Unsere Radtour von Deutschland nach Israel hat uns an das Ziel unserer Reise geführt, nach Kiryat Gat, im Südwesten des Heiligen Landes. David Leuzinger, mein Reisepartner, ist bereits gut Zuhause in der Schweiz angekommen und wartet jetzt auf den Studienbeginn. Hier schildere ich nun die Eindrücke von dem letzten Stück unserer Reise über Syrien nach Israel, welches zugleich der schönste Abschnitt unserer Tour ist...
Benjamin aus Kiryat Gat, Israel
Die abenteuerliche Einreise nach Syrien gab uns bereits einen Vorgeschmack auf das erste wirklich arabische Land unserer Tour. 14 Stunden warteten wir auf das Visum, das unser dritter zeitweiliger Mitfahrer Marco an der Grenze beantragen musste. Seit der Türkei war uns Marco ein guter Begleiter. Von seinen Erfahrungen konnten wir viel lernen.
In einem kleinen Hinterzimmer warteten wir gemeinsam mit einer Südkoreanerin auf die Einreiseerlaubnis, ohne Pässe und ohne irgendeine Aussicht auf ein baldiges Ende des bangen Wartens. Nachdem wir uns quasi selbst eingeladen und mit den Polizisten gemeinsam gegessen hatten, dösten wir noch einige Stunden auf unseren Pritschen in dem kärglich eingerichteten Raum, vor uns an der Wand ein Gewehrschrank und an der Seite ein paar Spindfächer für die Beamten.
Nachdem wir dann letzten Endes müde aber glücklich um 23.00 Uhr die syrische Grenze hinter uns gelassen hatten, fuhren wir gleich weiter, um die 60 Kilometer nach Aleppo noch nachts hinter uns zu bringen. Unterwegs stießen wir noch auf ein paar wilde Hunde, die hier allerdings zahlenmäßig nicht so stark vertreten sind wie in der Türkei.
Als wir gegen 2.00 Uhr eine Ortschaft passieren, hören wir laute Musik. Gleich darauf befinden wir uns inmitten einer syrischen Hochzeit. 500 Männer sind anwesend, die Frauen feiern getrennt. Herzlich werden wir eingeladen, bekommen Getränke und Essen angeboten und erleben die Atmosphäre einer arabischen Hochzeit mit viel Tanz und Musik, Kaffee und Wasserpfeife. Alkohol ist tabu, dennoch ist die Stimmung ausgelassen und fröhlich. Wir sind fasziniert von diesem Part arabischer Kultur und bleiben eine ganze Weile, um die Atmosphäre zu genießen. Morgens fahren wir dann weiter nach Aleppo, wo wir etwa eine Woche lang bleiben. Diese Stadt ist so anders, das Leben spielt sich rund um die Uhr ab und neben modernen Luxusbauten stehen ärmliche Hütten. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist sehr groß.
Der Basar von Aleppo gilt als einer der größten der Welt. Hier wird noch richtig gefeilscht, und die Luft ist geschwängert von unzähligen Gerüchen, überall begegnet man verschleierten Frauen, Wasserpfeife rauchenden Männern und schreienden Händlern. Nachdem wir die Zitadelle und einige der sehenswertesten Stadtviertel besucht haben, fahren wir weiter nach Damaskus.
Die Hauptstadt Syriens ist, verglichen mit dem konservativen Aleppo, eine westliche Stadt. Hier begegnen uns viele unverschleierte Frauen, Hotels und Lokale bieten allen westlichen Komfort, den man sich wünschen kann. Wir ziehen dem allerdings ein billiges "rooftop", eine Dachterrasse, vor. Dort begegnen wir weiteren Reisenden, die durchweg von unserer Aktion begeistert sind. In Damaskus gibt es viel zu sehen, aber uns hat die Stadt nicht so gut gefallen wie Aleppo. Nach zwei Tagen fuhr ich mit David weiter, während Marco noch auf Freunde warten wollte. Der Abschied war kurz, aber sehr herzlich. Immerhin sind wir fast einen Monat zusammen gefahren, es war eine schöne Zeit die wir gemeinsam verbracht hatten.
