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DER STANDARD
Mittwoch, 30. Juni 1999, Seite 39

Hubertus Czernins Offener Brief
an Österreichs Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer:
Ein beschämendes Schauspiel

Sehr geehrte Frau Bundesminister,

wir haben einander im vergangenen Jahr besser kennengelernt. Nicht nur aufgrund meiner journalistischen Tätigkeit, auch wegen Ihrer mehrfach bewiesenen Sympathie für jene verlegerischen Tätigkeiten, die ich gemeinsam mit Fritz Molden ausgeübt habe. Sie haben dabei meinen Eindruck bestärkt, daß Sie zu jenen seltenen Erscheinungen der Politik gehören, denen nicht der faule Kompromiß und die billige Lüge die Maxime Ihres politischen Handelns sind.

Ihre Entscheidung vor mehr als einem Jahr, die Archive öffnen zu lassen, um endlich Klarheit über das Ausmaß des NS-Kunstraubes, der "Arisierungen" jüdischen Eigentums und der Erpressungspraxis des Staates gegenüber Vertriebenen und Erben der Ermordeten zu verschaffen, war sogar ein Beweis für Mut und politische Klugheit. Sie haben sozusagen den Stier an den Hörnern gepackt, um endlich der Vergangenheit Herr zu werden, wohl wissend, daß Ihnen diese Entscheidung nur wenig Beifall bringen würde.

Aber nun das: Diese Entehrung Ihrer Prinzipien durch die Billigung der Empfehlung des Beirates gemäß Rückgabegesetz, den Erben nach Ferdinand Bloch-Bauer nicht das zurückzugeben, was dessen Eigentum war und diesen wieder gehören sollte. Der Beirat, dessen Zusammensetzung Sie mitzuverantworten haben, hat damit einer Familie (die viele Jahrzehnte bis zur ihrer Flucht in Wien gelebt und das Ansehen der Stadt gemehrt hat) zum drittenmal genommen, was sie in redlicher Arbeit erwirtschaftet hat. Ihrem Ministerium ist dazu nicht mehr eingefallen als der fast gleichgültig wirkende Satz: "Kulturministerin Gehrer hat der Empfehlung des Beirates entsprochen."

Diese Empfehlung ist ein Schlag gegen Gerechtigkeit und historische Wahrheit. Deshalb will ich Sie über die Hintergründe dieses Falls informieren, der mit Ihrer Entscheidung von Montag eine Affäre ist, die unter dem Namen der neuerlich Betrogenen in die Annalen eingehen wird: "Die Affäre Bloch-Bauer".

Was aber ist die Wahrheit?

Da Ihr Ministerium bisher nur eine knappe Meldung zur "Affäre Bloch-Bauer" veröffentlicht hat, kann ich diesen 34 Zeilen die Fakten nur gegenüberstellen. 1923 schrieb Adele Bloch-Bauer ein Testament, in dem sie ihren Mann bat, ihre zwei Porträts und vier Landschaftsbilder von Gustav Klimt der Österreichischen Galerie (ÖG) nach dessen Tod zu vermachen. Adele starb 1925. Ein Jahr später versprach der Witwer in der Erbserklärung, ihre Bitten "getreulich" zu erfüllen, auch wenn diese nicht "den zwingenden Charakter einer testamentarischen Verfügung" besäßen, wie es heißt. Angemerkt wurde, "daß die erwähnten Klimt-Bilder nicht Eigentum der Erblasserin, sondern des erblasserischen Witwers sind."

Eine Tatsachenbehauptung, die auch das den Nachlaß abwickelnde Bezirksgericht Innere Stadt nicht in Zweifel zog. Was macht Ihr Beirat daraus, Frau Bundesminister? Wörtlich heißt es in der Aussendung: "Der Familie Bloch-Bauer war es auch stets bewußt, daß diese Gemälde nach dem Wunsche von Adele Bloch-Bauer für die ÖG bestimmt waren. Dafür sprechen zahlreiche Indizien, wie etwa der Umstand, daß bereits im Jahre 1936 das Gemälde Schloß Kammer am Attersee von Ferdinand Bloch-Bauer der Österreichischen Galerie im Sinne dieses Wunsches als Widmung übergeben wurde."

Erkennen Sie, Frau Bundesminister, die Fallstricke, die Ihnen gelegt wurden? Sehen Sie die Lüge? Die Verdrehung der Wahrheit, weil Ferdinand und nicht Adele Bloch-Bauer Eigentümer der Klimt-Gemälde war? Natürlich, Adeles Wunsch war bekannt, aber seltsamerweise gibt es kein einziges Indiz dafür, daß die Schenkung von 1936 etwas mit ihrer Bitte zu tun hatte, wie Ihr Beirat Glauben machen will.

