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Judentum und Israel
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Seminar

Verfassungsverständnis und
Verfassungsgerichtbarkeit im
internationalen Vergleich

Israel

Leitung: Prof. Dr. Gerhard Robbers,
Universität Trier, WS 1996/97

Yoram Moyal

III. Schutz der Menschenrechte

1. Entwicklung

2. Einschränkung der Grundrechte

3. Einzelne Grundrechte

a) Meinungsfreiheit
b) Gleichheit

III. Schutz der Menschenrechte

Aufgrund der Tatsache, daß das israelische Recht bis zur Verabschiedung der Grundgesetze über die Berufsfreiheit und über die Würde und Freiheit des Menschen keinen verfassungsrechtlichen Text kannte, der die Grundrechte garantierte, wurde der Schutz der Menschenrechte durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelt. Beträchtliche Bedeutung erlangt hierbei die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit als fundamentales Prinzip sowohl im formellen als auch im materiellen Sinne.

1. Entwicklung

So stellte er in seinen früheren Entscheidungen fest, daß das Legalitätsprinzip, das Demokratieprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Gültigkeit im Rechtswesen des Staates Israel haben. Mit der Grundsatzentscheidung in der Sache Kol Ha’am wurde festgehalten, daß der Staat Israel, da er sich als demokratischer Staat begreife, auch die hiermit eng verbundenen Grundrechte anerkennen müsse. Welche Grundrechte mit einer Demokratie eng verknüpft sind, ist von Staat zu Staat verschieden. Daher ließ sich der Oberste Gerichtshof von anderen liberal demokratischen Regierungsformen inspirieren und nahm Bezug auf internationale Dokument, die den Schutz der Menschenrechte garantieren, darunter die französische Déclaration des Droits de l’Homme, die Verfassung der Vereinigten Staaten oder die universelle Erklärung der Menschenrechte von 1948.

Kretzmer, D.Kretzmer, D., Forty Years of Public Law, S. 342; Sarid v. Chairman of the Knesset, 36(2) P.D. 197 (1982)

Barzilai v. Government of Israel Barzilai v. Government of Israel (1986) 40(iii) P.D. 505; 6 S.J. 1

Kahane v. Chairman of the Knesset Kahane v. Chairman of the Knesset (1987) 39(iv) P.D. 85

Mi’ari v. Chairman of the Knesset Mi’ari v. Chairman of the Knesset (1987) 41(iv) P.D. 169

Yeshiven Yeshiven sind religiöse Schulen in denen die jüdischen Schriften und Kommentare gelehrt weden (Thora, Talmud und Mischna...)

Ressler v. Minister of Defence Ressler v. Minister of Defence (1988) 42(ii) P.D. 441

Bejerano v. Minister of Police Bejerano v. Minister of Police (1949), 2 PD 80

Kol Ha’am v. Minister of Interior Kol Ha’am v. Minister of Interior (1953) 7 P.D. 871 (884);1 SJ 90 S. 105

Israel Film Studios Ltd. V. Geri Israel Film Studios Ltd. V. Geri (1962), 16 P.D. 2407; SJ 1961-1962, 208

Kretzmer, D., Les Droits de l’Homme en Israël, S. 37ff, Les Droits de l’Homme en Israël, S. 37ff

Dies wirft die Frage nach dem Einfluß des internationalen Rechts im Verfassungsrecht Israels auf. Der israelische Staat hat die Mehrzahl der internationalen Dokumente, die den Schutz der Grundrechte garantieren, unterzeichnet, so unter anderem zum Schutz der Zivilbevölkerung im Kriegsfall, zum Schutz der Rechte der Kinder und eine zur Garantie der politischen Freiheiten und der Bürgerrechte. Allerdings binden diese Vereinbarungen den Staat nur auf internationaler Ebene. Der Oberste Gerichtshof folgt hierin dem britischen Vorbild, wonach internationales Gewohnheitsrecht vor den nationalen Gerichten anwendbar ist, Grundsätze aus Verträgen jedoch nur, wenn diese vom Parlament ratifiziert wurden. So stellen die unterzeichneten internationalen Verträge zum Schutz der Menschenrechte keine Grundlage für eine Klage vor den nationalen Gerichten dar.

