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Die Aktionen am 12.11. scheinen eine
breite Basis zu haben:
Demonstration gegen
Fremdenfeindlichkeit
Die Demonstration gegen
Fremdenfeindlichkeit am kommenden Freitag in der Wiener Innenstadt soll
keine reine Anti-FPÖ-Aktion werden.
Im Januar 1993 zogen an die 300.000
Menschen mit Kerzen und Fackeln durch die Wiener Innenstadt. Sie
demonstrieren beim "Lichtermeer" für Solidarität, gegen
Fremdenfeindlichkeit, gegen das Ausländer-Volksbegehren der Freiheitlichen
Partei Haiders. Im November 1999 findet unter dem Motto "Keine Koalition mit
dem Rassismus" zahlreiche Vertreter verschiedenster Organisationen zusammen,
um erneut gegen das fremdenfeindliche Klima im Lande auf die Straße zu
gehen.
Datum:
12. November am Stephansplatz,
Wien.
Um 16 Uhr beginnt vor dem Parlament
eine Kundgebung anschliessend wird zum Stephansplatz Gewechselt, wo am 1.10
eine bis dahin beispiellose Wahlveranstaltung der FPÖ stattfand, in der
gegen Ausländer, Andersdenkende und "Kerzerlmarschierer" gehetzt wurde.
Der Wiener Wahlkampf der "Blauen"
Haiders mit Plakaten wie "Stop der Überfremdung" und "Stop dem
Asylmißbrauch" war für die Aktion SOS Mitmensch, die Israelitische
Kultusgemeinde, aber auch einzelnen Persönlichkeiten wie Elfriede Jelinek
oder Ex-SP-Minister Ferdinand Lacina Anlass genug, eine Anti-Haider-Aktion
aus der Taufe zu heben.
Ariel Muzicant, Präsident der
Israelitischen Kultusgemeinde, berichtete von Übergriffen und Drohschreiben.
Der Polizei liegt nach Angaben des Innenministeriums bis dato keine Anzeige
vor. Die Staatspolizei hat sich indessen mit 80 Drohbriefen, die ihnen
Muzicant übergeben hatte, beschäftigt.
Ergebnis: Sie enthalten keine
"strafrechtlich relevanten Sachverhalte"; 17 stammen von einem
"amtsbekannten Psychopathen"; zwei, drei andere hat ein "der Stapo bekannter
Entmündigter" geschrieben. Der Rest könnte "vielleicht antisemitisch
empfunden werden", ist es aber nach Stapo-Ansicht "keinesfalls". (Dennoch
wird sich die Staatsanwaltschaft damit beschäftigen).
Die ersten Ankündigungen der Demo
gingen denn auch manchen im "Mainstream" zu weit: Von einer Polarisierung
der anderen Art war die Rede. Es gehe den Veranstaltern nicht um Solidarität
und Auftreten gegen Rassismus, sondern nur darum, eine Regierungsbeteiligung
der Freiheitlichen zu verhindern. Vier Tage vor der großen Aktion haben die
Proponenten wohl eingesehen, dass die Veranstaltung mehr sein muss, als eine
reine Anti-Haider -Aktion. Eine breite Plattform wurde deshalb präsentiert.
Deren Vertreter waren bemüht zu betonen, dass am Freitag nicht Parteipolitik
im Vordergrund stehen, sondern einer negativen Stimmung in der Gesellschaft
begegnet werden soll.
"Dass sich eine kirchliche
Organisation beteiligt, ist neu. Aber wir waren gegen das
Ausländer-Volksbegehren und müssen Ende 1999 feststellen, dass viele der
damaligen Forderungen heute erfüllt sind", erläuterte Christian Friesl von
der Katholischen Aktion. Die Kirche wende sich an alle politisch
Verantwortlichen ungeachtet der Partei und an die Menschen, "damit eine
solidarische Gesellschaft wieder möglich wird". Bülent Öztöplü von Echo
(eine Vereinigung von Ausländern, die in zweiter Generation in Österreich
leben) will sich auch auf keine Partei festlegen: "Die ausländerfeindliche
Stimmung ist eine Entwicklung in der Gesellschaft, bei der alle Parteien
mitspielen."
