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Ultraorthodoxe Juden begehen Anti-Weihnachten

Juden feiern kein Weihnachten. Das ist eine fast banale Feststellung. Jesus wird von ihnen nicht als Messias anerkannt und das Christentum ist aus jüdischer Sicht eine Sekte oder fremde Religion, ähnlich wie das Christentum zum Islam oder Mormonen keine theologische Beziehung hat...

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 8. Dezember 2006

Wenn sich Juden in Europa oder Amerika dennoch einen Weihnachtsbaum neben den Hanukka-Leuchter ins Wohnzimmer stellen und von "Weihnukka" reden, so ist das eher ein Zeichen von Emanzipation und der Annahme fremder Sitten, nicht aber eine Glaubensaussage. Es ist allerdings kein Zufall, dass das christliche Lichterfest und das einzige nicht-biblische jüdische Fest, an dem acht Lichter angezündet werden, in die Winterzeit fallen, wenn alle Menschen auf die Sonnenwende warten.

Aahron Dontscho, Touristenführer und Erforscher von Sitten und Gebräuchen im Heiligen Land, erzählt von einem "Weihnachtsfest", wie es in den Hochburgen der jüdischen Orthodoxie begangen wird: "An Heilig Abend vertreiben sich die Talmudschüler die Zeit mit Schach- und Kartenspiel. Sie lesen weltliche Zeitungen, was ihnen sonst verboten ist." Bei den Kabbalisten gebe es sogar ein Verbot, in der Weihnachtsnacht Geschlechtsverkehr zu haben. Dem daraus geborenen Kind drohe, ein Mumar zu werden, ein Konvertit zum Christentum, weil in dieser Nacht die Klipot, parasitenhafte böse Kräfte, besonders intensiv umherschwirren.

Das Anti-Fest wurde in Osteuropa erfunden und heißt "Nital" oder "Nittel". Der Begriff könnte aus dem lateinischen "Natalis" (Geburt) stammen, woraus das französische "Noel" entstand, aus dem jiddischen "Nit" für "Nichts" oder vielleicht gar vom hebräischen Wort "Nitlah" (gehängt), zumal orthodoxe Juden von Jesus als dem "Nitlah", dem Aufgehängten, reden.

Elieser Segal, der das jüdische "Nittel" erforscht hat, bezeichnet den ultraorthodoxen Brauch, an Heilig Abend nicht die Tora zu lernen als "pathologisch, wenn einer auf die eigene spirituelle Erbauung verzichtet, nur um dem Anderen seinen religiösen Glauben zu versagen". Solche Engstirnigkeit sei vielleicht in mittelalterlichen Ghettos nachvollziehbar gewesen, schreibt Segal. Doch diese Sitte auch heute noch weiterzuführen sei weltfremd.

Die so genannten Littauer, die eigentliche Orthodoxie, wandten sich gegen den Brauch. Umso mehr halten ihre Konkurrenten, die Chassiden, diese Nacht für eine finstere metaphysische Voraussicht, die mit größter Wachsamkeit begangen werden müsse.

Die ältesten Erwähnungen dieses jüdischen Anti-Weihnachten stammen von Konvertiten des 17. Jahrhunderts. Die jüdische Volksseele hielt Jesus für einen Anti-Heiligen, der an Heilig Abend aus Abwasserrohren gekrochen komme, um Ketzer zu bestrafen und Kinder zu ängstigen. Um das zu verhindern, müssten fromme Juden wachsam und nicht durch das Studium ihrer Heiligen Schriften abgelenkt sein.

Der Frankfurter Rabbi Nathan Adler (1742-1800) hielt das Lernverbot vielmehr für ein Zeichen der Trauer wegen des vom Christentum über die Juden gebrachten Unheils. Sein Schüler, Hatam Sofer von Pressburg, empfahl, dass die Juden nach Mitternacht wieder das Torastudium aufnehmen sollten, weil "der Himmel" sie sonst mit gläubigen Christen verwechseln könnte.

Die fromme israelische Zeitung Hamodia berichtete über eine weitere Unsitte an diesem "Unfest". Während die Christen feierten, zerriss der größte Admor (Rabbi) Klopapierrollen in einzelne Blätter. So schuf er Vorrat für das ganze Jahr, denn am Sabbat ist es einem frommen Juden, Papier zu zerreißen. Dahinter stecke die kabbalistische Vorstellung, dass das Christentum "vom Körper des Judentums ausgestoßen worden sei". Dank kommerziell für den orthodoxen Markt in Israel produzierten "Einzelblatt-Klopapier" sei diese Sitte heute nicht mehr üblich. Anders Aahron Dontscho. Der habe von dieser noch lebendigen Sitte im Jerusalemer Viertel Mea Schearim gehört: "Sie tun es, um jeden Sabbat daran erinnert zu werden, wann sie die Papiere zerrissen haben."

