Mit großer Bestürztheit und tiefer Trauer
haben wir, die Freunde und Verehrer, vom Ableben unseres viel geschätzten
Rabbiners Pinchas Paul Biberfeld erfahren.
Pinchas Paul Biberfeld
(Berlin um 1928; dritter von rechts)
(c) Dokumentations-Archiv, Chaim Frank |
Am 31. Oktober 1915 wurde Pinchas Paul im
Hause Biberfeld zu Berlin geboren. Der Vater, der bedeutende Dr. Chaim
Eduard Biberfeld, war Rabbiner, Talmud-Gelehrter und Arzt, und gehörte
zu den Mitbegründern der deutschen Agudas Isroel-Bewegung.
Pinchas Paul wuchs also in einer g’tesfürchtigen, von Tora und Liebe
geistig geprägten Atmosphäre auf, in der sich sein späterer Werdegang,
natürlich als Rabbiner und Lehrer, nachhaltig abzeichnete.
Rabbiner Pinchas Paul Biberfeld war, neben Talmud und Tora, ein überaus
gebildeter Meister, der sich in weltlichen Fragen ebenso auskannte, wie
auf dem Gebiet des Schöngeistigen, wie etwa Literatur, Kunst und Kultur.
Davon abgesehen war Rabbiner Biberfeld ein wortgewandter und geistvoller
Redner, der jeden sogleich durch seinen Geistesblitz und Witz in den
Bann zog. |
Mit großem Eifer und Bravour absolvierte er das berühmte
Rabbiner-Seminar des Elieser Hildesheimer zu Berlin, wo er 1938 durch
den damaligen Rektor, den viel gerühmten Rabbiner Dr. Jechiel Weinberg,
seine Smicha bekam. Nach der Machtergreifung Hitlers und dem kollektiven
Wegsehen der nichtjüdischen Gesellschaft begann für viele Juden ein
unerträglicher Leidensweg, auch für die Familie Biberfeld, die bis zu
ihrer Emigration im Jahre 1939, nach Palästina, viel zu erdulden hatte.
In Erez Israel, wo noch im gleichen jahr der geliebte Vater starb,
setzte Pinchas Paul Biberfeld seine talmudischen Studien in den
anerkannten Jeschivot, Kol Tora und
Hebron, fort. Wenig später heiratete er in Jerusalem die Tochter des
Rabbiner Zwi Arje Twerski s.A., jenes Rabbiners von Zlotopoly, der aus
der hochgeachteten Dynastie zu Rizschin gehörte. Die Akzeptanz eines
‘Jeken‘, wie die deutschen Juden genannt wurden, darf als eine gewisse
Auszeichnung für die Persönlichkeit des jungen Pinchas Paul Biberfeld
betrachtet werden.
Titelblatt von haNe'eman |
In Tel Aviv gründete Rabbiner Biberfeld
bereits in den frühen fünfziger Jahren die Schule Kolel
Zlatopoly-Czortkow, für junge, überaus begabte Studierende, die ihr
Leben einzig und allein dem Talmud-Studium widmeten. Die Schule leitete
er rund dreißig Jahre lang und gab ferner noch die talmudischen
Informationen HaNe‘eman heraus, die er gleichzeitig auch
redigierte. Die religiöse Schriftenreihe besaß hohes Niveau, vor allem
daher, weil bedeutende und viel gerühmte talmudische Gelehrte, wie etwa
der »Chason Isch«, »Brisker Rav« und andere darin ihre Responsa
veröffentlicht hatten. 1982 wurde Rabbiner Biberfeld,
als Nachfolger von Rabbiner Hans Isaak Grünewald (der ebenfalls kürzlich
in London verstarb), nach München berufen. In seiner Einführungsrede
sagte der damalige Gemeindepräsident, Dr. Hans Lamm, u.a.: »Sie,
verehrter Herr Rabbiner, treten in eine Reihe erlauchter Lehrer und
Diener unserer Gemeinde ein. Diese Tradition werden Sie mit neuem Leben
erfüllen: die Tradition des Forschens und Lehrens. Sie werden auch
mitwirken in der vielfältigen kulturellen Renaissance, nach der wir uns
sehnen. (...) Dafür sind wir Ihnen verpflichtet und dankbar.« |
Diese Tradition, aber auch die ‘kulturelle Renaissance‘, von der
Dr. Lamm sprach, füllte ‘unser Rav‘ mit seinem Geist und seiner
Persönlichkeit vollkommen aus. Noch gerne erinnert man sich an Gespräche
mit ihm, an seine Ansprachen, an seine Lehrstunden – ob sie nun
in der Synagoge, im Jugendzentrum der IKG oder in seiner gemütlichen
Wohnung in München stattfanden. Die Freitag-Abende, die
Schabbat-Nachmittage, die hohen Fest und Feiertage, die man bei ihm oder
gemeinsam mit seiner Familie verbringen durfte waren wunderbare und
lehrreiche Ereignisse für jedermann und werden nachhaltig für viele
unvergessen bleiben.
