Givat cHawiwah:
Eine dialogbereite
Generation schaffen
Israelisches
Friedensprojekt für jüdische und arabische Schüler
Toleranz als oberstes Lernziel
Annedore Smith (AP) -
'Ich habe hier gelernt, die Palästinenser als Menschen zu sehen, und nicht
nur als Radikale, die mit Steinen werfen und laut schreiend den Tod aller
Juden fordern.' Für die 15-jährige Jüdin Iris Klein war der Aufenthalt in
der Bildungsstätte Givat Haviva im Norden Israels eine Erfahrung, die sie
nicht missen möchte. Die 13-jährige Palästinenserin Magda Kabaha pflichtet
ihr bei: 'Ich hatte immer geglaubt, Juden seien schlechte Menschen, jetzt
aber weiß ich, sie sind einfach Menschen. Man muss jeden so respektieren,
wie er ist.'
Die beiden Mädchen haben an
Schülerprojekten des Jüdisch-Arabischen Zentrums für Frieden in Givat Haviva
teilgenommen. Das Bildungszentrum auf dem Lande südöstlich von Haifa bringt
jährlich rund 25.000 Jugendliche mit völlig unterschiedlichem Background
zusammen. Neben dem Konflikt zwischen Juden und Palästinensern
beziehungsweise israelischen Arabern enthält das Programmangebot auch
Studien über den Holocaust oder die linksgerichtete Kibbutzbewegung, aus der
die Schulungsstätte 1949 hervorgegangen ist. Ebenso widmet man sich den
Problemen zwischen orthodoxen und weltlichen Juden innerhalb der
israelischen Gesellschaft.
Oberstes Lernziel bei allen
Projekten ist Toleranz. 'Wir wollen eine dialogbereite Generation schaffen',
heißt es im Programm. Dass dies zumeist gelingt, bestätigt auch die Araberin
Aschgan Biadseh, die heute in Tel Aviv Geographie und hebräische Literatur
für das Lehramt studiert: 'In Givat Haviva habe ich gelernt, anderen
zuzuhören, selbst wenn ich ihre Meinung nicht teile. Genau das will ich
eines Tages auch meinen Schülern beibringen.'
Wie verhärtet die Fronten
zwischen Juden und Palästinensern noch sind, ist im Umkreis von Givat Haviva
hautnah zu erfahren. Die so genannte Grüne Linie zwischen Israel und dem
besetzten Westjordanland ist nur wenige Kilometer entfernt. Die Gegend war
in den 80er Jahren eine Hochburg der Intifada, des Aufstands
palästinensischer Jugendlicher, und gilt noch heute als Stützpunkt radikaler
arabischer Gruppen, die den Friedensprozess mit Israel ablehnen.
Andererseits leben dort zahlreiche jüdische Siedler, die das Westjordanland
als ihr rechtmäßiges Eigentum beanspruchen.
Deutlich wird in der Region
auch die soziale Kluft zwischen Juden und israelischen Arabern. Letztere
machen knapp 20 Prozent der israelischen Bevölkerung aus, doch nach
Recherchen des Givat-Haviva-Dozenten Jair Baeuml gehören rund 60 Prozent von
ihnen den unteren sozialen Schichten an - gegenüber nur 15 Prozent der
Juden. Benachteiligungen für Araber gibt es in vielen Bereichen - auch im
Schulwesen, wo jüdische und arabische Kinder in der Regel getrennt
unterrichtet werden.
Präsentation auf der Expo
2000 / Hannover
Die Projekte des
Jüdisch-Arabischen Friedenszentrums für 13- bis 18-jährige Schüler sind auf
zwei Jahre angelegt, weil Misstrauen nur allmählich abgebaut werden kann.
Zunächst erarbeiten die Givat-Haviva-Dozenten mit den Lehrern an jüdischen
beziehungsweise arabischen Schulen spezielle Unterrichtseinheiten. Darin
werden die Jugendlichen dann behutsam auf die Begegnung mit der jeweils
anderen Gruppe vorbereitet.
Wie der Programmkoordinator
Danny Wieler erläutert, gilt es nicht zuletzt, das Täter-Opfer-Syndrom
abzubauen. Viele jüdische Schüler haben Verwandte in der Armee, die als
Zielgruppe palästinensischer Übergriffe gilt. Die arabischen Kinder wiederum
haben häufig Verwandte, die von israelischen Sicherheitskräften inhaftiert
wurden. Der Austausch von Familienerfahrungen ist deshalb ein fester
Bestandteil des Lernprogramms. Veränderungen im Denken werden dabei nur sehr
langsam bewirkt, doch stellt das Projekt wichtige Weichen für die Zukunft,
wie Wieler betont: 'Schwarzweiß-Konzepte werden abgebaut, das Feindbild wird
zumindest grau.'
Dieses Modell zur
Konfliktlösung eignet sich natürlich auch für andere Problembereiche. So war
unlängst eine Gruppe Jugendlicher aus Berlin in Givat Haviva, um an einer
Lerneinheit zum Zusammenleben von Deutschen und Ausländern teilzunehmen.
Lehrer aus Brandenburg und Berlin wiederum erörterten dort Probleme zwischen
Ost- und Westdeutschen. Ferner gibt es Projekte für Türken und Kurden oder
schwarze und weiße Südafrikaner. Zur Vorstellung ihrer Friedensarbeit wird
die Bildungsstätte im kommenden Jahr auch zur Expo 2000 nach Hannover
kommen.