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Judentum und Israel
   
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Der Tod des Jitzhak Rabin
Der Weg zum 4.11.1995

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Kapitel 5:  American Connection

Teil 6
Aufruf zur Gewalt durch ein angesehenes Mitglieder des rabbinischen Establishments:
Der Fall Hecht

Im Juli 1995 waren die Angriffe auf Rabin so heftig und allgemein geworden, daß dem Premier eine grimmige Bemerkung über «eine kleine Gruppe Rabbiner in Amerika» entfuhr, «die man besser als Ayatollahs bezeichnen sollte».

Anlaß dieser spitzen Bemerkung war ein Vorgang, der gewiß als Krönung der Hetzkampagne gegen Rabin in die Geschichte eingehen wird: der Aufruf zur Gewalt durch eines der angesehensten Mitglieder des rabbinischen Establishments, Rabbiner Abraham Hecht.

Mit seinen dreiundsiebzig Jahren war Rabbiner Hecht ein Mann von großem Einfluß. Der New Yorker Kardinal O'Connor hatte ihm eine Audienz beim Papst verschafft. Bürgermeister Giuliani hatte ihn bei seiner Amtseinführung im Dezember 1993 auf die Ehrentribüne gebeten. Als er im Dezember 1994 New York besuchte, hatte auch Rabin Hecht Zeit und besondere Aufmerksamkeit gewidmet und ihn über die Fortschritte des Osloer Prozesses unterrichtet, was der Rabbiner mit stoischer Ruhe aufnahm. Hecht galt zwar nicht als Halacha-Autorität, doch als Leiter der 54o-köpfigen Rabbinical Alliance of America war er als Mann mit exzellenten Beziehungen geschätzt, der die Karriere junger Kollegen voranbringen konnte. Schon früh in seiner Laufbahn hatte er sich politischen Tätigkeiten gewidmet, und während es mit ihm steil bergauf ging, unterstützte er Rabbiner Kahane und schloß sich Dov Hikinds United Jewish Coalition an. Auch war er eine Säule des Konservatismus in Fragen, die über die Grenzen der Halacha hinausgingen.

Rabbi Abraham Hecht

Als er sich 1989 für Giuliani einsetzte, verkündete er, sein Kandidat werde in einer von Übeln wie vorehelichem Sex, Abtreibungen und homosexuellen Verbrechen korrumpierten Stadt endlich aufräumen, und er unterstützte (wie der örtliche Ku-Klux-Klan) die milde Bestrafung eines Mörders durch einen texanischen Richter, weil dessen Opfer nach dem Wort des Richters «Schwuchteln» waren.

Über ein halbes Jahrhundert lang war Rabbiner Hecht mit der Shaare-Zion-Synagoge am Ocean Parkway in Brooklyn verbunden gewesen, mit einer Gemeinde aus überwiegend reichen, syrischstämmigen Juden. Vielleicht haben sie nicht bemerkt oder waren nicht besorgt darüber, daß ihr geistlicher Führer die Heiligkeit von Groß-Israel vor allen anderen Werten verkündete. Nach dem 19. Juni 1995 jedoch war es schwieriger, gleichmütig zu bleiben. Denn an jenem Tag sprach Hecht vor einer Versammlung der International Rabbinical Coalition for Israel - einer Organisation von 3000 orthodoxen Rabbinern zur Rettung der besetzten Gebiete vor dem Friedensprozeß - und machte dabei eine erschreckende Bemerkung: Die Aufgabe irgendeines Teils des biblischen Lands Israel sei eine Verletzung des jüdischen Religionsgesetzes, erklärte er seinen Zuhörern, und so sei es erlaubt und notwendig, Rabin und alle seine Helfer zu töten.

Die Reaktion unter den Zuhörern war gemischt. Viele der Rabbiner unterschrieben eine Erklärung, in der Hechts Ansichten unterstützt wurden. Anderen verschlug es die Sprache. Was immer sie über den Sinn des talmudischen Gebots Din Rodef insgeheim gedacht oder im vertraulichen Gespräch gesagt haben mochten, mit der öffentlichen Verkündung eines solchen Urteilsspruchs ging Hecht entschieden zu weit. Danach besuchten ein paar Kollegen Hecht in seinem Brooklyner Büro und baten ihn inständig, seine Aussage zurückzuziehen. Doch Hecht blieb unerbittlich. «Ich spreche nicht für mich, sondern für das jüdische Gesetz», erklärte er, «und die Aufgabe von Gebieten ist ein schweres Verbrechen im Judaismus». Tatsächlich verschickte Hecht in den Monaten darauf Briefe an amerikanische Rabbiner, mit Kopien für die israelischen Kollegen, in denen er seine Worte wiederholte. Im August 1995 nutzte er das Forum der Jewish Press für einen offenen Brief «an alle Rabbiner in den USA», in dem er bekräftigte, daß «die Thora den Einsatz der äußersten Mittel gegen jene gestattet, die unseren jüdischen Mitmenschen Schaden zufügen». Darüber hinaus erklärte er, die israelischen Offiziere, die nach Amerika geschickt wurden, um den Osloer Friedensplan zu erläutern, seien «hier nicht erwünscht, und wir müssen bereit sein, sie als das bloßzustellen, was sie sind: Feinde des jüdischen Staates und des jüdischen Volkes.»