Bis zu der Verabschiedung der Grundgesetze über die Berufsfreiheit und über die Würde und Freiheit des Menschen hat der Oberste Gerichtshof einen umfassenden Grundrechtskatalog entwickelt, deren Grundsätze jetzt teilweise auf das Fundament eines Verfassungstexts gestellt wurden. So beinhalten die Grundgesetze über die Bürgerrechte die Prinzipien der Berufs-, Beschäftigungs- und Handelsfreiheit, des Rechts auf Leben, der körperlichen Unversehrtheit, des Rechts auf Würde, Freiheit und Eigentum, auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf die Privatsphäre und das Recht, das Land zu verlassen oder zu betreten. Die Einbeziehung des Gleichheitsgrundsatzes und der Meinungsfreiheit in diesen Katalog scheiterten am Widerstand der religiösen Parteien, die darin eine Beschneidung ihres Einflusses sahen.

Die vom Obersten Gerichtshof entwickelten Grundrechte stellen Rechtsprinzipien dar, die für die Verwaltung und alle Staatsgewalt verbindlich sind. Die Verwaltungsbehörden dürfen sie nicht ohne spezielle gesetzliche Ermächtigung einschränken und die Staatsgewalt, einschließlich der Gerichte selbst, ist verpflichtet, sich in der Ausübung ihres Ermessens an den Grundrechte zu orientieren. So sind selbst Gesetze, die die Grundrechte nicht ausdrücklich einschränken, konform mit der durch den Gerichtshof entwickelten Rechtsprechung auszulegen.

Allerdings können Rechtsprinzipien, die nicht in den Grundgesetzen anerkannt wurden, ohne weiteres durch eine einfache gezielte Gesetzgebung aufgehoben oder eingeschränkt werden. Obwohl damit die Versuchung für die Gesetzgeber groß ist, limitierend in die Menschenrechte einzugreifen, muß ihm zugestanden werden, daß er überwiegend dieser Versuchung widerstanden hat.

Quatrième Convention de Genève concernant la Protection des Civils en cas de guerre (1985)

Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte der Kinder (1989)

Convention Internationale sur les Droits Civiques et Politiques (1966)

Kretzmer, D.Kretzmer, D., Constitutional Law, , S. 52

Shapira, A., The Genesis and Impact of Rights Protection under Israel’s Basic Law’s, S. 14, The Genesis and Impact of Rights Protection under Israel’s Basic Law’s, S. 14

2. Einschränkung der Grundrechte

Die Grundgesetze über die Bürgerrechte bestimmen, daß die dort beschriebenen Rechte nicht eingeschränkt werden dürfen, es sein denn mit Verordnungen, die einen angesehenen Zweck verfolgen, den Charakter des Staates Israel (jüdisch und demokratisch) unterstützen und die nicht unverhältnismäßig einschränken.

In seiner Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof Einschränkungen der Grundrechte zugelassen, wenn die Anordnungen die Sicherheit des Staates betreffen oder zum Schutz der öffentliche Ordnung verfügt wurden. Die Bestimmungen müssen weiterhin den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen. In der Regel hat der Gerichtshof die einzelnen Grundrechte nur selten eingeschränkt und seine liberal protektive Rechtsprechung beibehalten.

Größere Einschränkungen werden vom Gericht nur dann zugelassen, wenn die Sicherheit des Staates auf dem Spiel steht.

So wurde kürzlich entschieden, daß auf einen Häftling, der Umstände eines zukünftigen Terroranschlages kennt, moderater Druck einschließlich körperlichem Druck ausgeübt werden kann, um diese Informationen zu erhalten. In der Entscheidung mußte der Gerichtshof abwägen zwischen den anerkannten Rechten des Befragten auf körperliche Unversehrtheit und den Rechten der israelischen Bürger auf Sicherheit vor tödlichen Terroranschlägen.

Andererseits wurden jedoch Verordnungen der Militärregierung zur Sprengung von Häusern von Terroristen aufgehoben sowie das Recht eines jeden im Jahre 1992 in das Niemandsland zwischen Libanon und Israel, ausgewiesenen Hamas-Aktivisten auf Überprüfung seiner individuellen Sachlage anerkannt und somit zumindest bewirkt, daß bei einigen der Ausgewiesenen die Unrechtmäßigkeit der Ausweisung festgestellt wurde.

Dasselbe Prinzip gilt für die von der Exekutive erlassenen Notstandsverordnungen, der Oberste Gerichtshof ist zwar befugt diese gerichtlich zu überprüfen, doch hält er sich hier mit Rücksicht auf die gegebene Notstandssituation und in der Regel zurück.

