Wilna -Bereits
zum zweitenmal in dieser Woche ist in Litauen ein Prozeß gegen einen
mutmaßlichen NS-Verbrecher verschoben worden. Der 91jährige Aleksandras
Lileikis, der von 1941 bis 1944 unter deutscher Besatzung Chef der
Sicherheitspolizei in der Hauptstadt Wilna war und für den Tod zahlreicher
Juden verantwortlich gemacht wird, erschien am Donnerstag nicht im Gericht.
Nach Angaben seiner Anwälte ist er zu krank, um dem Prozeß beizuwohnen. Am
Freitag wird über die neuerliche Einsetzung einer Ärztekommission vom
Gericht entschieden.
Der in Wilna weilende Leiter des Wiesenthal Centers in Jerusalem Efriam
Zuroff wirft den litauischen Behörden vor, die Verfahren zu
verschleppen. Zuroff wurde im Gerichtssaal von einem anwesenden
Ultranationalisten verbal attackiert. Der Mann verlangte, Zuroff möge
sich dafür entschuldigen, Litauer kollektiv als Judenmörder bezeichnet
zu haben. Zuroff tat dies jedoch nie, wie er betont. Der anwesende
Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Wilna, simon Alperovic machte den
erhitzten Angreifer darauf aufmerksam, daß er dies in allen Zeitungen
Litauens nachlesen könne.
Die Stimme der Vernuft scheint leise in Wilna, wenn es um die
Verstrickungen der Nazikollaborateure geht.