Extrem destruktiv:
Der Konflikt zwischen orthodoxen und liberalen Juden
Israelis leben (auch ohne den Konflikt mit den Arabern) in ständigem Streit
miteinander. Die im Sprichwort von den zwei Juden - mit mindestens drei
verschiedenen Meinungen - zum Ausdruck gebrachte Ironie vermag nicht mehr
darüber hinwegtrösten, dass zwischen den verschiedenen Gruppen kaum
überbrückbare Gräben klaffen. Der seit Gründung des jüdischen Staates
schwelende Streit zwischen orthodoxen und weltlich-liberalen Juden ist nur
der deutlichste dieser Konflikte, der mit Rabins Ermordung durch einen
jüdischen Nationalfundamentalisten vollends aufbrach. Es bezeichnen sich
zwar weniger als 20% der israelischen Staatsbürger als orthodox und
nationalistisch, diese Gruppe tritt aber durch immer weiter zunehmende
Aggressivität und Kompromisslosigkeit in Erscheinung.
Daß der Einfluss der religiösen Nationalisten im neuen Parlament
kleiner wird, ist nicht anzunehmen. Die Reaktionen auf
höchstrichterliche Entscheidungen in jüngster Zeit zeigten eine enorme
Politisierung und eine wachsende Mobilisierungsbereitschaft dieser
Gruppe. Entscheidungen, wie die Aufhebung der grundsätzlichen Befreiung
vom Militärdienst für die Schüler der Jeschiwoth, die Berufung von
Frauen bzw. von Vertretern nicht-orthodoxer Richtungen in die kommunalen
Religionsbeiräte oder die Versuche zur Einschränkung des Monopols für
Begräbnisse, Eheschliessungen und Scheidungen, stiessen auf erbitterten
und gewaltbereiten Widerstand. Bei einer Großkundgebung gegen
Entscheidungen des obersten Gerichtshofes gingen im Februar in Jerusalem
über 200.000 Menschen auf die Straße. Angeheizt wurde der Konflikt noch
durch die Verurteilung des damaligen Vorsitzenden der
sefardisch-orthodoxen Schas-Partei, Arie Deri, wegen Korruption und
Betrugs. Deris Anhänger sahen in dem Urteil einen Bewis für die
Diskriminierung der Sefarden und die Verfolgung der Religiösen im Staate
Israel. Die Richter erhielten Morddrohungen.
In der Direktwahl des Ministerpräsidenten entschieden sich die
meisten der nationalen Fundamentalisten für Netanjahu. Barak bezeichnete
sie vor den Wahlen als Extremisten. Er dürfte damit endgültig jede Gunst
verspielt haben, die der höchstausgezeichnete Kämpfer der israelischen
Verteidigungsarmee in diesen Kreisen ohnehin nie besaß.
In der letzten Woche begannen Baraks Koalitionsverhandlungen mit
den SchaS (Sephard. Torahhüter). Die ShaS, heute die stärkste religiöse
Kraft, bezieht ihr Wählerpotential (seit der Abspaltung von der Agudath
Jisrael) aus der orientalisch-orthodoxen (v.a. marokkanisch-stämmigen)
Bevölkerung. SchaS kämpft gegen die soziale Benachteiligung
orientalischer Juden.
Ursprünglich wurde das Innenministerium gefordert, welches aber
Barak schon vor der Wahl den Vertretern der russischen Einwanderer
versprochen hatte. Barak hatte erklärt, gerade dieses Ministerium sei
nicht für eine SchaS-Besetzung geeignet, das diese als Torhüter über die
Einwanderung ungeeignet sei. Alternativ verlangt die ShaS-Partei nun
(neben weiteren Ministerien) das Finanzministerium. Hauptziel ist die
weitere Förderung des vom Staat unbeeinflussten ShaS-Bildungssystems.
Die Fiedens- und Siedlungspolitik dürfte unter diesen Vorraussetzungen
den geringsten Streitpunkt darstellen: Die ShaS setzt sich nicht für
eine Ausbreitung der Siedlungspolitik ein.
Die geistige Symbolfigur der ShaS, der Rishon leZion, Raw
Owadjah Yosef zählt gewiss nicht zu den Falken. Die Friedenbereitschaft
führte schon Anfang der 90er Jahre zu einem partei-internen Dilemma.
Während der Regierungszeit Jizhak Rabins (Awodah/MeReZ...) entschied
sich die ShaS für die Friedenspolitik. Eine Entscheidung die viele
Wähler auf der rechten Seite des ShaS-Spektrums ablehnten. In der
Koalition mit dem Likud stand ShaS immer wieder vor der Entscheidung
zwischen pragmatischer Sozialpolitik und der vom Likud verlangten harten
Haltung gegenüber den Palästinensern. Als Netanjahu mit der Öffnung
eines Tunnels am Tempelberg in Jerusalem Unruhen auslöste bezeichnete
ihn der Rishon leZion knapp als 'Verrückten'.
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Sonntag 13-06-99 |