Die Beteuerungen des Innenministers
Karl Schlögl, eine Nulleinwanderung erreicht zu haben, klingen vielen
Demonstranten von 1993 in den Ohren. Damals ging es um das
Ausländervolksbegehren der FPÖ, das zwar scheiterte, die Ziele des Begehrens
wurden jedoch seither in Österreich nach und nach zu Gesetz.
SOS Mitmensch-Sprecher Max Koch
argumentiert in diesem Sinne: "Die SPÖ hat 30 Jahre von Integration
gesprochen und nichts getan." Er betont zwar, nicht alle Haider-Wähler
hätten die Freiheitlichen wegen ihrer Ausländerposition gewählt , aber: "Man
muss ihnen vor Augen führen, was sie mitgewählt haben."
Schriftstellerin Elfriede Jelinek bleibt hart gegenüber Wählern von Haiders
FPÖ: "Ich wehre mich gegen Wähler einer rechtsextremen Partei. Das sind
nicht die Armen und die Ausgegrenzten. Sondern Leute, die ihren Reichtum
allein genießen wollen. Sie wollen sich keinesfalls stören lassen, von
Asylanten, Mindestrentnern und alleinerziehenden Müttern."
Nicht der Schein unzähliger Kerzen
taucht den Platz im Herzen Wiens in ein warmes Licht, sondern Tausende
kleine, pulsierende rote Fahrradrückleuchten werden die Fassade des
Haas-Hauses in eine einzige große Warnblinkanlage verwandeln. Der
Demonstrationszug gegen die Verhaiderung Österreichs findet seinen Höhepunkt
nicht mit friedlichem Kerzenschimmer, sondern im roten Blinklichtgewitter.
Die Veranstalter der Plattform Demokratische Offensive haben es so gewollt.
Nichts soll an diesem Abend dem legendären Lichtermeer gleichen, bei dem vor
mehr als sechs Jahren am Wiener Heldenplatz über 300.000 Menschen
zusammenkamen, um gegenFremdenfeindlichkeit, Rassismus und vor allem gegen
das "Österreich zuerst"-Volksbegehren der Freiheitlichen zu demonstrieren.
Die Initiatoren, die
Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch und der linke Kreis um Silvio
Lehmann und Doron Rabinovici (Papirnik, Auf der Suche nach M, Suhrkamp
Verlag) im Republikanischer Klub, das schon im Kampf gegen den vergesslichen
Präsidenten Kurt Waldheim Aufsehen erregte sind entschieden. "Die Politiker
brauchen wir diesmals nicht", lautete das Credo bei den ersten
Zusammenkünften der Organisationsplattform gleich nach der Parlamentswahl.
SOS-Mitmensch-Sprecher Max Koch: "Wir
sind da jetzt sehr allergisch. Wir wollen uns nicht mehr instrumentalisieren
lassen." Koch ging sogar so weit, zwei sozialdemokratische Politiker
öffentlich als personae non gratae zu brandmarken: Bundeskanzler Viktor
Klima und Innenminister Karl Schlögl. Doch die Abschottung gegen die Politik
scheitert schon im Vorfeld. Kaum wurde offiziell, wo und wann die Kundgebung
ihren Ausgang nehmen wird, begann ein regelrechtes Gerangel um
Auftrittsmöglichkeiten und Rederecht. Politiker aller Couleur, voran die
Sozialdemokraten, bemühten sich, einen prestigeträchtigen Auftritt als
Gastredner zu ergattern. Verkehrsminister Caspar Einem ließ persönlich
anfragen, wo und wann er sich einzufinden habe. Er erhielt zur Antwort, daß
es keine Sonderbehandlung gebe. Er könne sich, so wie alle anderen
Teilnehmer auch, mit seinem roten Blinklicht abends gegen sechs am
Stephansplatz einfinden. Die jüdische Gemeinde unterstützt die Ziele der
Demonstration, kein Repräsentant wird jedoch sprechen, da die Veranstaltung
am Shabbat stattfindet.
SLW
DER GEMÄLDEZYKLUS
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