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Zur Geschichte der Organisation der Mitteleuropäischen
Einwanderer in Israel:
Hebräische Arbeit
Paul A. Aisberg, Teil III. v.III.
Die landwirtschaftliche Siedlungstätigkeit lag zum weitaus
größten Teil außerhalb des direkten Tätigkeitsbereichs der HOG.
Beratung und Kontakte wurden zwar in den Sprechstunden der HOG und
durch regelmäßige Besuche der landwirtschaftlichen Sachverständigen
Dr. Schlomo Krolik und Pinner sowie anderer Fachreferenten
angeknüpft, aber die praktische Arbeit und Finanzierung wurde durch
Privatinitiative (wie in der Haifa Bay durch Josef Loewy) oder im
Auftrag der Deutschen Abteilung durch andere Gesellschaften und
Abteilungen geleistet, vor allem durch die hierfür 1935 von der
Deutschen Abteilung gegründete "RASSCO" ("Rural and Suburban
Settlement Company"), an deren Spitze Förder und Landsberg standen.
Der besondere Typ der Siedlungsarbeit der Einwanderer aus
Deutschland war die Mittelstandssiedlung, nicht allzu weit entfernt
von einem städtischen Zentrum, mit intensiv betriebenen
Gemischtwirtschaften, zum Teil auf ganz kleinen Bodeneinheiten mit
Gemüsebau und Hühnerzucht, welche die Siedler ohne Lohnarbeit selbst
bewirtschaften konnten. Etwa 1200 Familien des Mittelstandes -
Akademiker, Kaufleute und Beamte mittleren Alters - gingen so aufs
Land, um eine neue Existenz aufzubauen. Diese Siedler investierten -
unter fachlicher Anleitung der dafür mit Hilfe der HOG und der
Deutschen Abteilung geschaffenen Institutionen - das geringe
Vermögen, das sie transferiert hatten, in einem Haus und in der
Anlage ihrer Wirtschaft und hatten einen kolonisatorischen Erfolg,
der auf der eigenen Arbeit und einer kooperativen Organisation
beruhte. 21
Der Ausbruch des Weltkriegs brachte im Herbst 1939 die große
Einwanderungswelle aus Mitteleuropa und das Unternehmen der Ha'avara
zu einem Halt. Die meisten Einwanderer der folgenden Kriegsjahre
waren Flüchtlinge, die sich ohne Visen oder Einwanderungsgenehmigung
auf illegalen Transporten aus Europa retten konnten. Viele kamen aus
Österreich und der Tschechoslowakei und gehörten zu Altersgruppen,
die nur schwer einzuordnen waren. 22
Bis zum Frühjahr 1941 standen die Deutschen diesen Transporten
wohlwollend gegenüber und legten ihnen keine Hindernisse in den Weg,
besonders da die Auswanderer allen Besitz zurücklassen mussten.
Andererseits waren die Behörden der britischen Mandatsverwaltung
dieser illegalen Einwanderung gegenüber aus politischen Gründen so
feindlich eingestellt, dass sie im November 1940 die Deportierung
der Einwanderer von zwei Schiffen nach Mauritius anordneten. Um die
Deportation zu verhindern, versuchte die Hagana eine Sabotage des
Schiffs "Patria", die zu der furchtbaren Katastrophe führte, dass
das Schiff mit 252 Personen sank. Die Geretteten wurden in ein
Haftlager verbracht und später einzeln entlassen.
Die Aufnahme und Einordnung dieser und ähnlicher Gruppen von
Einwanderern stellte die HOGOA vor große finanzielle Probleme,
besonders da die eigenen Einnahmen nach Einstellung der Ha'avara
zusammengeschrumpft waren und die großen Spenden zu Gunsten der
Ansiedlung der Juden aus Deutschland aufgehört hatten. Der Jischuw
hatte nach Ausbruch des Krieges anstelle der früheren
Unterstützungen für soziale Leistungen aus dem Ausland eine
Notstandssteuer ("Mass Cherum") eingeführt, die vor allem sozialen
Zwecken dienen sollte. Es war selbstverständlich, dass viele
Institutionen und Organisationen Zuwendungen aus diesem Fond
verlangten. Wie sehr die HOGOA sich zurückgesetzt fühlte, geht aus
einem Artikel hervor, den Lewy im "Mitteilungsblatt" vom 24. 1. 1941
veröffentlichte. Er forderte nicht nur eine eigene interne
Besteuerung des Kreises der HOGOA, um zu helfen, sondern auch eine
stärkere politische Aktivität, um "unseren Anteil an den allgemeinen
Mitteln des Jischuws zu erkämpfen". Für einen Mann wie Lewy, der
eine Politisierung der Organisation stets abgelehnt hatte, war das
eine völlig neue Haltung, die fraglos die politischen Entscheidungen
des folgenden Jahres beeinflusste.