Avigdor Eskin vor Rabins Wohnung:
Der Fluch "Pulsa de Nura"

Am 9. Oktober 1995 bekundete Rabbiner Hecht im New York Magazine, ihm sei «buchstäblich schlecht» wegen des Friedens-Prozesses, «denn er frisst mich bei lebendigem Leibe auf».
Auf die Frage, wie er sich fühlen würde, sollte jemand aus seiner Erklärung vom Juni den Schluss ziehen, dass er das Recht habe, Rabin zu töten, antwortete Hecht: «Ich würde gar nichts fühlen. Rabin ist kein Jude mehr. Dieser Mann hat so viel Schaden angerichtet. Das kann ich ihm nicht vergeben.»
Zur umstrittenen Erklärung selbst sagte er: «Ich habe doch nur gesagt, dass gemäß dem jüdischen Gesetz jede Person - nehmen Sie, wen Sie wollen -, die willentlich, bewusst und absichtlich Menschen oder Eigentum oder den menschlichen Reichtum des jüdischen Volkes einem fremden Volk überantwortet, sich der Sünde schuldig macht, die unter Todesstrafe steht. Und bei Maimonides - zitieren' Sie mich ruhig - heißt es ganz klar: Wenn ein Mann ihn tötet, hat er eine gute Tat vollbracht.»
Wie, so fragte sein Gesprächspartner, könne dieses Prinzip mit dem Gebot «Du sollst nicht töten» vereinbart werden?
«Das Gebot sagt, ich soll nicht morden, und nicht, 'Du sollst nicht töten'», erklärte Hecht mit einem Glanzstück semantischer Akrobatik. «Wenn es sagt 'Du sollst nicht töten', kann man ja nicht in den Krieg ziehen. Und auch keine Hühner schlachten.»

In der letzten Oktoberwoche gab Hecht, inzwischen überall gefragt, dem Korrespondenten des ersten israelischen Fernsehens, Ya'akov Ahimeir, ein Interview, in dem er nachdrücklich wiederholte: «Ich habe gesagt, Maimonides zufolge gilt für jeden, der Land oder Menschen Israels an Fremde aushändigt - dass jeder, der rasch genug zur Stelle ist, das Vorrecht hat, ihn zu töten.»
«Welcher Schluß ist daraus zu ziehen?» fragte Ahimeir, erstaunt, dass jemand sich derart vor laufender Kamera äußerte. «Dass, Gott bewahre, dem Ministerpräsidenten von Israel Schaden zugefügt werden sollte?»
«Nein, nein, --»
«Sie sagen, daß jeder, der -»
«Ja», bestätigte Hecht. «Aber ich hatte nicht das Vorrecht.»
«Was meinen Sie damit, 'Ich hatte nicht das Vorrecht'?»
«Ganz einfach. Er lebt noch», sagte Hecht lachend.

Ahimeir war über das Material, das er auf Band hatte, so bestürzt, daß er beschloß, es nicht zu senden, um nicht Gefahr zu laufen, daß er oder sein Sender der Mordhetze angeklagt würden. Erst nach dem Attentat gab er das Interview frei.
Rabbiner Hechts Ausfälle waren die klarsten in aller Offenheit ausgestoßenen Hetzworte. Als angesehenes Mitglied des orthodoxen rabbinischen Establishments hörten oder lasen Hunderte von Rabbinern seine Tiraden. Nur eine Handvoll widersprach ihnen öffentlich.

«Die Stimme Hechts ist nicht die eines einsamen, verrückten Extremisten», fühlte sich das New York Magazine verpflichtet zu erklären, als es das Interview brachte, «sondern die eines wachsenden Chors jüdischer Militanter, die die Grenze einer berechtigten Diskussion überschritten haben und sich das Recht herausnehmen, zur Gewalt aufzurufen - und selbst Gewalt zu üben.»

In diesem Netz war auch der republikanische Bürgermeister von New York, Rudolph Giuliani, gefangen.
Ehrengast bei seiner Amtseinführung war Dov Hikind, ein beliebter Politiker Anfang Vierzig, der mal als offenherzig und schlagfertig, mal als schrullig und laut beschrieben wird. Er war auf der Liste der Demokraten in das Parlament des Staates New York gekommen und hegte Hoffnungen, eines Tages den Weg nach Washington zu schaffen. Hikind, 1950 im Brooklyner Distrikt Williamsburg geboren, wuchs in der grauen Welt eines selbstauferlegten Ghettos auf, das die orthodoxen Juden als Bollwerk gegen die Assimilation errichtet hatten. Als Sohn von Holocaust-Überlebenden, die sich 1947 in New York niedergelassen hatten, fühlte er sich von Kahanes Evangelium angezogen, das die Zukunft der amerikanischen Juden in apokalytischen Tönen zeichnete, und 1970, als er am Queens College studierte, schloß er sich der Jewish Defense League (JDL) an. Er beteiligte sich an deren Patrouillengängen, die die Bewohner der jüdischen Viertel vor der Gewalt armer und zorniger Schwarzer schützen sollten. Hikind gewann unter den jungen «Milizionären» rasch den Ruf eines geborenen Anführers, der sich besonders bei den «Kommandounternehmen» der JDL und anderen Protestaktionen hervortat.

