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Urteil über gezieltes Töten
Fünf Jahre lang schob Israels Oberstes Gericht ein Urteil über "gezieltes Töten" (auch "außergerichtliche Hinrichtungen" oder "Liquidierungen"), vor sich her. Als Schlussakkord hat der scheidende Oberrichter Aahron Barak dazu sein letztes Urteil verfasst. Mit der Akte HCJ 769/02 hatte das "Öffentliche Komitee gegen Folter" den Staat Israel verklagt...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 14. Dezember 2006
Die Richter hatten gezögert, sich in Fragen der Kriegstaktik oder politischer Beschlüsse einzumischen. Doch am Ende beschlossen sie, dass auch "gezieltes Töten" rechtlichen Normen unterliege. Sie stellten fest, dass die Regierung eine Politik des "gezielten Tötens" gegen Terroristen ausübe, die Terrorangriffe gegen israelische Zivilisten oder Soldaten "planen, in Gang setzen oder verüben". Gelegentlich kämen beim "gezielten Töten" auch unschuldige Zivilisten zu Schaden. "Handelt der Staat deshalb illegal?"
Zwischen Israel und den Terrororganisationen, so die Definition, bestehe ein "bewaffneter Konflikt" mit internationalem Charakter, kein innerstaatlicher Konflikt. Deshalb gelte "Internationales Recht für bewaffnete Konflikte". Das unterscheide zwischen Kombattanten und Zivilisten. Während Kombattanten legitime Ziele für militärische Attacken seien, genießen Zivilisten Schutz für Leben, Freiheit und Eigentum. "Ungesetzliche Kämpfer" gebe es nach internationalem Recht nicht.
Mitglieder terroristischer Organisationen seien nicht Kombattanten, weil sie die Bedingungen für diesen Status nicht erfüllen. Deshalb seien sie Zivilisten. Doch internationales Recht versagt Zivilisten den Schutz, während die sich an "Feindseligkeiten" direkt beteiligen. Direkt beteiligte Zivilisten verlieren zwar nicht ihren Zivilstatus, genießen aber auch nicht den garantierten Schutz. Sie riskieren, wie Kombattanten angegriffen zu werden, ohne in den Genuss der Sonderrechte für Kombattanten etwa als "Kriegsgefangene" zu gelangen. "Feindseligkeiten" sollen Soldaten oder Zivilisten Schaden beifügen. "Beteiligt" ist auch, wer sich unbewaffnet auf solche Akte vorbereitet. "Direkt beteiligt" ist, wer Waffen offen oder versteckt trägt, sich auf dem Weg von oder zu einem Ort befindet, wo er die Waffen einsetzen will. Betroffen ist auch, wer terroristische Akte plant, dazu rekrutiert, anleitet oder entsendet. Wer jedoch Lebensmittel oder Medikamente liefert, allgemeine logistische Hilfe oder finanzielle Unterstützung leistet, ist nur "indirekt beteiligt".
Wer sporadisch "beteiligt" war, sich aber losgelöst hat, gelte als geschützter Zivilist und dürfe nicht angegriffen werden. Er dürfe auch nicht für vergangene Taten attackiert werden. Wer sich jedoch einer Terrororganisation anschließt und eine Serie von Anschlägen verübt, sei auch in den Pausen nicht geschützt, da er die Zeit zur Vorbereitung neuer Angriffe nutze. Die Richter entdeckten bei diesen Fragen "Grauzonen", wo das internationale Recht keine Klarheit geschaffen habe.
Ehe die Armee ein "gezieltes Töten" vornimmt, müssten gut begründete und überzeugende Informationen beschafft werden, denn unschuldige Zivilisten dürften nicht getroffen werden. Wenn möglich, sollten "weniger schadende Mittel" angewandt werden, da auch der an Feindseligkeiten beteiligte Zivilist nicht vogelfrei und rechtlos sei. "Seine Menschenrechte bleiben bestehen". Es dürfe ihm deshalb nicht mehr Schaden beigefügt werden, als für die Sicherheit notwendig. Verhaftung und Verhör seien vorzuziehen, aber nicht immer möglich, etwa wenn das Leben von Soldaten gefährdet würde. Nach dem Angriff müsse das "Ziel identifiziert" und "unabhängig" untersucht werden, um festzustellen, ob die Attacke gerechtfertigt war. In "passenden Fälle" müsse zu Schaden gekommenen unschuldigen Zivilisten Entschädigung gezahlt werden. Sogenannter Kollateralschaden an unschuldigen Passanten müsse "so gering wie möglich" und "proportional" gehalten werden. Das Militär müsse zwischen "erwartetem Schaden für unschuldige Zivilisten" und dem "militärischen Mehrwert" abwägen. So dürfe auf einen "terroristischen Scharfschützen" geschossen werden, auch wenn dabei umherstehende Zivilisten getroffen werden. "Das entspricht dem Prinzip der Proportionalität". Das gelte aber nicht im Falle einer Bombe auf ein Wohnhaus, in dem es viele Bewohner gebe.
Das Gericht verwarf die Ansicht des Staates Israel, wonach "gezielte Tötungen" nicht justiziabel seien, zumal es hier um Menschenrechte und vor internationalen Gerichtshöfen behandelten Fällen gehe. Der Kampf einer Demokratie gegen Terror müsse im Rahmen der Gesetze geführt werden. Beim Kampf gegen internationalen Terror müsse sich Israel an internationales Recht halten. Dabei müsse die Balance zwischen Sicherheitsbedürfnissen und Menschenrechten bewahrt bleiben. "Nicht jedes Mittel ist legal. Die Ziele rechtfertigen nicht die Mittel."
Kommentatoren erklärten nach der Veröffentlichung des Urteils, dass es nicht um "tickende Bomben" ging, also um Terroristen auf dem Weg zu einem Anschlag. Die zu Töten sei "klassische Selbstverteidigung". Das Urteil habe sich eher um Fälle wie Hamaschef Scheich Ahmed Jassin gedreht. Nicht jedes "gezielte Töten" sei vom internationalen Recht verboten oder genehmigt. "Das Recht für gezieltes Töten ist im gängigen internationalen Recht verankert und die Legalität eines jeden solchen Aktes muss daran gemessen werden."
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
Posted 12/14/06 by:
admin
Comments
Es sind ja schon soviele Juden "gezielt getötet" worden, da darf Israel jetzt auch mal ein paar Menschen "gezielt töten".
Da dies das letzte Urteil eines Oberrichters Aahron Barak ist, hat er sich also Zeit und Muehe damit gemacht.
Es hat besonderen Nach- und Zukunftswert. Seine Abschiedrede sozusagen.
Was sagt ein "Zivilist" in Generationenfolge dazu?
Natuerlich kommt man sich fast wie unter Naturschutz vor.
Die Eingrenzungen und Beschraenkungen sind deutlich gekennzeichnet.
Soldaten fuehlen sich sicher, weil sie Waffen haben, besitzen, benutzen, anwenden.
Auge in Auge mit Zivilisten.
Wie spricht man Rekrutierung?
In welche Einheiten?
Zu welchem Ziel?
Was sind territoriale Maechte?
Wie werden sie unterschieden?
Also wenn ein Staat nur dazu dient, im Kriegsfall maximal 5 Minuten als Hemmschwelle dem Feind gegenueber gestaltet zu werden, wie lebt es sich dann? Sicher sicher.
Die 5 Minuten werden dann noch verkuerzt. Durch den Feind oder die eigenen Leute, Soldaten.
Deshalb sind Zivilisten so begehrt.
Immerhin, sie stellen den einzigen schuetzenswerten Gegenstand dar!
Entweder, sie lassen sich zu Kaempfern umformatieren oder sie werden eingesperrt oder vergessen bzw. verlassen, das waere der letzte unwahrscheinliche Ernstfall.
Der Wert von Menschen in Waffen gemessen?
Arme Welt!
Verwaltung von Todesmoeglichkeiten?
Verwaltung von Lebensmoeglichkeiten?
Zumindest ein "letztes" Abschiedsurteil mit besonderem Wert. God bye!
Wieso sieht das Gesicht so bekannt aus, auch wenn ich es nicht kenne?
Wahrscheinlich eine bekannte Psyche!
Chanukka Sameach! Gesegnetes Fest!
Gottes Licht im Herzen eines jeden Menschen, Gottes Weg in die Zukunft!
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