Im Februar 1941 ergriff die HOGOA die Initiative zu einem eigenen
finanziellen Instrument zur Hilfe an Bedürftige, und gründete das
"Solidaritätswerk", das bis heute der finanzielle Träger ihrer
Sozialarbeit ist. Anfangs war es als eine einmalige Aktion gedacht,
aber die Bedürfnisse erforderten einen laufenden Geldeingang. Die
Aufgaben änderten sich im Laufe der vielen Jahre, und wenn es damals
zur Hilfe an Neueinwanderer bestimmt war, so heute zur Hilfe für
Alte und Kranke und zur Erhaltung der Elternheime.
Das Jahr 1942 wurde für die HOGOA ein Jahr der Entscheidung, ob
sie weiterhin eine unpolitische Organisation bleiben oder ob sie im
öffentlichen Leben im Namen einer Gruppe Mitspracherechte fordern
sollte. Im politischen System des Jischuws und der zionistischen
Bewegung setzte die Diskussion über die Nachkriegsregelung ein, und
gleichzeitig wurden die Wahlen für die Gemeindevertretung (den
"Wa'ad haKehilla") in Haifa und für die Repräsentanz des Jischuw
("Assefat haNiwcharim") diskutiert. Die erste Hürde waren die Wahlen
in Haifa, die nur als örtliches Ereignis galten und noch nicht die
Organisation verpflichteten. Bei diesen Wahlen trat zum ersten Mal
eine Gruppe aus der HOGOA als eigene Liste unter dem Namen "Alija
Chadascha" auf, und der Erfolg mit 22% aller Stimmen war
überraschend groß. Fraglos trug er dazu bei, daß bei der
Jahrestagung der HOGOA in Kfar Schmarjahu Ende Oktober 1942 der
Beschluss gefasst wurde, für die politische Arbeit gemeinsam mit
Einwanderern aus anderen Ländern als Partei "Alija Chadascha"
aufzutreten. Gleichzeitig entschied man, die Sozialarbeit und die
kulturellen Aktivitäten im bisherigen Rahmen unter dem neuen Namen
"Irgun Olej Mercas Europa" (IOME) weiterzuführen.
Für aktive Mitglieder anderer Parteien, besonders der Arbeiterpartei
"Mapai", bedeutete dieser Beschluss, dass sie eine Entscheidung
fällen mussten. Zwei der führenden Persönlichkeiten, Perez Naphtali
und Josef Lamm lehnten die Mitgliedschaft in der neuen Partei ab und
verblieben nur Mitglieder im IOME, während Landauer, ein Gegner des
"Biltmore Programms" Ben-Gurions, das die Schaffung eines jüdischen
Commonwealth nach dem Krieg forderte, trotz seiner Zugehörigkeit zur
"Mapai" gemeinsam mit Rosenblüth die Leitung der "Alija Chadascha"
übernahm. Bei den Wahlen zur Vertretung des Jischuw ("Assefat
Haniwcharim") im Juli 1944 erzielte die "Alija Chadascha" mit 10,7%
wiederum einen beträchtlichen Erfolg und wurde zu einer der
stärksten Parteien.
Die Kreise der deutschen Zionisten, ob sie in der Partei oder im
IOME organisiert waren, lehnten schon seit den dreißiger Jahren
jeden Terror und Methoden des bewaffneten Widerstands gegen Englands
"Weißbuch-Politik", die die Einwanderung und den Bodenkauf sperren
wollte, ab. Das Motto war und blieb "Ohne Gewalt", so wie Rosenblüth
im Leitartikel des MB am 9. November 1945 schrieb: "Die Idee des
gewaltlosen Widerstands war in Anlehnung an Ghandische Kampfmethoden
konzipiert." 23
Das humanistische liberale Gedankengut lebte im Kreis der ehemaligen
deutschen Juden fort, während es in Deutschland längst vergessen
war. Einer der letzten und konsequentesten Vertreter dieser Haltung
war Landauer. Die politische Entwicklung von 1946 bis zum
Teilungsbeschluß der Vereinten Nationen am 29. November 1947 brachte
es mit sich, daß die Gegnerschaft zum Programm der Mapai in der
"Aliya Chadascha" verschwand und Landauer noch vor der
Staatsgründung aus der Partei austrat und die Präsidentschaft des
IOME übernahm. Bei den ersten Wahlen nach dem Unabhängigkeitskrieg
bildete die "Alija Chadascha" gemeinsam mit einer anderen liberalen
nicht-sozialistischen Gruppe die "Progressive Partei"24,
die bei den Wahlen zur ersten Knesset 4% der Stimmen erhielt und in
den siebziger Jahren völlig von der politischen Bühne verschwand.