Eine glatte Lüge!

So kann nun eine Zeitung wie Die Presse wahrheitswidrig schreiben: "Seit Montag ist klargestellt, daß die Millionenbilder der österreichischen Öffentlichkeit gehört hatten, lange bevor die Nazis sie enteigneten." Diese Klarstellung ist eine glatte Lüge!

Wären Sie, Frau Minister, Ihrem Beirat nicht blindlings gefolgt, hätten Sie erkannt, daß die testamentarische Bitte anläßlich der Widmung von 1936 gar nicht erwähnt wird. Aus gutem Grund: Die ÖG war nie in Kenntnis der Bitte Adele Bloch-Bauers gesetzt worden. Auch das ist in den Akten festgehalten. Deshalb wird im Dankschreiben der damaligen ÖG-Direktion auf ein ganzes anderes Faktum verwiesen: Auf die Rückgabe eines anderen Klimt-Landschaftsgemäldes an einen Leihgeber einige Monate zuvor - die Galerie, so heißt es, habe bisher keinen Ersatz "beibringen" können.

Andere Indizien gibt es nicht, außer Ihr Beirat beruft sich auf einen überzeugten Nationalsozialisten, dessen Aussagen sich aber leicht falsifizieren lassen. Die Rede ist vom Leiter der ÖG, Bruno Grimschitz, der zuerst in der NS-Zeit drei der beschlagnahmten Gemälde "erworben" und dann im März 1948 behauptet hat, daß "Präsident Ferdinand Bloch-Bauer mich nach dem Tode seiner Gattin öfters ersuchte, die Bilder bis zu jenem Zeitpunkt behalten zu dürfen, zu dem die Galeriedirektion die Gemälde für eine Ausstellung unbedingt benötigen würde".

Wie soll das der Wahrheit entsprechen, wenn Grimschitz zu diesem Zeitpunkt gar nicht den Wortlaut des Testamentes kannte? Weshalb sollte Ferdinand Bloch-Bauer "ersuchen"? Entspricht diese Aussage, die offenbar Ihrem Beirat als Indiz dient, nicht eher dem nationalsozialisten Wunsch, daß der Jude Bloch-Bauer beim großen Galerie-Direktor betteln muß? Kommt es der Wahrheit nicht viel näher, daß Bloch-Bauer als Groß-Industrieller ein stadtbekannter Förderer der schönen Künste war und alles tat, aber sicherlich nicht betteln, wenn er schenken wollte?

Infame Indizien

Wenn das die Indizien Ihres Beirates sind, Frau Minister, dann sind diese nicht nur dürftig, sondern infam. Damit negiert der Beirat ein zentrales Faktum: Das Testament von Ferdinand Bloch-Bauer. In diesem sind die fünf Klimt-Gemälde, mit denen sich Österreich bereichert, mit keinem Wort erwähnt. So setzt damit Ihr Beirat jenen Weg fort, den die Nachkriegsbürokratie erfolgreich beschritten hat: Juden wird genommen. Als zweites Argument führt Ihr Beirat die Behauptung an, daß keines der Klimt-Gemälde nach dem Krieg "Gegenstand eines Rückstellungsverfahrens" gewesen sei. Auch das ist falsch. Wieder muß ich die Akten bemühen: Erstens hat Ferdinand Bloch-Bauer wenige Wochen vor seinem Tod im Schweizer Exil genaue Instruktionen für die Restitution seines Vermögens erteilt. Mit inbegriffen: "Meine Sammlung", und zwar ausnahmslos, ohne besondere Verfügungen für die Klimt-Bilder, die wie alle anderen Kunstwerke in der NS-Zeit enteignet worden waren. Auch der ÖG hatten sie zur Ausschmückung gedient - als Raubgut schon damals.

Zweitens haben die Erben selbstverständlich versucht, auch diese Gemälde zurückzuerhalten. Das erste Schreiben wurde noch zu Lebzeiten Bloch-Bauers abgefaßt. Ein zweites stammt vom 19. Jänner 1948 und war an die ÖG gerichtet - in Sachen Klimt. Dort brach Panik aus. Auch das ist aktenkundig, etwa wenn Garzarolli das Denkmalamt am 2. April 1948 um "verzögernde Behandlung" der Rückstellungsbegehren der Erben bittet, bis die Finanzprokuratur abgeklärt habe, wie an die Klimt-Gemälde unverdächtig heranzukommen sei. Und: Weshalb hätte der Bloch-Bauer-Anwalt um die Klimt-Bilder angefragt, wenn er davor vom alten Herren instruiert worden wäre, die Gemälde trotz NS-Raubes der ÖG zu widmen?