In der Kühle des Morgens fuhren David und ich der Grenze nach Jordanien entgegen. Je weiter wir nach Süden fuhren, umso seltener wurden wir gegrüßt, die meisten der Leute wussten oder erahnten das Ziel unserer Reise. Wir hatten während der Zeit in Syrien immer wieder versucht, Fragen nach Israel möglichst auszuweichen, die Gefahr auf eigene Kosten zurückgeflogen zu werden war einfach zu groß. Daher kamen wir mit gemischten Gefühlen an der Grenze an. Zum einen waren wir froh, bald Syrien verlassen zu können. Zum anderen wussten wir nicht, was passieren würde. Den ersten Posten passierten wir sehr schnell, nach einer kurzen Befragung und einem Stempel verlassen wir Syrien und radeln durch das breiteste Niemandsland, das ich jemals gesehen habe.
Schon von weitem sehen wir die jordanischen Flaggen im leichten Gegenwind wehen, als wir nach etwa zwei bis drei Kilometern endlich das syrische Staatsgebiet hinter uns lassen. Wie eine Drohung wirken die syrischen MG - Posten seitlich der Straße, die das eigentliche Niemandsland besetzen. Die jordanischen Grenzbeamten, junge freundliche Beamte, lassen uns schnell passieren und winken uns an der Schlange der wartenden Autos vorbei. Innerhalb weniger Minuten haben wir einen Stempel im Pass und dürfen einreisen. Als wir von dem ersten jordanischen Hügel zurückschauen, sehen wir die syrischen Hügelketten am Horizont. Einerseits war Syrien ein faszinierendes Land, die Gastfreundschaft war sogar noch größer als in der Türkei. Solange man mit den Leuten nicht über Amerika oder Israel gesprochen hat, waren sie sehr offen und hilfsbereit. Auch die Landschaft war einmalig.
Was uns allerdings sehr befremdet hat, waren die allgegenwärtigen Porträts des Präsidenten. Jeder Laden, jeder Marktstand und fast alle Gebäude sind mit zum Teil riesigen Fotos und Gemälden Assads versehen. Wenn wir die Menschen darauf angesprochen haben, wechselten sie entweder das Thema oder die Straßenseite. Wir mussten auch sehr aufpassen, dass wir nicht gegen die strengen Vorschriften bezüglich des Fotografierens verstießen. Sowohl Brücken, als auch Polizisten, Soldaten, Beamte und sämtliche beflaggte Gebäude darf man nicht fotografieren.
Jordanien durchquerten wir im Eiltempo, Israel war nicht mehr weit und weil es im Norden Jordaniens kaum etwas Sehenswertes gibt, wollten wir so schnell wie möglich nach Israel kommen. Als wir uns dem Jordan-Tal näherten, stieg das Thermometer noch weiter an. Jetzt überschritt es erneut die 47-Grad-Marke. Von Brücken haben die freundlichen Jordanier noch nichts gehört, deshalb ging bergauf und bergab, bergauf und wieder bergab. Die erlösende Abfahrt in das Jordan-Tal bringt uns auf fast 200 Meter unter den Meeresspiegel. Nach einer laschen Kontrolle seitens der Jordanier werden wir mit dem Shuttle über die Sheik-Hussein-Brücke nach Israel gefahren. Die 20 Meter breite Brücke zwischen Israel und Jordanien darf man nur im Bus überqueren. Auf israelischer Seite erwarten uns zunächst drei junge Soldatinnen, die den Bus nach Sprengstoff absuchen. Um diesen Grenzübergang ranken sich zahlreiche Mythen unter Fernradlern. Wir mussten jedoch weder durch eine Leibesvisite, noch wurden die Räder auseinander genommen oder sonst etwas. Wir mussten lediglich die Vorderräder abbauen, damit unsere Zweiräder durchleuchtet werden konnten. Das Gepäck wurde ebenfalls durch ein Röntgengerät gejagt, anschließend kam eine Befragung, und nach drei Stunden durften wir einreisen. Dafür, dass wir aus Syrien kamen und keinen festen Aufenthaltsort angegeben haben, ging es recht schnell.