Schon während des Krieges warf Dr. Siegfried Moses 1943 die Frage
der materiellen Entschädigung und Restitution des Besitzes der
ehemaligen deutschen Juden und ihrer Gemeinden und Organisationen
auf. Zur Durchsetzung der Forderung im Namen des IOME und ähnlicher
Organisationen deutscher Juden in England, Frankreich, den USA und
anderen Ländern bildeten die Vertreter bei einer von Moses
vorgeschlagenen Sitzung in New York 1945 den "Council of Jews from
Germany", der die gemeinsame Vertretung innerhalb der Claims
Conference aller jüdischen Organisationen zur Durchsetzung der
Forderungen gegen Deutschland darstellt. Aus den Geldern für
Vermögenswerte der Gemeinden und ehemaliger Organisationen sollten
durch den IOME in Israel Elternheime in Jerusalem, Tel Aviv und
Haifa errichtet werden. Bereits im Mai 1945 wurde in einem
entsprechenden Memorandum für den Council diese Forderung
aufgestellt.25
Die Notwendigkeit, für ältere Menschen Heime zu errichten, hatte
schon 1938/39 dazu geführt, in Jerusalem und in Haifa Gebäude für
diesen Zweck zu mieten. In Jerusalem gab es 25 und in Haifa vierzig
Plätze. Die Wärme der Atmosphäre und Fürsorge musste oft über das
sehr einfache Niveau hinwegtrösten. Erst nach der Durchsetzung der
ersten Ansprüche gegen Deutschland konnte man in den fünfziger
Jahren damit beginnen, geeignete Heime zu errichten.
Der IOME sorgt heute für vier Elternheime mit angeschlossenen
Pflegestationen und für fünf Wohnheime, in denen insgesamt 800
seiner Mitglieder versorgt werden. In den letzten Jahren stellt die
Sorge für diese Heime und ihre notwendige Erweiterung und
Modernisierung die zentrale Tätigkeit des IOME dar. Der "Council of
Jews from Germany" gründete 1954 das Leo Baeck Institut mit drei
Arbeitszentren in Jerusalem, London und New York. Dieser Gründung
gingen lange inhaltliche und organisatorische Klärungen voraus, die
besonders die israelische Sektion vornahm. Der Präsident des
Gesamtinstituts war zuerst Dr. Leo Baeck und nach seinem Tod Moses,
der bereits seit der Gründung die einflußreichste Persönlichkeit
war. Jedes der drei Zentren ist anders konstituiert, das Jerusalemer
Institut war bis 1993 Teil des IOME. Die Aufgabe des
Ge-samtinstituts sollte sein, die Geschichte der Juden in den
deutschsprachigen Ländern von der Zeit der Emanzipation bis zu ihrem
Ende unter dem Nationalsozialismus zu schreiben und die Quellen für
diese Aufgabe zu sammeln. Im Laufe der Zeit bildete sich eine
Arbeitsteilung zwischen den drei Zentren heraus, nach der die
Sammeltätigkeit von Büchern, Bildern und Archivalien durch das
Institut in New York durchgeführt wurde, die Publikation eines
Jahrbuchs in englischer Sprache mit historischen und
geistesgeschichtlichen Beiträgen, von dem bisher 38 Bände
erschienen, durch das Zentrum in London, und ein deutsches Bulletin
mit vorwiegend literarischen Themen und wissenschaftlichen
Monographien und Memoiren und auch hebräische Veröffentlichungen
durch das Institut in Jerusalem. Die seit der Gründung geplante
Gesamtgeschichte des deutschen Judentums wird seit wenigen Jahren
durch ein Team von Wissenschaftlern aller drei Zentren gemeinsam
durchgeführt und soll im Jahr 1996 in vier Bänden vorliegen.
- S7/121 Tätigkeitsbericht per 30. 11. 1934.
- Ludwig Pinner, Die Siedlungen der Fünften Alija, in:
Meilensteine (s. Anmerkung 5).
- S7/922.
- Pinhas F. Rosen, Aus Erinnerungen an die Jahre 1939-1948, in:
In zwei Welten (s. Anmerkung 13).
- Pinhas (Felix) Rosen (Rosenblüth) war als Vertreter der
Progressiven Partei Justizminister von 1948-1961.
- S7/2099.
Quellenangabe:
MB Mitteilungsblatt
des Hitachduth Olej Germania
Zionistisches Zentralarchiv, Jerusalem:
S7 Akten der Jewish Agency, "Deutsche Abteilung"
S49 Privatakten Dr. Georg Landauer
A222 Nachlaß Kurt Blumenfeld
A358 Nachlaß Ludwig Pinner
Abb. aus dem "Praktischen
Lehrbuch - Lerne Hebräisch!" von Ben-Chaviv, ersch. b.
Sinai Publishing
Teil 1:
Die
Organisation der Mitteleuropäischen Einwanderer in Israel
Nicht nur die Organisation und ihre
Tätigkeit haben eine Geschichte, sondern auch der Name. Gegründet
wurde die Organisation in Tel Aviv im Februar 1932...
Teil
2:
Hebräische Kulturarbeit
Erst zwei Jahre nach Gründung der HOG wurde die hebräische
Kulturarbeit aufgenommen, bis sie 1935 immer mehr in den Mittelpunkt
rückte...
hagalil.com
14-10-04 |
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