Die Geschichte der
Juden
in Deutschland V
1338 aZ:
Pest und Pogrome |
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1338-1339: Ein Schankwirt windet einen Lederstreifen um seinen Arm und
nennt sich "König Armleder". Mit Unterstützung eines Adeligen führt er eine
Armee verarmter Bauern durch das Elsass und entlang der Mosel und des Rheins, wo
sie alle Juden, derer sie habhaft werden können, ermorden. 1339 wird er von
einem kaiserlichen Heer gefangen genommen. Er wird enthauptet, aber nicht wegen
des Massakers an den Juden, sondern wegen der Beschädigung kaiserlichen
Besitzes. Bevor Armleder sein Leben verliert, werden 120 jüdische Siedlungen
vernichtet.
1342: Eine Judensteuer wird als "Opferpfennig" von Kaiser Ludwig IV.
eingeführt und muss am Weihnachtstag erstmalig entrichtet werden. Als Präzedenz
für diese Steuer gilt die Tempelsteuer, die nach der Zerstörung des Zweiten
Tempels im Jahr 70 unserer Zeitrechnung den Juden aufgebürdet wurde. Diese
Steuer von 1 Gulden pro 20 Gulden ihres Besitzes, die vornehmlich dem Schutz der
Juden dienen soll, müssen alle Juden, die älter als 12 Jahre sind, bezahlen.
1348-1350: Die Judenverfolgungen dieser Jahre werden durch die
Pestepidemie ausgelöst, der ein Drittel der europäischen Bevölkerung zum Opfer
fällt. Wie man heute weiss, wurde die Epidemie durch Flöhe verursacht, die sich
infolge der Einwanderung einer neuen Rattenart in ganz Europa ausbreiteten. Als
die Epidemie wütete, glaubte man, die Juden hätten sie durch die Vergiftung von
Brunnen und Quellen herbeigeführt. Dieser Glaube wurde durch Geständnisse
bestärkt, die manchen Juden unter der Folter abgepresst wurden. Bis zum Abflauen
der Epidemie wurden in Deutschland allein mehr als 300 jüdische Gemeinden
zerstört.
1356: In der Goldenen Bulle, einem Grundgesetz des Kaiserreichs, tritt
Karl IV. zusammen mit den kaiserlichen Rechten auf die Bodenschätze auch seine
Rechte an den Juden an die deutschen Fürsten ab. Die territoriale Zersplitterung
des Reiches und der Zerfall der Zentralgewalt wird durch die Goldene Bulle auf
Jahrhunderte festgeschrieben.
1394: Die französischen Juden werden neuerlich vertrieben. Fast
vierhundert Jahre lang werden nur wenige Juden in
Frankreich leben können.
1424: Vertreibung der Juden aus Köln.
1439: Vertreibung der Juden aus Augsburg.
1440: Dieses Jahr gilt als Datum
der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen gegossenen Lettern. Mit der
Verbreitung der Druckerpresse und ihrer Erzeugnisse geht das Mittelalter zu
Ende.
1473: Vertreibung der Juden aus Mainz.
1492:
Vertreibung der Juden aus Spanien,
1496: Zwangstaufen oder Vertreibung aus Portugal.
1499: Vertreibung der Juden aus
Nürn berg.
Nur langsam erholt sich das deutsche Judentum von Vertreibungen und Massakern.
Die Lage der überlebenden Juden hat sich wesentlich geändert. In früheren Zeiten
fanden Juden häufig in benachbarten Städten oder Ländern des politisch
zersplitterten Deutschlands Zuflucht vor einer Verfolgung, bis sie Wochen,
Monate, oder auch erst Jahre später in ihre Städte zurückkehren konnten. Nun ist
die Situation für sie um vieles schwerer. Die Juden sind entbehrlich geworden,
ihr Wissen und ihre Beziehungen wurden von Christen übernommen. Oft wird ihnen
nur nach Zahlung hoher Steuern oder "Schutzgelder" Aufenthalt gewährt, und auch
das nur für begrenzte Fristen, etwa drei oder fünf Jahre, nach deren Ablauf sie
neuerlich um einen Schutzbrief ansuchen und neue Abgaben zahlen müssen.
Auch wird oft nur eine beschränkte
Anzahl von Juden zugelassen, Sie dürfen nicht mehr Land oder Häuser kaufen und
müssen in abgesonderten Ghettos wohnen, die, als "Judenhof" oder "Judengasse"
bezeichnet und von Mauern und Toren umgeben, die Bewegungsfreiheit der Juden und
den Kontakt mit christlichen Nachbarn behindern. Auch ist jetzt Geldverleih fast
die einzige legale Erwerbsmöglichkeit für Juden in den Städten. Das zwingt viele
Juden, als kleine Geldverleiher oder Hausierer in ländliche Gebiete
auszuweichen. Die für die Bezahlung der Steuern und Schutzbriefe nötige Höhe der
Zinsen schürt wiederum neuen Hass gegen die Juden.
All das bringt eine neue Wanderung der europäischen Juden mit sich, diesmal von
Westen nach Osten, von Spanien in die
türkischen Hoheitsgebiete und
nach Palästina, und von Deutschland nach
Polen. In dieser Zeit wurzelt die Sprache der osteuropäischen Juden,
Jiddisch, ein mittelhochdeutscher Dialekt, der im Lauf der Zeit mit
hebräischen, aramäischen und slawischen Worten ergänzt wurde, ebenso wie das
Ladino (Spaniolisch) der sephardischen süd- und südosteuropäischen
Juden.
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