Das Nital-Fest ist in den Orthodoxenvierteln Jerusalems kein öffentliches Thema. Doch gibt es einen jungen Orthodoxen, der sich durch besondere Neugierde auszeichnet und offen genug ist, selbst über die eigentümlichsten Gebräuche in seinen sonst eher verschlossenen Kreisen zu plaudern. Er bestätigte, dass der Brauch auch heute noch in Mea Schearim lebendig sei. "Wir trinken da Vodka und spucken auf den Boden." Jankale (er bittet darum, seinen echten Namen nicht zu veröffentlichen) besucht auch Ausstellungen, die eigentlich Tabu sein. So erschien er kürzlich bei einer fotografischen Darbietung der Frauen-Mikwe, dem Tauchbad für Frauen, wo die sich nach der zweiwöchigen monatlichen "Pause" reinigen, um wieder für den Mann "bereit" zu sein. Dort ließ er sich in voller Montur, mit schwarzem Kaftan und Seitenlöckchen nur von hinten vor dem Foto einer nackten Braut ablichten.

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© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

Category: Gesellschaft
Posted 12/11/06 by: admin

Comments

wrote:
Liebe Hagalil-Redaktion,
die Weihnachtsgegner können beruhigt sein. Weihnachten ist kein christliches Fest, es ist das ehemalige Geburtsfest des Sonnengottes Mithras, der auf der Reise in einem Getreidespeicher geboren wurde, weil seine Eltern keine Herberge fanden. Nach der Geburt lag er in einem Getreidesieb. Also - alles eine einzige Urheberrechtsverletzung. Heute wäre das strafbar. Es ist das alte Sonnenwendfest, gefeiert am 25.12.. Der Abend des 25. ist der Abend davor, wie im Mittelalter üblich, denn Nachts konnte man keine Zeit messen. Wie auch der Sonnabend der Abend des Sonntags ist. Und der Sonntag der Feiertag des Sonnengottes Mithras.
Gruß
Jürgen Peters
12/11/06 18:49:19

wrote:
Ja das ist doch schon sehr beruhigend Jürgen.

Was mich aber verwundert ist die Annahme das Jesus: [quote]aus Abwasserrohren gekrochen komme, um Ketzer zu bestrafen und Kinder zu ängstigen.[/quote]

gruß
12/11/06 21:05:38

wrote:
Ziemlich viel Unkenntnis der Materie. Nicht bei den orthodoxen Juden, sie verhöhnen ja das christliche Fest absichtlich, sondern bei den Kommentaren.
Gewisse Ähnlichkeiten zwischen der christlichen Weihnachtsgeschichte, hier vor allem der Überlieferung des Lukas, und dem Mythos bezüglich eines indischen Gottes mögen zwar dem einen, oder anderen auffallen. Hieraus aber eine Gleichsetzung zu konstruieren erscheint doch mehr als zweifelhaft. Genauso gut könnte man das Pessach Fest mit dem alten Kult der Kaananäer vergleichen. Wäre auch zulässig. Es geht ja auch wohl mehr um die Frage, was an diesem Feiertag eigentlich gefeiert wird. Nicht so sehr darum, ob an diesem Tag früher mal ein heidnisches Fest, im Germanischen übrigens als Julfest bekannt, gefeiert wurde.
Aber was mich eigentlich am meisten verwundert ist die Tatsache, dass diese (Un) Sitte einen Artikel wert zu sein scheint. Ich werde mein Weihnachten feiern, auch wenn andere die Ansicht vertreten, mein Herr sei aus einer Kloake gekrochen.
12/12/06 17:37:54

wrote:
Herr Sam!
Mit verlaub, lassen Sie doch die interessierten so genannten (Ultra-)Orthdoxen bitte einfach etwas neben ihrer sonstigen Spur gehen und verhalten Sie sich bitte ihres dokumentierenden, berichtenden Spottes!
Danke!
12/14/06 13:17:27

wrote:
Schade, wieviel Energien verschwenden diese oder jene sog. Orthodoxen, um etwas nicht machen zu müssen. Es gibt sie ja im Jüdischen, wie im Christlichen, wie im atheistischen, wie im Islam. Wenn die jüdische Gemeinde Chanukka feiert und uns Christen einlädt, freut es mich. Und wenn wir mit unserem Christfest einladend wirken auch auf sie, freut es mich ebenso. Hauptsache wir können lange miteinander reden und voneinander etwas lernen und vielleicht gemeinsam begreifen, daß nicht wir das Licht sind sondern beleuchtet werden.
12/15/06 15:33:53

