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Politik:
Ein kleiner Ausflug nach Betlehem

Am letzten Samstag im Februar bin ich mit einem Trupp Journalisten mit Gush Shalom (Friedens-Block) in die Region Betlehem gefahren. Um zehn am Morgen haben wir uns am Bahnhof getroffen. Schon dorthin zu kommen, stellt am Morgen des Shabat ein ziemliches Hindernis, das sich nur mit dem Taxi bewältigen läßt, da keine Busse fahren. Mit ungefähr 50 Leuten ging es los, darunter Uri Avnery, dem wohl bekanntesten Friedensaktivisten Israels.

Auf dem Weg dorthin hatte ich ein ziemlich interessantes Gespräch, ob man die Situation heute in Israel mit einer neun-Parteien-Regierung mit der Weimarer Republik vergleichen kann, darf oder soll. Ganz offen wurde ich befragt, was mir zur hiesigen Situation so einfällt. Das wird man hier nicht selten gefragt, aber normalerweise empfiehlt es der Verstand, eigentlich nichts zu sagen und ausschließlich Fragen zu stellen. Aber im Kreis dieser Leute, die sogar Jerusalem als die Hauptstadt zweier Staaten akzeptieren würden, schien das etwas anders zu sein. So verging die Zeit bis zur Ankunft in Betlehem wie im Flug. Dort hat uns ein Mitglied des Palästinensischen Parlaments gezeigt, was die Siedler in der letzten Zeit so angestellt haben: Erweiterungen, neue Straßen, um die Siedlungen zu verbinden (Bypass-Roads), natürlich mitten durch Plantagen und Felder der Palästinenser. Die Wut vieler Araber wird recht verständlich, wenn man erfährt, daß Siedler erst vor kurzem, schwer bewaffnet und mit Bulldozern kamen, um Jahrhunderte alte Olivenbäume einfach umzuhauen.

Bei einem Stop auf einem die Gegend überblickenden Hügel teilte uns Salah Ta´Amri mit, daß sich beim Herodion Siedler gerade mit Palästinensern anlegen würden, die dort ihre Olivenbäume pflanzen wollen. Wir sind dann dorthin und sahen, wie die Armee die Siedler verteidigt. Die Armee ist beauftragt die Siedler zu beschützen, da die Regierung die Siedlungen toleriert, sogar dann, wenn die Siedler illegal Land besetzen. Der Kampf um die Felder gehört für die Leute dort leider zum Alltag. Ich erfahre, dass fast alle Siedler fundamentalistische Amerikaner seien, die erst in letzter Zeit kamen, sozusagen in der Annahme, die Geschichte der Siedlungen könne bald vorbei sein...

Besagte Siedlung war erst vor zwei Monaten provisorisch erbaut worden, kurz nach dem Whye-Agreement. Am nächsten Morgen konnte ich ein Bild auf der ersten Seite der Ha´Aretz (der englischen Ausgabe) sehen, daß ungefähr fünf Meter neben mir aufgenommen worden war. Es zeigte einen am Boden liegenden alten Mann und einen anderen, der Zeichen machte und um Hilfe rief. Die Beschreibung paßte zwar nicht ganz, denn die "100 peace activists" kamen spontan, nur um schlimmeres zu verhindern. Zum Glück hatte sich der 90jährige Mann bald wieder erholt. Auch solche Bilder gehören zu Israel, beziehungsweise zur Unterdrückung in den besetzten Gebieten. Man muß auch diese kennen, um die stete Nahrung des Hasses - auf beiden Seiten - zu verstehen. Die Fundamentalisten werden auf beiden Seiten alles andere als weniger.

Politik und Wahlen

Am 17.Mai wird in Israel gewählt. Der Wahlkampf kommt langsam in Gang. Auf Säulen und Mittelstreifen sieht man schon die Plakate, und schon vor einem Monat trugen alle Busse in Tel Aviv Premier-Minister Netanjahu mit dem Slogan "A strong leader for a strong country" durch's Land. Speziell dieser Spruch hat zu einiger Diskussion geführt. Mit ein paar Gesprächen wurde mir die hiesige politische Situation sehr deutlich vor Augen geführt: Unter anderem meinte eine jüngere Lehrerin an meiner Schule, daß sie, wenn sich die politischen Verhältnisse nicht ändern, sich ernsthaft Gedanken machen muß, wohin sie auswandern will. Das liegt im Trend, denn 1998 sind mehr Leute aus Israel aus- als eingewandert. Genaue Zahlen gibt die Regierung allerdings nur für die Einwanderung bekannt.

Die politische Streitkultur kann man hier auch nicht als besonders entwickelt betrachten. Nicht nur in der Knesset, dem israelischen Parlament, sondern auch sonst brüllen sich politische Gegner bevorzugt nieder. Grundsätzlich fällt auf, saß Israelis scheinbar davon ausgehen, daß Hebräisch vor allen Dingen laut gesprochen werden muß. Ob auf der Strasse oder in der Knesset, der Gegner wird mit möglichst voller Lautstärke angeschrien. Wenn man diese israelische Eigenart nicht kennt, ist man erst mal recht verdutzt. Ausreden lassen oder gar zuhören scheint nicht zur Mentalität zu passen.

Zur Demokratie gibt es je nach Herkunftsland unterschiedliche Vorstellungen. Die zionistischen Einwanderer aus Europa und Ben Gurion wollten eine strikte Trennung von Religion und Staat und eine demokratische Struktur nach amerikanischem Vorbild. Die Einwanderer aus den arabischen Staaten, Äthiopien oder Rußland haben einen anderen Bezug, sie haben mit dem demokratischen System erstmals in Israel Kontakt bekommen. Speziell die Russen integrieren sich schlecht in die israelische Gesellschaft und wohnen in vielen Städten und Orten fast nur unter sich. Das zeigen auch die russischen Parteien, die sich etablieren. Einer der Führer einer solchen Partei meinte vor kurzem, daß ihm ein Präsidialsystem wie in Rußland am liebsten wäre, denn hier würde einfach ein starker Mann, wie damals Breschnew, fehlen. Solche Aussagen vergrößert die Kluft zwischen den "Israelis" und den "Neu-Eingewanderten" natürlich nur.

Der zweite schwelende Konflikt in Israel betrifft den Einfluß der Religiösen, vor allem der Orthodoxen, auf den Staat. Diese verhindern zum Beispiel nach wie vor, daß am Shabbat (Samstag) Busse in den meisten Städten fahren dürfen. Das hat zur Folge, daß es sehr teuer wird,sich hier Samstags fortzubewegen, wenn man kein Auto hat. Die sozial schwachen werden damit grob in ihren Freiheitsrechten beschnitten.

Die wildesten Spekulationen laufen schon darüber, was passiert, wenn erst der äußere Feind - die Araber - und damit das Feindbild ganzer Generationen verschwindet. Auf diesen Machtkampf darf man gespannt sein, denn das wird die Gemüter weiter zerreißen als alles bisher bekannte....

Tobias, Tel Aviv

17.Mai 1999

Menschen die sich begegnen

haGalil onLine - Freitag 09-04-99

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