Auch an diesem Tag sind wir nachts gleich weiter gefahren. An dem Tag, kurz vor Ende unserer Reise, wollen wir noch einen Rekord aufstellen. Nach 203,96 Kilometern sind wir dann völlig erschöpft zusammengebrochen und haben irgendwo in der Nähe des Jordan in einem Feld geschlafen.
Am See Genezareth habe ich Bekannte. Dort blieben wir einen Tag lang und radelten anschließend weiter in Richtung Haifa, wohin uns eine Reiseleiterin eingeladen hatte. Sie besorgte uns dann auch noch eine Übernachtungsmöglichkeit in Tel Aviv, von wo aus wir uns dann noch die 80 Kilometer nach Jerusalem hinaufkämpften. Viele Leute hatten uns vor der israelischen Fahrweise gewarnt, aber wir hatten absolut keine Probleme. Im Gegenteil, die Randstreifen waren fast immer sehr gut, die Strassen sind besser als bei mir Zuhause in Sachsen, und die Fahrer waren sehr rücksichtsvoll mit uns.
In Jerusalem nahm uns Antje, die Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit von Neve Hanna, in Empfang und führte uns durch Jerusalem. Sie vermittelte uns einen Eindruck von der Stadt, in der sie seit 20 Jahren lebt.
Nach einer schönen aber viel zu kurzen Zeit geht es weiter nach Kiryat Gat, dem Ziel unserer Reise. Nach einer wunderschönen Fahrt durch grüne Wälder, die mich stark an meine Heimat erinnerten, standen wir nach kurzer Suche vor den Toren des Kinderheimes, wo wir dann gleich herzlich von den bereits angekommenen Freiwilligen begrüßt wurden. Der Heimleiter Dudu Weger nahm uns ebenfalls in Empfang. Er war überglücklich und wohl auch erleichtert, dass wir gut angekommen waren.
Wir waren am Ziel, eine wunderschöne und erlebnisreiche Zeit liegt hinter uns, und es war irgendwie auch schade, dass alles so abrupt endete. Allerdings freue ich mich jetzt auf die Zeit, die hier in Israel noch vor mir liegt. Die Kinder haben alle auf den "Verrückten" gewartet, der mit dem "Fahrrad aus Deutschland kommen will" ...
Ein Resümee der Tour zu ziehen fällt mir schwer, weil wir unterwegs so viele Eindrücke hatten und so viel erlebt haben, dass ich wohl noch einige Zeit brauche, um das alles zu verarbeiten und richtig anzukommen. Es war definitiv eine fantastische Zeit. Ich würde es sofort wieder machen. Natürlich gab es auch weniger schöne Abschnitte, aber das gehört einfach dazu und ist normal. Ich bin persönlich sehr glücklich, es geschafft zu haben, gerade auch weil viele Zuhause meinten, es würde niemals klappen.
Als wir in Kiryat Gat das erste Mal ins Internet kommen, gibt es neben den zahlreichen Mails von Zuhause einen weiteren Grund zur Freude: Das Spendenmeter ist auf 112 Prozent angestiegen, wir haben bereits weit über die angepeilten 6.000 Euro Spenden gesammelt! Daher haben wir zusammen mit „Neve Hanna“ beschlossen, noch bis zum 30. September weiter zu sammeln, damit jeder der schon immer spenden wollte, dies jetzt noch tun kann. Wir bitten daher nochmals alle Freunde und Bekannte, uns eine Spende für Neve Hanna zu überweisen.
Von Deutschland nach Israel mit dem Fahrrad:
Zu Gunsten von bedürftigen Kindern des Kinderheimes "Neve Hanna"
Benjamin ließ sich vor dem Antritt seines Zivildienstes im israelischen Kinderheim "Neve Hanna" in Kiryat Gat etwas Besonderes einfallen: Zusammen mit einem Freund radelte er von Deutschland nach Israel. Doch die beiden jungen Männer unternahmen nicht einfach nur so eine abenteuerliche Reise, sondern sammelten für jeden Kilometer, den jeder zurücklegte, Geld zu Gunsten Kinder von "Neve Hanna"...