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Israel und die EU: Fast eine Berührung
Weit entfernt von den internen Kämpfen in der Kadima-Partei und dem Krieg gegen Mofas um das Amt des Ministerpräsidenten, feierte Zippi Livni in Luxemburg einen der größten Erfolge der israelischen Außenpolitik der letzten Jahre. "Es wurde ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Israel und der EU eröffnet", erklärte die Außenministerin bewegt. Diese Erklärung erfolgte, nachdem sich die beiden Seiten auf eine Höherstufung der Beziehungen geeinigt hatten, wodurch Israel einen für ein nicht-europäisches Land hohen und einzigartigen Status erhält...
Von Eldad Beck, Jedioth Achronoth v. 24.06.2008
Israel wird zwar noch immer von diversen Raketen bedroht, und das palästinensische Problem ist noch lange nicht gelöst, die Fußball EM findet erfolgreich ohne uns statt und überhaupt- wir sind ein fester Bestandteil des Nahen Ostens, ob es uns gefällt oder nicht. Dennoch lässt sich nicht ignorieren, dass Israel auf vielen Bereichen auch ein fester Bestandteil Europas ist. Maccabi Tel Aviv hat schon fünf Mal die Euroleague gewonnen, drei Mal haben israelische Künstler Israel zu einem Sieg in der Eurovision geführt, und sogar unser Falafel hat den Kontinent erobert.
Wird Israel also bald ein offizielles Mitglied der EU? Darauf sollte man noch nicht wetten. Der Weg dort hin ist sehr weit, und Israel ist auch nicht wirklich an einer Mitgliedschaft interessiert.
Wie ist die Wende in den Beziehungen zwischen Israel und Europa eigentlich entstanden? Nach vielen Jahren, in welchen Israel der EU sehr misstrauisch gegenüberstand, vor allem wegen ihrer aus israelischer Sicht pro-arabischen Standpunkte, begann man im Außenministerium, das enorme Potenzial zu erkennen, das in einer Förderung der Beziehungen zur EU verborgen liegt. Gleichzeitig machten auch die Europäer einen ähnlichen Prozess durch: In Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten begann man zu begreifen, dass man Israel nicht ausschließlich den Amerikanern überlassen kann, wenn man eine wichtige Rolle im Nahost-Prozess spielen will.
Die Europäer betrachteten auch mit großem Interesse und Neid die wirtschaftliche und technologische Entwicklung Israels, und man gelangte zu der Überzeugung, dass man aus einer Angliederung Israels an die EU großen Nutzen ziehen kann. Eigentlich war es die Technologie, die den Durchbruch für eine Festigung der Beziehungen zwischen den beiden Seiten erzielt hat. Schon in den 90-er Jahren, als Brüssel noch auf jede Erwähnung Israels allergisch reagierte und man es in Jerusalem vorzog, keine europäischen Vertreter zu treffen, wurde Israel in das Forschungs- und Entwicklungsprogramm Europas aufgenommen.
Danach war der Handel an der Reihe. Israel erfreut sich in der EU heute des Status eines Handelspartners wie die USA, Russland und Japan. Nicht einmal Indien und China haben einen solchen Status erreicht. Das Niveau der europäischen Investitionen in Israel ist jedoch noch immer ziemlich niedrig., Aber das „Forum des geschäftlichen Dialogs“, das von Ministerpräsident Olmert und dem Vizepräsidenten der EU-Kommission Günter Verheugen ins Leben gerufen wurde, läuft bereits auf Hochtouren. Vor einer Woche hielten seine Vorsitzenden, Yossi Vardi und Matthias Döpfner, einen großen Kongress in Berlin ab, bei dem Vertreter von 15 israelischen Firmen mit potenziellen europäischen Investoren zusammentrafen.
Israel ist noch nicht in Europa, aber es ist dem Kontinent schon sehr nahe. Im Rahmen eines neuen Vertrags erreichte Israel den Großteil seiner Ziele bei seinen Beziehungen mit der EU: verstärkten politischen Dialog, Koordination strategischer Belange wie Terrorbekämpfung und Waffenkontrolle, stufenweise Angliederung Israels an den europäischen Markt und Liberalisierung des Handels von Dienstleistungen, Zusammenarbeit auf dem Bereich der Justiz und der Bekämpfung organisierten Verbrechens, Vertiefung der Beziehungen auf dem Bereich des Luft- und Meerestransports, Annäherung der Energiesysteme der beiden Seiten sowie gemeinsame Projekte auf dem Bereich der Gesundheit und der Erziehung.
Die EU hat die Höherstufung der Beziehungen zu Israel zwar einstimmig bestätigt, aber in Brüssel und in Jerusalem vermeidet man es, über eine volle Mitgliedschaft Israels in der EU zu sprechen. Europa hat eigene Sorgen, und die EU weiß noch nicht einmal, ob sie die Türkei aufnehmen soll. Israel gehört geographisch nicht zu Europa und befindet sich auf dem Höhepunkt eines politischen, religiösen und ethnischen Konflikts, dessen Ende nicht absehbar ist.