wrote:
Genau,
Weihnachten, Chanukka oder Weihnukka sollten wir uns von niemandem vermiesen lassen. Egal, wer´s erfunden hat.
12/15/06 22:24:42

wrote:
Ich wundere mich ueber den Aberglauben und die Abwehr oder den Hass der Juden.
Ist es da verwunderlich, wenn ahnungslose... Menschen einen Schrecken bekommen, obwohl Juden die menschenliebendsten Personen auf dem ganzen Erdkreis sein wollen und allen anderen einen Vorwurf machen, wenn sie nicht so sein koennen, so gut, wie in den heiligen Schriften geschrieben?
Es ist wohl eine Unterstellung,
die Begriffe "das" Judentum oder "das" Christentum zu verwenden.
Mit Mormonen koennte ich diskutieren, auf Grundlage der Heiligen Schriften.
Mit Juden koennte ich diskutieren auf Grundlage der Heiligen Schriften.
Ich werde niemals anderes benutzen.
Sogar mit dem Islam wuerde ich nicht auf Grundlage des Koran diskutieren.
Ich bediene mich nicht fremder Waffen!
Ein Weihnachtsbaum ist ein heidnisches Fest, ueberhaupt kein christliches Fest.
Irgendwelche Lichter in Fenstern oder Zimmern sind auch nicht christlich.
Fuer mich ist Chanukka kein ausserbiblisches Fest!
Es ist ein besserer Bestandteil als es Luther jemals sein koennte... oder der Papst es jemals sein koennte!
Nicht das Feiern von Festen macht vor Gott angenehm, dies bringt lediglich zum Ausdruck: wir haben eine Moeglichkeit, uns Gott zu naehern im Gebet, im Dank, in der Bitte und in der Lebensveraenderung. Dies ist ein Lernprozess.
Es ist Suende, eine panische Angst vor Christen oder Juden aufzubauen.
Natuerlich kann man der Politik oder der Bildung Schuld geben.
Sind Menschen eigentlich bereit fuer neue und gute Erfahrungen?

Shalom!
12/17/06 16:24:16

wrote:
Glücklicherweise finde ich den hier im Artikel zitierten Hass nicht unter "den" Juden sondern nur in der hier zitierten Gruppe, nicht einmal bei den orthodox geprägten, die ich kennenlernen durfte.
12/17/06 17:25:47

wrote:
Nun, der Weihnachtsbaum selber ist wohl kein Fest , sondern wohl eher Bestandteil eines Festes. Genauer gesagt des christlichen Weihnachtsfestes. Der Weihnachts-, oder Christbaum hat seinen Ursprung im mittelalterlichen Grippenspiel dem oft ein Paradiesspiel in den Kirchen voraus ging. In diesem Paradiesspiel stand der Paradiesbaum im Mittelpunkt, welcher geschmückt wurde. Aus dem Paradiesbaum wurde letztlich dann der heutige Weihnachtsbaum. Und mit Mormonen auf der Grundlage der Bibel zu diskutieren dürfte sich auch etwas schwierig gestalten, da diese bekanntlich eigene Überlieferungen zusätzlich noch haben.
Natürlich ist Chanukka kein außerbiblisches Fest. Die römische wie auch die orthodoxe Kirche führen die Makkabäer Bücher immer noch im Kanon. Und seit wann bitte ist eigentlich Luther oder einer der Päpste Bestandteil der Hl. Schrift oder eines christlichen Festes?
12/17/06 19:35:00

wrote:
"Glücklicherweise finde ich den hier im Artikel zitierten Hass nicht unter "den" Juden sondern nur in der hier zitierten Gruppe"

Eben!

Seufz.
12/17/06 23:01:25

wrote:
usedcars
03/27/07 13:27:24

GerdEric wrote:
Wenn man sich mal die Kalender, den jüdischen und den "christlichen" anschaut, so kann man leicht erkennen, dass das Weihnachtsfest durchaus aus dem jüdischen Chanukka entlenht ist, und es dauert(e) genau so lang, acht Tage. Durch den Heiden Kaiser Konstantin wurden die jüdischen und "christlichen" Feiertage getrennt, der Sonntag eingeführt, weil damals schon der weitaus grösste teil der "Christen" Heiden waren, diese keinen Bezug zum Schabbat hatten/entwickeln konnten. Durch Kalenderreformen löste sich Weihnachten zeitlich von Chanukka.
Der achte Tag des Chanukka ist das Neujahrsfest. Noch bei Johann Sebastian Bach gibt es einen Hinweis, als er etwas zum Tag der Beschneidung komponierte "Tag der Beschneidung Jesu (?)".
Siehe auch : http://www.j-zeit.de/archiv...
Auch die Lichter kommen vom Chanukka, nicht aber vom Mitras-Kult.
10/28/11 10:25:46

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