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...davon kann sie auch heute noch kaum erzaehlen.
Die Befreiung erlebt sie todkrank und am Ende ihrer Kräfte.
Kaum transportfähig, macht sie sich auf die Suche nach ihrem Sohn... |
Trude Nohr:
Zwischen den Richtlinien...
Angefangen hatte alles mit dem Onkel. Der hatte die Finger nicht
bei sich behalten koennen. Sexuellen Missbrauch nennt man das heute. Deshalb
kommt Trude Nohr mit 14 ins Heim. Da bleibt sie 7 lange Jahre.
Auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit lernt sie einen jungen Soldaten
kennen. 1943, mit 23 Jahren wird Trudes - unehelicher - Sohn geboren. Zwei
Wochen ist der Kleine alt, da wird er schwer krank. Sie bringt ihn ins
Krankenhaus. Auf dem Rueckweg wird sie am Koelner Bahnhof verhaftet. Sie weiss
nicht genau warum. Denunziation? Eine Akte bei der Fuersorge?
Man verschleppt sie nach Ravensbrueck. Dann der Transport nach Bergen
Belsen. Was sie in den Konzentrationslagern erlebt hat, kann sie auch heute
noch kaum erzaehlen. Die Befreiung erlebt sie todkrank und am Ende ihrer
Kraefte. Kaum transportfaehig, macht sie sich voll Sorge um den Sohn auf den
Heimweg. Das Kinderheim, in dem sie ihn schliesslich findet, praesentiert eine
Rechnung fuer die Aufenthaltskosten. Ihre Antraege auf Entschaedigung fuer die
Jahre im KZ werden abgelehnt.
Sie sei aus nicht-entschaedigungsfaehigen Gruenden ins Lager gekommen. Habe
den schwarzen Winkel der Asozialen getragen.
So hat sie gelernt, besser zu schweigen. Auch mit ihrem Sohn hat sie lange
nicht ueber diese Zeit gesprochen.
Sich ohne Unterstuetzung mit dem Kleinen durchzuschlagen, war
schwer. Eine ueppige Rente ist da nicht zusammengekommen.
"Ich will nur mal sehen, wie ich hier wieder verarscht werde!",
meint Frau Nohr, als sie unsere Beratungsstelle zum ersten Mal betritt. Zu
diesem Zeitpunkt lebt sie von einer Rente unterhalb der Sozialhilfe.
Unsere Sozialarbeiterin, Sonja Schlegel kennt einen Fonds, dessen
Richtlinien Frau Nohrs Schicksal beruecksichtigen. Bereits drei Monate nach
ihrem Kontakt mit uns erhaelt Frau Nohr die erste Zahlung. Ihre Rente wird
jetzt monatlich aus einem Haertefond aufgestockt.
Diese Zahlungen haetten ihr schon seit Jahren zugestanden.
Nur hat ihr das vor uns niemand erzaehlt.
Das Leben in Armut hat endlich aufgehoert. "Ich brauche ja nicht
viel fuer mich selber", sagt sie. "Leg auch was auf die hohe Kante. Aber am
schoensten ist doch, das ich jetzt bei Besuchen endlich auch mal was
Ordentliches mitbringen kann''.
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