Vor den Gesetzen der Logik bricht deshalb die Argumentation Ihrer Berater, sehr geehrte Frau Minister, zusammen. Vielleicht können Sie mir deshalb zwei Fragen erklären: Weshalb haben Sie in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung festgehalten, daß der "Konnex" zwischen den Klimt-Widmungen und den Ausfuhrbewilligungen für die anderen Kunstwerke aus der Sammlung Bloch-Bauer "evident" sei? Daß also die Ausfuhr nur deshalb zugelassen worden sei, weil die Erben die Klimt-Bilder als Faustpfand gegeben hatten.

Worin liegt hier der Unterschied zu den Werken von Hals und Hobbema, die Sie den Rothschilds rückgestellt haben? Vor allem aber: Hat für jene 16 Klimt-Zeichnungen aus der Albertina, deren Restitution Sie nun verfügt haben, je selbst ein "Verfahren nach dem Ausfuhrverbotsgesetz" stattgefunden, das Ihr Beirat für die Rückgabe der Galerie-Gemälde als Voraussetzung verlangt? Oder wurden diese nicht auch dem Staat im Mai 1948 einfach "geschenkweise überlassen" - ohne reguläres Verfahren? Unter der Hand und unter Verzicht auf eine Restitutionsverfahren?

Der damalige Albertina-Leiter, Otto Benesch, formulierte dies so: "Ich betonte von Anbeginn, daß ich selbstverständlich die Ausfuhrbewilligung für sämtliche Objekte der Sammlung Bloch-Bauer uneingeschränkt gebe. (...) Ich bat jedoch, daß der Albertina von den ziemlich gleichartigen Blättern 16 als Stiftung und in Anerkennung unserer Liberalität bezüglich der Ausfuhr überlassen werden möchten. Dies wurde mir zugesagt."

Auch wegen dieser Aussage spreche ich dem Beirat jede Redlichkeit ab. Er hat Recht gebeugt, und die Moral, die ihm Maßstab sein sollte, in Schmutz gezogen. Er ist, was die Klimt-Zeichnungen betrifft, nur deshalb so großzügig, weil deren Rückgabe das kleinere Übel ist. Weil diese nur einen Bruchteil jenes Wertes darstellen, den die fünf Klimt-Gemälde repräsentieren. Das macht das Schauspiel noch beschämender.

Kurzer Prozeß

Natürlich gibt es Zweifel an manchen Fakten, weil Dokumente verloren gegangen sind. Im Zweifel für die Opfer und nicht schon wieder für den Staat, hätte aber Ihre Entscheidung lauten müssen. Außerdem: Das Verfahren widerspricht den Grundsätzen von Gerechtigkeit und Recht. Die Rückstellungswerber haben keine Parteienrechte. Sie werden nicht gehört. Allenfalls werden ihre schriftlichen Eingaben gnadenhalber behandelt. Man täuscht Freundlichkeit vor - und macht dann doch, was man will, eben kurzen Prozeß. Rechtstaatlichkeit ist da keine zu erkennen. Sie werden daher verstehen, daß manche dieses Affäre nicht ruhen lassen können.

Vielleicht erinnern Sie sich an jenen März-Tag, als Maria Altmann, die letzte lebende Nichte der Bloch-Bauers, Sie besucht hat. Sie war so glücklich nach dem Gespräch, weil Sie sie im Glauben ließen, daß Österreich anders geworden sei. Ich bin gespannt, wie Sie ihr jetzt erklären wollen, weshalb Österreich doch nach wie vor so ist, wie es in diesem Jahrhundert meistens war: bürokratisch, bösartig und judenfeindlich. Gestatten Sie meine Deutlichkeit. Aber Sie haben viel wiedergutzumachen.

Hochachtungsvoll,
Hubertus Czernin

P. S. Meinen Antrag auf Förderung der nächsten zwei Bände der Bibliothek des Raubes, in der bisher die Fälle Thorsch und Rothschild aufbereitet wurden, ziehe ich auf diesem Weg formlos zurück. Es wäre kein gutes Geld gewesen.

haGalil onLine - 07-99

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