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Judentum und Israel
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Eine neue israelische Geschichtsschreibung?
Wahre Identifikation beruht auf Tatsachen

Zum Jahreswechsel tobte in Israel ein heftiger Streit um das Geschichtsbewusstsein in den eigenen Schulbüchern. Alice Schwarz-Gardos kommentierte (Chadshoth Israel): "Es geht um Geschichtsbewusstsein in den Hirnen der zukünftigen Generationen, die 'Josef nicht kannten', wie es in der Lehre heisst. Die Jugend, die neue Generation, war nicht dabei, als der Weltkrieg und danach der Unabhängigkeitskrieg tobte, und ihr wollen die neuen Historiker nun eine neue, 'entmythogisierte Wahrheit' vorsetzen".

Niemand hätte von alledem etwas gemerkt, hätte nicht die "New York Times" die Sache zur Sprache gebracht. Eine Schlagzeile auf Seite Eins verkündete: "In Israel ersetzen neue Schulbücher für Geschichte Mythos durch Tatsachen". Die rechtsgerichtete englischsprachige "Jerusalem Post" geriet in helle Aufregung. "Die israelischen Schulbuchautoren schießen weit über ihr Ziel hinaus. Der Stolz des Volkes wird unterminiert. Der Verzicht auf Mythen und Dogmen untergräbt die Legitimität unseres staatlichen Strebens".

Meiner Meinung nach sind solche Äußerungen gefährlicher als alle 'neuen Geschichtsschreiber' zusammen, vermittelt doch die 'Jerusalem Post' den absolut irrigen Eindruck, als sei der Staat Israel auf Mythen und Dogmen aufgebaut.

Jedermann wird zugeben, dass sich Geschichtsbetrachtung ändert. Alice Schwarz-Gardos beklagt: "Man wird des nationalen Pathos leicht müde. Nichts ist sakrosankt. Sogar wissenschaftliche Erkenntnisse und mathematische Regeln können sich ändern".

Es scheint, dass der Skandal um die neuen Geschichtsbücher in der Hauptsache auf mangelhaften Lesekenntnissen beruht. Hysterische Reaktionen der Rechten halten die Öffentlichkeit von einer Diskussion tatsächlicher Inhalte ab, und vielleicht ist ja genau dies die Absicht.

Eine Revolution?

Nach Eli Podeh ('Eine Revolution?' haArez 16-09-99) wird man die Erwähnung einiger bisher (zumindest in den Schulbüchern) ungenannter - dennoch aber allgemein bekannter Tatsachen, kaum als 'revolutionären Schritt' bezeichnen können.

Zur Veranschaulichung hier zwei oft genannte Beispiele: Zum israelischen Unabhängigkeitskrieg hiess es in der letzten Ausgabe v. 1984: "Die jüdische Gemeinschaft im damaligen Palästina zählte 650.000 Seelen. Die arabischen Staaten hatten zusammen 40 Millionen Einwohner. Die Erfolgschancen der Juden waren zweifelhaft und die jüdische Gemeinschaft musste alle verfügbaren Menschen rekrutieren, um sich zu verteidigen".

Heute heisst es: "Dem Jishuw standen mehrere untereinander uneinige arabischen Staaten gegenüber. Durch bessere Planung und Organisation, effektiveren und phantasievolleren Einsatz der Ausrüstung, höhere Motivation und Einigkeit, gelang es den wesentlich besser ausgebildeten Kämpfern an fast jeder Front und in fast jeder Schlacht den Lauf der Dinge zu unseren Gunsten zu beeinflussen". Weiter wird ein Zeitzeuge zitiert (Gen. Meir Pa'il): "Für die Juden war - auch mit gut ausgebildeten Rekruten und besseren Waffen eine unendliche Anstrengung notwendig, um gegen die zahlenmäßige arabische Überlegenheit anzukommen."

Stolz braucht keine Verklärung!

Anstatt in der aktuellen Formulierung eine (wenn auch unvollständige) Zusammenfassung genau jener Werte zu erblicken, die auch heute für den Erfolg (und den Stolz) Israels notwendig sind, spricht ein Kommentator des national-fundamentalistischen Senders 'Aruz 7' vom 'Ausverkauf nationaler Werte'.

Die 'Behauptung' des Geschichtsbuches ein Teil der arabischen Einwohnerschaft sei mit Gewalt vertrieben (bzw: im Forum /Message570) worden, wird als 'jüdischer Selbsthass' diffamiert. Dass die neuen israelischen Schulbücher die Schüler auch mit der arabischen Bezeichnung für die Ereignisse von 1948 ('Al-Nakba', die Katastrophe) bekanntmachen und sie auffordern, auch den palästinensichen Standpunkt zu bedenken, erinnert eine Sprecherin des Likud (L.Livnat) an PLO-Propaganda.

Es sei keine Schande und nichts Bösartiges, auf die eigenen Errungenschaften stolz zu sein, bemerkt sie, gerade so, als ob es nicht möglich sei, auf die Errungenschaften der Gründergeneration und das im Laufe der Staatlichkeit Erreichte stolz zu sein, gerade im Lichte einer von Mythen und Pathos befreiten klaren Betrachtung.

Der Historiker Tom Segev (Hebr. Univ. Jerusalem) kommentierte die Aufregung in einem Artikel 'Schau was sie mit unseren Mythen gemacht haben... (17-09-99, haArez) folgendermaßen: "Das Buch von Eyal Naveh sagt das Gegenteil dessen, was ihm unterstellt wird. Um dieses Werk dürften die Eltern jener Schüler, die dieses Buch heute benutzen, ihre Kinder beneiden - gerade dann, wenn sie dieses Buch mit den altbackenen Ausgaben ihrer eigenen Schulzeit vergleichen".

Die neuen israelischen Schulbücher sollen übrigens nur in den staatlichen Schulen verwendet werden. Chadshoth Israel warnt: "Die sogenannten Sonderschulen der ultraorthodoxen Schas-Partei werden natürlich weiter ihre eigenen Lehrbücher mit diametral entgegengesetzten, fanatisch jüdisch-egozentrischen Thesen und frommen Dogmen verbreiten. Es gibt kein "besseres" Rezept für die Spaltung des Volkes und die Unterminierung des Staates", und schließt: "Man kann nur hoffen, dass die Regierung die ungeheuer große Gefahr sieht, die aus dieser Richtung droht, und etwas unternimmt. Rechtzeitig, damit man unbesorgt nicht nur in das neue Jahr, sondern überhaupt in die Zukunft blicken kann".

dg / haGalil 10-99

Hawer, Atah chaser / Freund, Du fehlst...

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