Akzin, B.Akzin, B., Menschenrechte in Israel, S. 22

Kretzmer, D., Les Droits de l’Homme en Israël, S. 48ff, Les Droits de l’Homme en Israël, S. 48ff

gopher://israel-info.gov.il:70/00/constit/leg/961200.leg

Dreyfus, F., La Cour Suprême: L’Audace du Juge, S. 65f, La Cour Suprême: L’Audace du Juge, S. 65f

Kretzmer, D.Kretzmer, D., Constitutional Law, , S. 53

3. Einzelne Grundrechte

Im folgenden werden einzelne Grundrechte, insbesondere ihre praktische Anwendung, beschrieben, die für das israelische Demokratie- und Verfassungsverständnis besonders bedeutsam erscheinen.

a) Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit, insbesondere ihre Verbreitung und Darstellung, ist Gegenstand vielfältiger, heute noch nicht aufgehobener Gesetze der Mandatszeit. So ist die Exekutive ermächtigt, die Veröffentlichung von Material zu verbieten, das geeignet ist, der militärischen Sicherheit, dem öffentlichen Frieden oder der öffentlichen Ordnung Abbruch zu tun.

Der Oberste Gerichtshof legte diese Kompetenzen im Geiste eines demokratischen Staates aus und bestimmte, daß die Meinungsfreiheit zu den elementaren Grundrechten gehört, daß die Öffentlichkeit unter anderem ein Recht auf Information und ein Recht zu demonstrieren habe. Zensur wird allenfalls zugelassen, wenn die Ausübung der Freiheit, sowie die Veröffentlichung bestimmter Informationen mit hoher Wahrscheinlichkeit die öffentliche Sicherheit gefährden würden. So gibt es ein Übereinkommen zwischen der Vereinigung der Publizisten und der Regierung bezüglich der Zensur aus Sicherheitsgründen, die bestimmt, daß die Informationen, die die Sicherheit des Staates betreffen bzw. seine Verteidigungsfähigkeit beeinträchtigen würden, nicht veröffentlicht werden. Diese Übereinkunft bezieht sich nur auf konkrete Information, Meinungen oder Kommentare sind hiervon dagegen nicht betroffen.

b) Gleichheit

Vielfältige Gesetzgebung und die Rechtsprechung der Gerichte garantieren formell die vollkommene rechtliche Gleichheit aller ihrer Bürger unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Religion oder ihrem Geschlecht.

Eine Unterscheidung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit ist nur im Einwanderungsgesetz zu erkennen, das nur Angehörigen des jüdischen Volkes Recht auf Einwanderung gewährt. Für die Einbürgerung nichtjüdischer Bewohner Israels genügt allerdings schon ein fünfjähriger Aufenthalt im Land oder die Ansässigkeit in Palästina vor der Staatsgründung.

Allerdings sind im praktischen Bereich subtile Diskriminierung aufgrund der ethnischen, nicht-jüdischen Zugehörigkeit auszumachen.

Defence (Emerency) Regulations Defence (Emerency) Regulations vom Jahre 1945

Beginnend mit Kol Ha’am v. Minister of Interior (1953) 7 P.D. 871 (884);1 SJ 90 S. 105

Kretzmer, D., Les Droits de l’Homme en Israël, S. 49ff m.w.N., Les Droits de l’Homme en Israël, S. 49ff m.w.N.

Zum einem gilt in der Praxis, daß zum Militärdienst, keine arabischen Israelis eingezogen werden. Das Gesetz über den Verteidigungsdienst sieht zwar keine derartige Unterscheidung vor, doch ist es den militärischen Verantwortlichen überlassen worden, den Bereich der Einberufung zu regeln. Dies hat erstaunlicherweise weitreichende Konsequenzen in der Sozialfürsorge der Betroffenen. So knüpfen eine Vielzahl von Gesetzen die Auszahlung von sozialer Unterstützung (beispielsweise die Auszahlung von Familiengeld für Familien mit Kindern) an den Status des Soldaten. Soldat ist hierbei jede Person, die in den Streitkräften des Staates dient oder gedient hat. Für die Verknüpfung der sozialen Unterstützung an den Militärdienst sind keine vernünftigen Gründe ersichtlich. Es handelt sich hier offensichtlich um eine Diskriminierung der ca. 700.000 Mitglieder zählenden arabischen Bevölkerungsgruppe. Daß hiervon auch Mitglieder der religiösen jüdischen Gruppen betroffen sind, deren Teilnahme am Militärdienst freigestellt wurde, überzeugt nicht, da die Anzahl der Nichtsoldaten in dieser Gruppe um einiges geringer ist. Diese Handhabung wurde während der Regierungszeit der Arbeiterpartei zwischen 1992 und 1996 graduell abgebaut, besteht aber in ihren Grundzügen bis heute.

Ähnliches gilt auch für die Unterstützung der halbstaatlichen, vom Ausland finanzierten, Jewish Agency im landwirtschaftlichen Bereich, deren finanzielle Unterstützung nur an jüdische Landwirte ausgezahlt wird.

Zur Einstiegsseite: Verfassungsrecht in Israel

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Literatur

 


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