Mit einer grossen
Festveranstaltung im Wiener Burgtheater feierte die
Israelitische Kultusgemeinde Wien letzten Sonntag
den 150. Jahrestag ihrer erstmaligen Bezeichnung als
solche durch den im Zuge der gescheiterten
bürgerlichen Revolution von 1848 inthronisierten
Habsburger-Kaiser Franz Joseph I.
Die Schar hunderter prominenter Gäste aus allen Bereichen des
gesellschaftlichen Lebens wurde von der österreichischen Staatsspitze
angeführt: Bundespräsident Thomas Klestil machte der IKG zum Jubiläum ebenso
seine Aufwartung wie Bundeskanzler Viktor Klima, Nationalratspräsident Heinz
Fischer und Bürgermeister Michael Häupl. Die Botschaft Israels wurde durch
den Gesandten Ilan Ben-Dov, der selbst seine Wurzeln in Wien hat, vertreten.
In seiner Ansprache führte IKG-Präsident Ariel Muzicant das
tausendjährige wechselhafte jüdische Schicksal in Österreich und die fast
vollständige Vernichtung allen jüdischen Lebens in der Schoah an. Die
heutige jüdische Gemeinde wäre durch Abwanderung einerseits und fehlendem
Zuwachs andererseits bedroht. Deshalb, so Muzicant unter Bezugnahme auf
entsprechende restriktive österreichische Regelungen, wäre eine Änderung der
Einwanderungspolitik auch für die Zukunft der jüdischen Gemeinde wichtig.
Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg erwähnte die offenen Wunden der Schoah und
zitierte Oberrabbiner Mannheimer, der bei seiner Grabrede anläßlich der
gemeinsamen Bestattung der beiden jüdischen Opfer der Revolution von 1848
mit den nichtjüdischen Opfern vom bis in die Gegenwart unerfüllt gebliebenen
jüdische Bestreben gegenüber der nichtjüdischen Mehrheit sprach, mit diesen
leben zu können, "auf einer Erde, frei und unbekümmert wie diese".
Der Bruch jüdischen Lebens in Wien durch die nationalsozialistische
Vernichtungspolitik wurde auch im darauffolgenden Programm deutlich:
Schriftsteller und Schauspieler von heute rezitierten großteils Texte aus
der Zeit des Fin de Sieclé bis 1938, dem Jahr des Anschlusses Österreichs an
das Deutsche Reich. Der Beitrag der Juden zum kulturellen und politischen
Leben bis in die 70er Jahre dieses Jahrhunderts wurde durch eine Fotomontage
mit 91 bedeutenden Persönlichkeiten jüdischer Abstammung im Hintergrund
demonstriert. Herzl, Freud, Mahler,Werfel, Kraus, Adler, Jungk, Zweig,
Schönberg, Wittgenstein und Kreisky stehen für jenes intellektuelle
Potential, dem in Wien statt Anerkennung und Respekt stets Missgunst, Neid
und Ablehnung entgegengebracht wurde, zum Teil heute noch wird.