Jump to navigation
Steinmeier in den Krisenherden
Noch hat Deutschland nicht den Vorsitz der EU Ratschaft. So ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sogar freier als EU-Außenminister Xavier Solana, sich auf die halbjährige Präsidentschaft vorzubereiten und problematische Länder wie Syrien zu bereisen. Er kann und will nicht vermitteln, aber er kam mit "klaren Worten" und ernsthaften Bedenken nach Beirut, Gaza, Jerusalem und Damaskus...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 4. Dezember 2006
In der libanesischen Hauptstadt traf er sich in dem von Panzern und tausenden Soldaten umstellten Regierungsgelände mit dem bedrängten Fouad Siniora, während jenseits der Barrikaden Zehntausende Schiiten und ihre Verbündeten in Zelten ausharren. Nach Aussage von Scheich Nasralla und dessen christlichem Verbündeten Michel Aoun wollen die Demonstranten ausharren, bis die prowestliche Regierung Sinioras gestürzt sei. Deshalb erfuhr Steinmeier von dem sunnitischen Premier des Libanon, dass der an der Spitze einer "verfassungsrechtlich legitimen Regierung" stehe und dass die Versuche der pro-syrischen Fraktionen, ihn zu stürzen, einem Putsch gleichkämen.
Doch Steinmeier sprach auch mit dem schiitischen Parlamentsvorsitzenden Nabia Berri (Amal-Partei), nach dessen Ansicht keineswegs ein Regierungssturz beabsichtigt sei, sondern nur eine „Ergänzung“ der Regierung mit mehr schiitischer Repräsentanz, entsprechend der schiitischen Bevölkerungsmehrheit. Ungeachtet der Glaubwürdigkeit Berris musste Steinmeier den Schiiten vorsorglich ernste Bedenken übermitteln. Denn eine Machtübernahme der schiitischen Hisbollah und ihrer Verbündeten im Libanon verträgt sich nicht mit der Mission der deutschen Marine und der UNO-Resolution 1701. Im Rahmen eines Waffenstillstandes mit Israel ist da eine Unterbindung des Waffenschmuggels in den Libanon und eine Entwaffnung aller Milizen vorgesehen.
Der Libanon war auch dringliches Gesprächsthema in Syrien. Denn die ständige Einmischung Syriens in die inneren Angelegenheiten des Libanon ist für Steinmeier nicht akzeptabel. Syrien sollte endlich den Libanon diplomatisch anerkennen. Aus europäischer Sicht begibt sich das weltliche Regime Syriens durch sein Bündnis mit dem fundamentalistischen Iran in eine gefährliche Selbstisolation. Ob es Steinmeier gelingt, die Syrer von ihren eigenen Problemen zu überzeugen und entsprechenden Beschlüssen auch Taten folgen zu lassen? Niemand rechnet mit einem schnellen Wandel der traditionellen Interessenspolitik Syriens, aber Damaskus könnte mit kleinen Schritten ein positives Signal ausgeben, zum Beispiel mit einer Markierung der Grenze zwischen Syrien und Libanon.
Syriens Isolation wurde im August deutlich, als Steinmeier im jordanischen Aman schon im Flugzeug saß, um nach Damaskus zu fliegen. Da hörte er von einer Hetzrede des Präsidenten Assad gegen Israel und die USA sowie einer Lobhymne für die Hisbollah. Steinmeier stornierte augenblicklich den Abflug. In der Zwischenzeit habe Syrien dem Außenamt in Berlin erklärt, dass Assads Hetze doch rein "innenpolitisch" gemeint war und überhaupt nicht repräsentativ für den Kurs Syriens. Diese diplomatischen Ausflüchte reichten offenbar aus, Steinmeiers ausgefallene Reise jetzt nachzuholen, obgleich Syrien kein öffentliches Bekenntnis zur falschen Interpretation der Rede Assads ausgegeben hat. Syrien gilt den Europäern als "Vetomacht für den Frieden". Deshalb besteht der dringliche Wunsch, Syrien einzubinden.
Auch in Gaza am Samstag und in Jerusalem am Sonntag pendelte Steinmeier zwischen Krisenherden, wo ein zartes Pflänzchen der Hoffnung dringend europäischer Stärkung bedürfe. Steinmeier redete mit Präsident Mahmoud Abbas, Saeb Erekat und einem halben Dutzend anderer palästinensischer Persönlichkeiten. Entsprechend erhielt er ein eher verwirrendes Bild vom Stand der seit über neun Monaten andauernden Versuche, eine Einheitsregierung oder eine Technokratenregierung anstelle der international boykottierten Hamas-Regierung auf die Beine zu stellen. Bekanntlich will die Fatah-Partei ihre Wahlniederlage vom Januar nicht akzeptieren, während die Hamas bis heute regierungsunfähig ist mangels Geld für die Gehälter. Die Einschätzungen reichen von endgültigem Scheitern der Gespräche und bis zur Hoffnung auf ein Einlenken der Hamas. Die Europäer wollen den leidenden Palästinensern wieder finanziell helfen, doch die politischen Verhältnisse lassen das nicht zu, solange die Machtverteilung in den Palästinensern offen bleibt.
Die Friedensbotschaft des israelischen Premiers Ehud Olmert ist bei den Palästinensern angekommen und Abbas will ein Treffen mit Olmert mitsamt den üblichen Erleichterungen der Lebensbedingungen für die Palästinenser erhalten: Aufhebung von Sperren, Ausweitung des Waffenstillstands auf das Westjordanland und Freilassung von Gefangenen. Doch auch Steinmeier weiß, dass der Waffenstillstand täglich gebrochen wird und dass Abbas den Israelis nicht die geforderte Sicherheit liefern kann. Denn wie sich herausstellt schießt nicht nur die Hamas Kassamraketen auf Israel, sondern auch die El Aksa Brigaden der von Abbas selber geleiteten Fatahpartei. Wer dort den Waffenstillstand bricht ist kein Geheimnis, da die Organisationen sich selber damit brüsten und die Verantwortung übernehmen.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
Posted 12/04/06 by:
admin
Comments
Was ist das? Ein Lob auf Steinmeiers Diplomatiebemuehungen? Reisebeschreibungen? Was kann Politik, was kann sie nicht?
Add Comments