Die gemeinsame Erklärung Israels und der EU nach dem Gipfel der Außenminister in Luxemburg machte ganz deutlich, dass die Höherstufung der Beziehungen keinen Schritt in Richtung eines Beitritts Israels zur EU darstellt. Darüber hinaus stellte die Erklärung auch einen klaren Zusammenhang zwischen einer weiteren Vertiefung der Beziehungen und einer Lösung des palästinensischen Problems her. Auf Druck einiger europäischer Staaten wurde auch die israelische Initiative abgelehnt, regelmäßige Treffen zwischen dem israelischen Ministerpräsident und den Führern der EU abzuhalten.
„Dieses Abkommen ist eine Anerkennung des Werts, den Israel für uns darstellt“, sagte der italienische Außenminister Franco Partini, einer der besten Freunde Israels in Europa. „Wir haben nichts ‚Sichtbares’ erhalten“, fügt eine israelische Stelle hinzu, „aber an dem Abkommen ist sehr viel Fleisch, nicht nur inhaltslose Worte.“
Israel gehört offiziell einem neuen Rahmen der EU an, der „europäischen Nachbarschaftspolitik“. 16 Staaten, von Marokko bis Azerbajan, gehören dieser Kategorie an, die als Grundlage für bevorzugte Beziehungen mit Nachbarstaaten der EU dient, die jedoch nicht als Kandidaten für einen Beitritt zur EU in absehbarer Zeit gelten.
Die Nachbarschaftspolitik lieferte den Seiten den richtigen Rahmen für eine Annäherung. In Brüssel schämte man sich nicht, öffentlich zuzugeben, dass mit Ausnahme einer völligen Mitgliedschaft „im Zusammenhang mit Israel nur der Himmel die Grenze ist“. Jedes Land, das in das Programm aufgenommen wird, wurde aufgefordert, ein Arbeitsprogramm auf verschiedenen und vielseitigen Bereichen aufzustellen, das als Rahmen für die Vertiefung der Partnerschaft dient. Israel nahm dieses Projekt sehr ernst und legte den Europäern ein sehr detailliertes Dokument vor, das eine Vertiefung der Beziehungen auf fast allen nur möglichen Bereichen beinhaltete.
Die Europäer waren von der israelischen Bereitschaft ein wenig erschrocken. Denn auch wenn die heutige europäische Führung- Angela Merkel, Silvio Berlusconi und Nicolas Sarkozy- Israel sehr freundlich gesinnt ist, auf der Straße sieht es sehr viel anders aus. Die öffentliche Meinung in Europa, vor allem im Westen des Kontinents, steht Israel feindlich gegenüber, was vor allem im europäischen Parlament deutlich zum Ausdruck kommt.
Und wie sieht man die Verbesserung der Beziehungen zur EU in Jerusalem? Trotz der großen Genugtuung über den gestärkten Status Israels in Europa, zieht niemand wirklich eine volle Mitgliedschaft in der EU in Betracht. Aus der Sicht Israels würde eine Mitgliedschaft in der EU auch einen Verzicht auf große Teile der nationalen Souveränität bedeuten. Israelis würde es z.B. sehr schwer fallen, auf einen israelischen Pass zu verzichten. Auch das Rückkehrrecht ließe sich nicht mit den Forderungen der EU vereinbaren. Und überhaupt- als EU-Mitglied könnte Israel seinen jüdischen Charakter nicht beibehalten.
Und ganz zu schweigen von den existenziellen Problemen. Solange die fundamentalen Probleme Israels nicht gelöst sind und es noch keine Finalgrenzen gibt, kann Israel es sich nicht erlauben, Entscheidungen über schicksalhafte Angelegenheiten außenstehenden Faktoren zu überlassen.
Auch die IDF könnte unter der Schirmherrschaft der EU nicht frei operieren. Was die Beziehungen zu Europa betrifft, wird es Israel also vorziehen, eine Mitgliedschaft nur fast zu berühren. Beide Seiten werden in der nächsten Zeit die Flexibilität der Nachbarschaftspolitik überprüfen und dann sehen, wie weit Israel sich der EU nähern kann, ohne Mitglied zu werden.
Bei der Jahresversammlung des „europäisch-israelischen Dialogs“, die diese Woche in Berlin stattfand, sagte Verheugen, er sehe viele weitere Möglichkeiten zu einer Vertiefung der Beziehungen, einschließlich der Einführung des Euro in Israel. Im selben Atemzug betonte er, man dürfe keine Hoffnungen darauf setzen, dass eine Mitgliedschaft Israels in der EU eine Zauberformel für die Lösung des israelischpalästinensischen Konflikts wäre, wie viele Kreise in Israel annehmen.
Wir werden also wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren mit Schekel bezahlen, aber wenn wir uns auf die Äußerungen des stellvertretenden tschechischen Ministerpräsidenten Alexander Vondra verlassen wollen, dann wird unsere Liebesgeschichte mit den Europäern noch lange andauern. Vondra, dessen Land in sechs Monaten die EU-Präsidentschaft übernehmen wird, gab bereits bekannt, Prag werde sich energisch für eine Vertiefung der israelischen Beziehungen zur EU einsetzen. „Anstatt Israel Bedingungen zu stellen,“ sagte Vondra, „muss Brüssel einen strategischen Weg finden, um den Friedensprozess stärker durch Zusammenarbeit zu beeinflussen.“
Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv