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Das Dilemma

Präsident Mahmoud Abbas hat am Samstag seinen langerwarteten Coup verkündet: Neuwahlen. Es war sein letzter Versuch, den Wahlsieger vom Januar zu entmachten, also ein Staatsstreich des Präsidenten gegen die demokratisch gewählte Regierung. Monatelange Verhandlungen mit der Hamas über eine "Einheitsregierung" endeten in der Sackgasse. Die Islamisten wollten nicht einsehen, wieso sie von der Macht ablassen sollten, die sie ganz legal und demokratisch errungen haben...


Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 17. Dezember 2006

Für die Fatah-Partei des Abbas war die Wahlniederlage ein Schock, den sie nach vierzigjähriger uneingeschränkter Herrschaft nicht verkraftet hat. Spitzenfunktionäre der Fatah verloren die Pfründe und eine uneingeschränkte Machtentfaltung, auch ohne einen vollgültigen Staat zu repräsentieren. Sie wurden von aller Welt hofiert, gut bezahlt und politisch gehätschelt. Friedensnobelpreisträger Arafat und jetzt Abbas galten als vernünftige Gesprächspartner, um im Nahen Osten endlich Frieden einkehren zu lassen. Spätestens seitdem Bruno Kreisky die Palästinenser zur "Kernfrage" des Nahostkonflikts erklärt hat, hielt auch die Welt den PLO-Chef für den Schlüssel zur Lösung fast aller Probleme in dieser ölgetränkten Region. Erst Präsident Ahmadinidschad dreht das Rad der Geschichte wieder zurück. Nicht die Palästinenser, sondern die pure Existenz des jüdischen Staates scheint wieder zum wahrgenommenen Kernproblem zu werden.

Abbas hat viele Gründe, die Absetzung der Hamas zu betreiben. "Wir wurden von Freiheitskämpfern zu Bettlern", fasste er am Samstag die ganze Problematik zusammen: eine zerrüttete Wirtschaft, ein Ende des Friedensprozesses, keine Hoffnung mehr auf ein Ende der Besatzung und auf einen Staat, Chaos und Verarmung der Bevölkerung.

Die Hamas hingegen verstieß gegen alle Regeln internationalen Zusammenlebens. Indem sie bestehende Verträge ablehnte, einem ordentlichen Mitglied der UNO das Existenzrecht absprach, offen für Gewalt plädierte, hatte die Hamasregierung die Autonomiebehörde disqualifiziert, finanzielle Aufbauhilfe aus dem Ausland zu beziehen. Indem sie keine Gehälter mehr zahlen konnte, war sie de facto regierungsunfähig. Das Chaos im Gazastreifen, das innerpalästinensische Blutvergießen und die unverantwortliche Entführung "nur" eines israelischen Soldaten, wodurch die Hamas – so Abbas in seiner Rede –500 tote Palästinenser, 4000 Verletzte und 4000 zerstörte Häuser provoziert habe, waren weitere gute Gründe für den verantwortungsbewussten Landesvater, endlich wieder geordnete Verhältnisse zu schaffen.

Obwohl Abbas laut Verfassung gar nicht die Vollmacht hat, die Regierung zu entlassen, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen ausrufen zu lassen, will er das mit einem Präsidentendekret erzwingen. Damit gießt er allerdings weiteres Öl in das Feuer eines schon tobenden Bruderkriegs im Gazastreifen. Dort hat die Hamas längst mit schwerbewaffneten Kampfgruppen die Oberhand. Der Ruf nach Neuwahlen bedeutet für die Hamas eine inakzeptable Herausforderung, gegen die sie sich jetzt schon mit Gewalt widersetzt.

Im Westjordanland hingegen sorgen die israelischen Besatzer mit Verhaftungen dafür, dass die Präsidentengarde des Abbas und keine Hamaskämpfer die innere Macht halten, obgleich in allen Städten Bürgermeister der Hamas sitzen.

Neuwahlen wären zu begrüßen, wenn Abbas einen Wahlsieg garantieren könnte. Tony Blair und die Amerikaner haben seinen mutigen Beschluss schon begrüßt. Das schafft Hoffnung auf eine Erneuerung des Friedensprozesses und ein Ende des Finanzboykotts. Auch könnte der Einfluss des Iran und eine Ausbreitung des Islamismus eingedämmt werden.

Gleichwohl hat das alles mit den herkömmlichen Regeln der Demokratie nur wenig zu tun. Zudem fragt sich, wie Abbas am besten geholfen wäre, die Palästinenser wieder hoffähig zu machen. Amerikanische Hilfe würde Abbas als Lakai der Bush-Regierung diskreditieren. Die EU könnte nicht einfach wieder den Geldhahn aufdrehen, weil das – gegen ihre Prinzipien – der Hamas zugute käme. Und Israel muss vorsichtig sein, um nicht der „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ der Palästinenser bezichtigt zu werden. Denn das würde Abbas sofort den Ruf eines "Kollaborateurs" einbringen, unter den Palästinensern ein todeswürdiges Verbrechen.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

Posted 12/18/06 by: admin

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