Zusammen mit neun Bundesgenossen wurde er erstmals festgenommen, als die Gruppe die Amtsräume der sowjetischen UN-Botschaft stürmte und sich mit Handschellen an das Tor fesselte. Als Zugabe stürmte er gemeinsam mit einem anderen JDL-Aktivisten die ägyptische Botschaft und entfachte eine Schlägerei, bei der drei Botschaftsangehörige verletzt wurden.
Derlei Gebaren mag Hikinds Karriereaussichten in der Politik nicht verbessert haben, doch es war Qualifikation genug, um von Rabbiner Kahane zur rechten Hand in der JDL erkoren zu werden. Seitdem lernte er eine ganz andere Spielart politischer Bildung kennen. Hikind zog sich 1973 offiziell aus der Führungsriege der JDL zurück und wurde Chef der SOIL (Save Our Israeli Homeland), einer neuen Kahane-Gründung, der Juden auf den Leim gehen sollten, die sich vom kriegerischen Gehabe der JDL abgestoßen fühlten.

Kahane hatte sein Hauptquartier inzwischen nach Jerusalem verlegt, befehligte jedoch von hier aus immer noch die New Yorker Operationen. Wie er arbeitete, geht aus einem Brief an ein Führungsmitglied der JDL hervor (der der Village Voice zugespielt wurde):
«SOIL unter Dov H. ist ein gutes Beispiel dafür, was gemacht werden kann. Ich denke, wir sollten Dov zum nächsten Vorstandstreffen [der JDL] einladen, damit er erklärt, was getan wurde und wird. Alle SOIL-Namen sollten diskret der JDL überlassen werden, die diese Leute erst viele Wochen später kontaktieren darf, ohne zu sagen, daß man die Adressen von SOIL hat. Arbeiten Sie eng mit Dov zusammen. Ich habe ihm gesagt, er soll Ihnen zuhören.»

Und er lauschte und lernte gut. Zwanzig Jahre später nutzte Hikind immer noch den Namen der angeblich moderaten SOIL, um Zulauf für Demonstrationen gegen das Osloer Abkommen zu gewinnen.
Hikinds Assistent bei der SOIL war Victor Vancier, ein stämmiger junger Mann, dessen hauptsächliche Arbeit darin bestand, Sprengsätze und Molotowcocktails zu basteln. Seinen Dutzenden von gewalttätigen Attacken auf Schwarze, Mitarbeiter sowjetischer Einrichtungen und Araber verdankte er die Aufnahme in die «Terroristen»-Kartei des FBI. Man konnte ihn schließlich festsetzen und vor Gericht stellen. Er hatte einen Bombenanschlag auf eine sowjetische Diplomatenresidenz in New York verübt sowie während eines Auftritts der Moiseyev Dance Company einen Kanister Tränengas in die Metropolitan Opera geworfen. Im Oktober 1987 wurde Vancier zu zehn Jahren Haft in einem Staatsgefängnis verurteilt, doch schon nach der Hälfte dieser Zeit wurde er entlassen und avancierte zu einem Star der jüdischen Medien New Yorks.

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Hear Jewish Task Force

In Zev Brenners Samstagabend-Talkshow «Talkline» pries er Baruch Goldstein als «Zaddik» (heiliger Lehrer) und nannte Rabin einen «Verräter und Judenmörder». Als Gastmoderator für zwei Sendungen im Kabelfernsehen, «Positively Jewish» und «Jewish Task Force», nutzte er die Gelegenheit zu Tiraden gegen Schwarze, Araber und NichtJuden im allgemeinen.
Wundersamerweise fiel der Schatten von Vanciers Verbrechen nie auf seinen Chef bei der SOIL, obwohl Hikind selbst ähnlicher Machenschaften verdächtigt worden war.
1976 stand er vor einem Bundesgericht, weil er nach der Stürmung der nach Entebbe entführten Air-France-Maschine durch ein israelisches Kommando eine Rauchbombe in die ugandische UN-Mission geworfen hatte. Ein Jahrzehnt später verdächtigte ihn das FBI, an der Planung einer Serie von sechs Bombenanschlägen gegen arabische Ziele in New York, Massachusetts und Kalifornien beteiligt gewesen zu sein -bei denen ein Mensch getötet und mehrere verletzt wurden -, doch Beweise gegen ihn waren nicht aufzutreiben...

»»» pp. 225

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Aus dem Buch von
Michael Karpin und Ina Friedman:
Der Tod des Jitzhak Rabin
- Anatomie einer Verschwörung

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hagalil.com 04-11-2004

 


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