Wie König Fussball von Tel Aviv aus die Welt erobert – in Form einer Web-Community namens "Footbo"...
Von Benjamin Rosendahl
Der englische Fussballnationalspieler Gary Linecker sagte einmal, dass "Fussball ein Spiel ist, wo 90 Minuten lang 22 Menschen einen Ball hinterherlaufen – und am Ende die Deutschen gewinnen." Oft hat diese Aussage gestimmt, nicht aber bei dieser EM (Spanien besiegte Deutschland im Endspiel und gewann die EM – zum ersten Mal seit 44 Jahren). "Unterschätze nie ein Land, wo Stiere ungeschützt durch die Straßen laufen," meint Mani Honigstein, Gründer von "Footbo".
"Footbo", dessen Hauptsitz in Tel-Aviv ist, hat von der Europameisterschaft durchgehend berichtet. Ihre vielen Anhänger haben sich in Diskussionsgruppen hitzige Argumente geliefert. Gleichzeitig berichteten einige der weltweit anerkanntesten Sportjournalisten auf ihren Blogs auf der Site, deren Ziel es ist, "eine Online-Community für Fussballfans weltweit zu sein."
Ich traf Mani in seinem Büro in Tel Aviv, wo er eine gute Aussicht auf das Mittelmeer hat. Es war 9 Uhr früh, auf verschiedenen Fernsehern liefen Spiele unterschiedlicher europäischer Ligen und Manis Blick schwenkte hin und her. Aus seiner Kaffeetasse roch es nach starkem Kaffee und Kardamon ("was man in Israel türkischen Kaffee nennt, obwohl in der Türkei statt Kaffee nur Tee getrunken wird"). "Fussball war schon immer meine Leidenschaft, seit dem ich mich erinnern kann", sagt Mani, der in München geboren ist. Seit seiner frühen Jugend war er in zwei Clubs festes Mitglied – in der ZJD (Zionistische Jugend Deutschland) und beim FCB (Fussball Club Bayern München). Hier in Israel versucht er, beide Leidenschaften – den Fussball und den Zionismus, zu verwirklichen.
In israelischem Stil leger angezogen, führt er mich durch die Räumlichkeiten des bescheidenen Büros, nicht ohne mir (und sich selbst) eine zweite Tasse Kaffee anzubieten (dieses Mal "hafuch" – Milchkaffee). Währenddessen schaut er sich die Tabellen der deutschen, spanischen, englischen – und israelischen Liga an. Mani, der in München auch aktiv für den jüdischen Sportclub Makkabi gespielt hat, gibt zu, dass er nie gedacht hätte, dass er sein Hobby zum Beruf machen könnte. "In Deutschland nennt man Fussball immer die wichtigste Nebensache der Welt. Jedoch konnte ich das in meiner Arbeitswelt" – er arbeitete für eine High-Tech-Firma – "nie ausleben. Auch gab es im Internet keine Community, die sich nur auf Fussball spezialisierte. Und da kam mir die Idee für Footbo".
Und es scheint, als ob die Idee genau das war, worauf man im Web gewartet hatte: Innerhalb von einigen Wochen hat sich die Anzahl der Benutzer von "Footbo" von ein paar Mitgliedern zu ein paar Tausenden vermehrt. "Es ist dies ein weiteres Zeichen des israelischen Pioniergeistes, der sich in den letzten Jahren insbesonders in der High-Tech-Industrie gezeigt hat", meint Mani, nicht ganz ohne Stolz. Und auch wenn die israelische Nationalmannschaft auf dem internationalen Fussballfeld nicht sehr erfolgreich war (mit Ausnahme von der WM 1970, wo Mordecai "Motaleh" Spiegler Israels bisher einziges Tor in einer Weltmeisterschaft erzielte), so macht eine Fussball-Community mit Hauptsitz in Israel dennoch Sinn: Israelische Fussballspieler sind in den besten Ligen Europas aktiv: Haim Revivos Erfolg in der Türkei (er gewann mit "Fenerbahze Istanbul" die türkische Liga und konnte am Ende seines Aufenthalts fließend türkisch) ist da nur ein Beispiel.
Auch sind Israelis im allgemeinen fussballverückt – und sehr vielwissend über die verschiedenen Ligen Europas und Südamerikas. "Was da mehr überascht sind die Mitglieder, die wir aus Ländern haben, die man eher nicht mit Fussball assoziiert, wie Iran und Amerika, wo Leute immer noch denken, dass "Football" mit einem Helm gespielt wird." Mani, der seit 5 Uhr früh wach ist, ist bereits bei seiner dritten Tasse Kaffee angelangt ("Kaffee Aroma", natürlich).
Die Mitglieder-Gruppen reflektieren ein weites Interesse: Es gibt Fangruppen für beliebte Teams (Bayern München, Chelsea, etc.), Spieler und Zitate, für die philosophisch ausgerichteten. Aktualität spielt natürlich auch eine Rolle, wie z.B. Lothar Matthäus' neue Trainerstelle bei "Makkabi Netanya". Und auch der FC-Bayern-Fanclub in Israel ("Jeckes baAretz"), über den sogar in der israelischen Version des "Aktuellen Sportstudios" berichtet wurde, hat eine eigene Gruppe. "Schlussendlich reflektiert diese Community die Interessen ihrer Mitglieder", sagt Mani, während wir am Rothschild Boulevard uns einen schnellen Imbiss besorgen, "und wir ermöglichen jedem unserer Mitglieder, sich aktiv zu beteiligen."
Auf renomierte Sportreporter wollte er dennoch nicht verzichten, und so sind u.a. Guillem Balague (Sky Sports), Gabriele Marcotti (Sports Illustrated, the Times) und Raphael Honigstein (The Guardian, Süddeutsche Zeitung), seines Zeichens Autor des Buches "Harder, Better, Faster, Stronger" (über die Geschichte des englischen Fussballs), als Kommentatoren bei Footbo dabei. Damit, so Mani, gibt es für die Mitglieder die Möglichkeit, mit den besten Fussballkommentatoren der Welt Ideen auszutauschen. Und während er die vierte Tasse Kaffee genießt (es ist bereits vier Uhr nachmittags), fügt er folgendes hinzu: "Mich beindruckt die Qualität der Einträge unserer Mitglieder immer wieder aufs Neue. Sie stehen oft unseren professionellen Sportsjournalisten in nichts nach."
Die Sonne versinkt langsam über dem Mittelmeer. Zeit, sich zu verabschieden. Ohne ein Fussballzitat lässt mich Mani aber nicht gehen. Es ist von George Best, dem englischen Fussballspieler, der für seine Schlagfertigkeit mindestens genauso bekannt war wie für seine fussballerischen Künste: "1969 habe ich Alkohol und Zigaretten aufgegeben. Das waren die schlimmsten 20 Minuten meines Lebens …" Und das –so Mani- wird er wohl einmal über Fussball sagen, in 20 Jahren, und immer noch im bescheidenen Büro in Tel-Aviv.
Mehr zu dieser Fussball-Community gibt es unter:
www.footbo.com