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Der Populismus bleibt in Israel
Die Kritik an der Reise des Ministerpräsidenten nach Deutschland ist natürlich billiger Populismus.
Wenn es wichtig ist, dass Olmert mit der Kanzlerin zusammentrifft- und keiner der Kritiker weiß, ob dies der Fall ist oder nicht- dann muss die Reise stattfinden, auch wenn zwei Kinder von einer Rakete verletzt werden. Sollte der Besuch unwichtig sein, dann muss er abgesagt werden, unabhängig von den Angriffen. Aber es ist noch interessanter, den Ursprung dieses Populismus zu untersuchen: Warum ist jemand der Meinung- vielleicht zurecht- dass dies der beste Weg ist, den unpopulären Ministerpräsidenten anzuschwärzen?...
Kommentar von Ofer Shelach, Maariv v. 12.02.2008
Nach 60 Jahren Unabhängigkeit, und einigen Jahrzehnten nach der Revolution in der Luftfahrtbranche, die Auslandsreisen fast für jeden erschwinglich machten, wird eine solche Reise noch immer als ein Bonus betrachtet, der an Korruption grenzt. Dabei spielt es auch gar keine Rolle, dass der Ministerpräsident die Tage in Berlin mit Arbeitstreffen und recht ermüdenden Zeremonien verbringt, und die strengen und offiziellen Sicherheitsvorkehrungen es fast unmöglich machen, dass Olmert seine Zeit in Berlin, einer der faszinierendsten Städte der Welt, genießen kann.
Im Zeitalter der Pauschalreisen und des fast offenen Himmels wird es noch immer als eine Art Strafe betrachtet, hier im Land zu bleiben, als eine zionistische Pflicht. Ein kleiner Abstecher ins mythologische „Ausland“ ist etwas, das es zu verurteilen gilt, und der Ministerpräsident, den wir ja immerhin gewählt haben, damit er für uns leidet, ist ein Verräter, wenn er zu einem kurzen Arbeitsbesuch ins Ausland fährt.
Der zweite Grund für den Populismus ist die Welle, die zur Zeit in der öffentlichen Diskussion überaus modern ist: Der Hass auf Tel Aviv, auf das normale Landesinnere, wo Sushi gegessen, Wein getrunken und ins Ausland gefahren wird, während die Peripherie leidet. Diese Hasswelle überschwemmt alle: Geographen geben Broschüren heraus, die sich „Staat Tel Aviv- eine Gefahr für Israel“ nennen; Siedler, Bewohner von Entwicklungsstädten, hohe IDF-Offiziere- sie alle zeigen tadelnd auf die Menschen im Zentrum des Landes, die ein Piercing in der Nase haben und über die Eröffnung eines neuen Pubs reden, während Raketen im Norden und Kassams im Süden fallen. Nicht einmal die Zeit der Selbstmordanschläge, die vor allem im Zentrum des Landes Hunderte Opfer forderte, kann diesen Hass dämpfen.
Was hat das mit der Reise des Ministerpräsidenten zu tun? Sehr viel. Auch sie gilt als Beweis für
„ihre“ Gefühllosigkeit für „unsere“ Realität. Die letzten israelischen Ministerpräsidenten (mit
Ausnahme von Ariel Sharon, der zwar der korrupteste von allen war, den seine militärische Vergangenheit jedoch geläutert hat) galten als vergnügungssüchtig, immer von Freunden umgeben, denen es nur „wichtig war, in Ramat Ha Sharon Kaffee zu trinken“, wie man es immer von Dov Weissglas behauptete, und die deshalb kein offenes Ohr für das Volk außerhalb von Tel Aviv hatten. Olmert, der natürlich genauso eingestuft wird wie seine Vorgänger, wird mit genauso viel Begeisterung verabscheut, und deshalb können seine Kritiker ihm seine Auslandsreisen vorwerfen.
Und es gibt auch noch das vielleicht gar nicht so verkehrte Gefühl, dass man Olmert einfach alles vorwerden kann, da ihm jedes Maß an Führungsqualitäten fehlt. Wer in seiner Rede nach der Veröffentlichung des Winograd-Berichts so wenig Sensibilität für die Gefühle der Öffentlichkeit an den Tag legte, wer sich bis heute weigert, einen ganz spezifischen Fehler einzugestehen oder sein Verhalten und seine Äußerungen auch nur geringfügig zu ändern, dem kann man auch leicht Minuspunkte für Auslandsreisen aufdrücken. Es geht dabei nicht um den Vorwurf an sich, denn sogar diejenigen, die ihn äußern, nehmen ihn nicht ganz ernst. Es geht eher um das Gefühl, dass es Ministerpräsidenten, und diesem ganz besonders, völlig egal ist, was wir denken. Und deshalb kann man ihn auch mit Dreck von minderwertiger Qualität bewerfen, wie z.B. einem Deutschlandbesuch, und er bleibt trotzdem kleben.
Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv