Hamburg - Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz
Bubis, hat sich enttäuscht über seine bisher siebenjährige Amtszeit
geäußert. Der 72jährige sagte: "Ich habe nichts, oder fast nichts bewirkt.
Ich wollte diese Ausgrenzerei - hier Deutsche, dort Juden - weghaben. Ich
habe gedacht, vielleicht schaffst du es, daß die Menschen anders
übereinander denken, anders miteinander umgehen. Aber nein, ich habe fast
nichts bewegt. Die Mehrheit hat nicht einmal kapiert, worum es mir ging."
Bubis bestritt zugleich, amtsmüde zu sein. Derzeit spreche nichts gegen eine
erneute Kandidatur im Januar 2000.
Jüdische und nicht-jüdische Deutsche seien einander fremd geblieben,
beklagte er im STERN. Mit Blick auf die deutsche Bevölkerung kritisierte
Bubis, im öffentlichen Bewußtsein sei die Verantwortung für Auschwitz
nicht verankert. "Jeder in Deutschland fühlt sich verantwortlich für
Schiller, für Goethe und für Beethoven, aber keiner für Himmler."
Solange das deutsche Grundgesetz seinen Vorstellungen entspreche,
bleibe er deutscher Staatsbürger, sagte Bubis weiter. Er wolle aber in
Israel beerdigt werden, da die Gefahr, daß die Würde der Toten verletzt
werde, in Deutschland leider immer noch sehr groß sei.
"Ich will nicht, daß mein Grab in die Luft gesprengt wird wie das von
Heinz Galinski." Im vergangenen Jahr war zweimal innerhalb weniger
Monate ein Anschlag auf die Grabstätte des früheren Vorsitzenden des
Zentralrates der Juden,
Galinski, in Berlin verübt worden. Seinem Vorgänger sei er
heute näher - "auch was das Verbittertsein anbetrifft".
Der deutschen Politik warf der 72jährige vor, sie habe zu wenig für das
Geschichtsbewußtsein getan. Im Zusammenhang mit der deutschen Einheit
habe er sich vergeblich bemüht, daß die Zeit des Nationalsozialismus als
Teil deutscher Geschichte im Einigungsvertrag oder im Grundgesetz
verankert werde. Er sei auf taube Ohren gestoßen bei Wolfgang Schäuble
und auch bei der damaligen Opposition. Bubis gehört der FDP an. Im
September 1992 war er zum Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in
Deutschland gewählt worden. Diese Position wurde bei seiner Wiederwahl
1997 in das Amt des Präsidenten umgewandelt.