen. Die dabei abgegebenen Schüsse sind gegen den mittellosen Zahlmeister gerichtet: Hamas. Die wiederum hat längst im Schatten der Intifada eine eigene Militärmacht errichtet. Der "militärische Arm" der Hamas ist bestens trainiert, mit Unmengen geschmuggelter Waffen ausgerüstet und vor allem diszipliniert. Im Gazastreifen haben die offiziellen Streitkräfte deshalb kaum noch eine Chance, sich durchzusetzen.

Der Gazastreifen ist spätestens seit Ausbruch der Intifada im Herbst 2000 vom Westjordanland physisch und faktisch abgeschnitten. Beide Territorien führen ein Eigenleben. Aus dem übervölkerten Gazastreifen hat sich Israel zudem mitsamt Siedlern und Siedlungen im Sommer 2005 zurückgezogen, während die palästinensischen Städte im Westjordanland de facto seit März 2002 von Israel wieder besetzt und kontrolliert werden. Im Westjordanland hat die Fatah noch die Oberhand, obgleich fast alle Bürgermeister zur Hamas gehören. Israel hat durch gezielte Verhaftungen den Aufbau eines militärischen Armes der Hamas verhindert. Die jüngsten Entwicklungen könnten auch politisch einen Keil zwischen Gaza und Ramallah treiben. Bisher wurden sie im Prinzip als Einheit gesehen.

Auch wenn die Hamas "drinnen" unter Ismail Hanija und "draußen" unter Chaled Maschal in Damaskus unterschiedliche Nuancen setzt, so ist sie doch ein ziemlich disziplinierter, monolithischer Block. Nicht so die Fatah. Während Präsident Abbas auf Verhandlungen mit Israel drängt, will der alte Oppositionär und PLO-Außenminister Faruk Kaddumi nicht einmal Oslo anerkennen. Die alte Garde Arafats will nicht abtreten und die Jungen können nicht aufstreben, unter Anderem, weil das alte von Arafat seit den Bürgerkriegszeiten in Beirut gepflegte System von Korruption und persönlichen Gefälligkeiten seit der Wahlniederlage im Januar und dem ausländischen Finanzboykott geplatzt ist.

Im Falle von Neuwahlen müsste Abbas zurücktreten. Übergangspräsident wäre dann der Parlamentsvorsitzende Asis Duweik von der Hamas. Zur Zeit sitzt er zusammen mit Ministern und Abgeordneten der Hamas im israelischen Gefängnis, als Faustpfand für den im Juni entführten Soldaten Gilad Schalit. So wäre schon während des Wahlkampfes mit seinem höchst ungewissen Ausgang die gesamte Autonomiebehörde fest in Hamas-Hand. Sollte der 74 Jahre alte Abbas das Rennen um den Präsidentenposten verlieren, dürfte Ismail Hanija, derzeitiger Hamas-Premier, siegen. Hanija ist nach Abbas der populärste Politiker, während die Fatah seit dem Schock der Wahlniederlage im Januar keine alternative Persönlichkeit hervorgebracht hat.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

Posted 12/18/06 by: admin

Comments

wrote:
Wohin und auf welchen Wegen fließen die bisher in diesem Jahr von der EU gezahlten 650 000 000 €?
Wird das Geld aus Hubschraubern abgeworfen?
12/23/06 22:26:30

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