Zwischen Okzident und Orient:
Israel als Integrations- und Einwanderungsgesellschaft
Elik und die "Jeckes"
Die aschkenasischen Juden
Von Uffa Jensen
"Elik wurde aus dem Meer geboren, pflegte
Vater zu sagen, wenn wir auf dem Balkon unseres Häuschens an Sommerabenden
zusammen aßen." Die ersten Worte des Romans Mit eigenen Händen, den Moshe
Shamir 1952 veröffentlichte, verkörpern den Traum des jungen Israel. Wie viele
Helden vor und direkt nach der Staatsgründung stammt Elik aus dem Raum, nicht
aus der Zeit. Er ist Teil der Landschaft, die ihn prägt und die er erobert.
Von einem solchen Neugeborenen spricht der
Vater — und die hebräische Literatur brachte an ihrem Anfang die Bilder hervor,
nach denen der Vater verlangte. Elik blickt nach vorn, hinter ihm gibt es nichts
zu entdecken. In ihm wird das Judentum nach zweitausend Jahren der Wanderung
durch fremdes Land erlöst.
Unter den Zionisten war die Haltung weit verbreitet, die jüdische Vergangenheit
des Galluth-Judentums abzulehnen. In extremer Weise äußerte sich dazu der
nationalistische Zionist Wladimir Jabotinsky: "Unser Ausgangspunkt ist es, den
typischen Jid von heute zu nehmen und uns sein genaues Gegenteil vorzustellen.
[...] Weil der Jid häßlich, krank und ohne Anstand ist, werden wir das Idealbild
des Hebräers mit maskuliner Schönheit ausstatten. Der Jid wird zertrampelt und
ist leicht verängstigt, und daher muss der Hebräer stolz und unabhängig sein.
Der Jid ist allen verhasst, und deshalb muss der Hebräer alle entzücken. Der Jid
hat die Unterwerfung akzeptiert, und daher muss der Hebräer lernen zu
kommandieren. Der Jid will seine Identität vor Fremden verheimlichen, und
deshalb muss der Hebräer der Welt geradeaus in die Augen sehen und erklären: Ich
bin ein Hebräer!"
In den Vorstellungen der Pioniergeneration sollten die nächsten Generationen in
allem anders sein als ihre Vorfahren im osteuropäischen Schtetl:
Die Söhne sollten zu Hebräern, zu würdigen Nachkommen Davids, der Makkabäer und
der Zeloten erzogen werden. Sie sollten Sabres werden. Den Pionieren
erschien dafür ein gemeinschaftliches Leben im Einklang mit dem Land, wie es in
den seit Anfang des Jahrhunderts gegründeten Kibbuzim möglich war, als beste
Voraussetzung. Drei Aliyot hatten nach 1881 die zionistischen Grundlagen des
neuen Yishuv gelegt. Diese Einwanderer verließen ihre größtenteils
osteuropäischen Heimatländer, in denen eine gesicherte Existenz von Juden
vielerorts durch Pogrome gefährdet war, um in Palästina die zionistische Idee in
die Praxis umzusetzen. Bis 1903 kamen mit der ersten Aliya etwa 20.000
bis 30.000 Juden ins Land und von 1904 bis 1914 mit der zweiten Aliya
ungefähr 35.000 bis 40.000. Die zweite Aliya war für den Charakter des späteren
Staates entscheidend: In ihr war die Verknüpfung von zionistischem und
sozialistischem Gedankengut besonders ausgeprägt. Dies wurde durch die dritte
Aliya unterstützt, mit der zwischen 1919 und 1923 35.000 Menschen kamen, von
denen viele 1917 die Russische Revolution erlebt hatten.
Diesen
Einwanderungswellen entstammte ein Großteil der Führungsschicht des Yishuv. So
wurden in dieser Zeit die politischen Parteien des sozialistischen Zionismus,
die Einheitsgewerkschaft Histadrut und die Selbstverteidigungsmiliz
Hagana gegründet. Die Pioniergeneration dominierte Israel bis in die
sechziger Jahre hinein. Ihre Leistungen gehören zum mythischen Haushalt der
kollektiven Erinnerung in Israel.
Doch das Selbstbild dieser zionistisch und sozialistisch geprägten Einwanderer
deckte sich nur zum Teil mit der Wirklichkeit jener Generation, die den Staat
aufbaute. Zu ihr gehörte noch eine andere Gruppe, die zwar im Bildhaushalt
dieser Zeit weniger präsent ist, sie aber doch beeinflusste: Einwanderer aus
bürgerlichen Kreisen, für die Tel Aviv, die erste Stadt der Juden, Symbol und
Zentrum des angestrebten Staates war. Sie erreichten mit zwei weiteren Aliyot in
den zwanziger und dreißiger Jahren den Yishuv. Die vierte Aliya
brachte von 1924 bis 1931 über 80.000 Menschen ins Land. Sie kamen besonders aus
Polen, wo sich in der Zwischenkriegszeit ein starker Antisemitismus ausgebreitet
hatte. Palästina wurde zu einer wichtigen Alternative, da die USA die
Einwanderungsbestimmungen verschärft hatten. Doch befanden sich unter diesen
Einwanderern selten überzeugte Zionisten. Ebenfalls wenig zionistische
Einwanderer kamen zwischen 1932 und 1938 mit der fünften Aliya. Von den
fast 200.000 Juden stammten wiederum viele aus Polen und aus Deutschland, wo sie
durch das nationalsozialistische Regime zur Auswanderung gezwungen worden waren.
Ein Großteil dieser Einwanderer war bürgerlich-städtisch geprägt. Sie zeichneten
sich durch einen hohen Bildungsgrad, bürgerliche Lebensformen und
mitteleuropäische Werte wie Pünktlichkeit und Ordnungssinn aus. Viele dieser
Eigenschaften sind in das bis heute mit Ironie und Respekt verbundene Bild von
den deutschen Einwanderern, den "Jeckes", eingegangen. Die bürgerlichen
Einwanderer veränderten den Yishuv in vielerlei Hinsicht: Ein privater Bereich
mit kapitalistischen Wirtschaftsformen hielt Einzug; das ursprünglich
sozialistische Selbstverständnis wurde aufgeweicht; Parteien des bürgerlichen
Lagers konstituierten sich als wichtige Kräfte in der politischen Landschaft.
Mit diesem Zustrom begann die Erfolgsgeschichte von Tel Aviv.
Aus dem Kapitel "Zwischen
Okzident und Orient - Israel als Integrations- und Einwanderungsgesellschaft"
von Uffa Jensen
(in
Davids Traum, Bleicher 2000)
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hagalil.com 30-10-2002 |