Immer hatte er ein Ohr für jeden – und seine gastfreundlich und
zugänglich Art im Umgang mit Menschen, bleiben ebenfalls unvergeßlich,
vor allem in verschiedenen Anekdoten, die sich Freunde und Bekannte über
Rabbi Biberfeld zu erzählen wußten. Seine Persönlichkeit, sein
Charakterzug und sein wertvoller Rat – und seine hilfreiche Taten! –
brachten ihm große Sympathie bei allen Menschen entgegen.
Ab 1990, nach dem Rabbiner Jizchak Ehrenberg das Amt des
Gemeinderabbiners in München übernahm, setzte sich Rabbiner Biberfeld
aber noch lange nicht zur Ruhe. Zu viele Menschen bedrängten ihn: sei es
um Rat und Tat, sei es wegen Vorträgen und Einführungen zum Judentum –
und davon abgesehen waren seine Schiurim ein wichtiger Bestandteil
innerhalb der jüdischen Gemeinde.
In den letzten zwei Jahren verschlechterte sich der
gesundheitliche Zustand, und auch eine Operation führte nicht zur
erhofften Linderung. Schließlich, zur Jahreshälfte 1998 trat eine
Verschlimmerung seines Zustandes auf, so daß sich sein Sohn, ebenfalls
ein anerkannter Rabbiner, entschloß den Vater zu sich nach London zu
holen.
Wir, die ‘unseren Rav‘, Pinchas Paul
Biberfeld, sehr gut kannten, ihn überaus verehrten und viele Stunden bei
und mit ihm verbringen durften, können es immer noch nicht fassen, daß
er – unser geistiger Meister – von uns gegangen ist.
Zu viele Dinge wollten wir noch von ihm wissen – zu viele Fragen liegen
uns noch auf dem Herzen, die wir von ihm, mit seiner bedächtig sonoren
Stimme gepaart mit scharfem Geist, beantwortet haben wollten.
Inzwischen wurden, seinem Wunsch entsprechend, die sterblichen
Überreste nach Israel überführt, wo – wie wir vernahmen – die Lewaje
ersten halt in Tel Aviv machte und ein beachtlicher Anteil rabbinischer
Persönlichkeiten ihm die letzte Ehre erwies. Am Ölberg zu Jerusalem fand
die Beerdigung statt und in den Trauerreden wurden seine reichhaltigen
Verdienste gewürdigt. |
Cover zum Buch
(c) Dokumentations-Archiv
Chaim Frank |
Es war ein interessantes und segensreiches Leben, welches den
Namen Pinchas Paul Biberfeld trug und sich zwischen 1915 und 1999
spannte. Für alle, die ihn kannten, wird er ein unvergeßlicher Mensch,
Lehrer und Meister bleiben; und, wir werden seine Worte in unseren
Herzen als wertvollen Ojzer für immer behalten.
Es ist nur schade, daß Rabbiner Biberfeld sein Vermächtnis, das
er schriftlich und gesprochen uns hinterließ, und bald in dem Buch:
»Rabbiner Pinchas Paul Biberfeld – Erinnerungen, Biographische Notizen,
Kommentare und Anekdoten« erscheinen soll, nicht mehr erleben
konnte. Das Manuskript liegt bereits vollständig vor, doch es fehlen
alleine noch die entscheidenden finanziellen Mittel, um es zu
verwirklichen. Um so mehr hoffen wir aber auf Spender und Gönner, die es
uns ermöglichen das vorhandene Manuskript als Buch, im Sinne unseres
Rabbiners, herauszugeben.
Chaim Frank, München, den 1. Februar 1999
© Chaim Frank (Dokumentations-Archiv,
München)
Eines der letzten
Interviews mit Raw P. Biberfeld
haGalil onLine - Mittwoch 10-02-99 |