Pressemitteilung, Berlin, 6. 1. 99
19 JOURNALISTINNEN UND JOURNALISTEN ERMORDET
93 INHAFTIERT, HUNDERTE VON UEBERGRIFFEN
Reporter ohne Grenzen zieht Bilanz
fuer 1998
Im vergangenen Jahr wurden 19 Journalistinnen und
Journalisten in 14 Laendern bei der Ausuebung ihres Berufes oder wegen ihrer
Veroeffentlichungen getoetet. Am 31. Dezember 1998 sassen weltweit 93
Journalisten im Gefaengnis.
Reporter ohne Grenzen, internationale
Menschenrechtsorganisation zur Verteidigung der Pressefreiheit, zaehlte
ausserdem 487 Verhaftungen, 697 Drohungen oder Angriffe auf Journalisten und
501 Faelle von Zensur gegen Medien.
Das Menschenrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit ist in
65 Laendern durch staatliche Kontrolle der Medien massiv eingeschraenkt,
rund 30 Staaten mit ueber 2 Milliarden Einwohnern missachten es
vollkommen. Die von Reporter ohne Grenzen ermittelte Zahl von 19
Ermordeten (gegenueber 26 im vorangegangenen Jahr) bezieht sich
ausschliesslich auf solche Faelle, in denen die Verbindung zur
journalistischen Arbeit der Opfer zweifelsfrei feststeht und weicht
deshalb von den Veroeffentlichungen anderer Organisationen ab.
Der haeufigste Grund fuer Anschlaege auf Journalisten waren
deren Recherchen zu Faellen von Korruption oder Verbindungen zwischen
Regierungsbehoerden und kriminellen Organisationen. Allein in
Kolumbien gab es vier Morde mit einem solchen Hintergrund - so
viele wie in keinem anderen Land der Welt.
Larissa Judina
Ein weiteres Beispiel ist der Tod von Larissa Judina,
Chefredakteurin der Tageszeitung Sowietskaja Kalmykia in Elista
(Hauptstadt der russischen Republik Kalmykien). Unbekannte hatten ihr am
7. Juni ein naechtliches Treffen zur Uebergabe von Material ueber die
Unterschlagung oeffentlicher Mittel angeboten, in die auch der
kalmykische Praesident Iljumschinow verwickelt gewesen sein soll. Am Tag
darauf fand man Larissa Judinas Leiche.
Nizar Nayouf - Win Tin
Die Zahl von 93 inhaftierten Journalisten ist im Vergleich zum
Vorjahr (90) annaehernd gleich geblieben. In Aethiopien
sitzen 15, in
China 14, in Syrien zehn und in
Birma
sieben Journalisten hinter Gittern. Die Haftbedingungen sind oft
unvorstellbar schlecht; der syrische Autor Nizar Nayouf, Traeger des
Menschenrechtspreises 1998 von Reporter ohne Grenzen, ist seit Jahren
Opfer absoluter Isolationshaft. Dem 1992 zu zehn Jahren Gefaengnis
Verurteilten wird die aerztliche Behandlung seiner lebensbedrohenden
Krebserkrankung verweigert. Der birmesische Journalist Win Tin,
ebenfalls zu zehn Jahren Haft verurteilt, wurde wochenlang in einen
Hundekaefig gesperrt.
Die Tuerkei blieb das Land mit den haeufigsten
Uebergriffen auf Medien und ihre Mitarbeiter. 260 Journalistinnen und
Journalisten wurden verhaftet. Zudem wurden 60 taetliche Angriffe und
zehn Faelle von Folter bekannt; fuer mehr als drei Viertel dieser
Vorfaelle ist die Polizei verantwortlich.
In vielen Laendern haben sich die Arbeitsbedingungen fuer
Journalisten verschlechtert. Die Regierung von Slobodan Milosevic in
Jugoslawien
nahm die drohenden NATO-Luftangriffe zum Vorwand fuer eine Kampagne gegen
unabhaengige Medien, in deren Verlauf drei Tageszeitungen und zwei
Rundfunksender geschlossen und ein restriktives Pressegesetz erlassen
wurde. In Kuba, wo derzeit drei Journalisten inhaftiert
sind, stehen die kleinen, unabhaengigen Nachrichtenbueros unter
unvermindertem Druck der Behoerden. In der Demokratischen Republik
Kongo
setzt sich die Welle von Verhaftungen fort. In Pakistan
geraet die unabhaengige Presse immer mehr zwischen die Fronten der
Taliban-Milizen im Norden des Landes und einem zunehmend
radikal-islamistischen Regime. Im Iran werden kritische
Stimmen durch Entfuehrung und Mord zum Schweigen gebracht.
Die im Vergleich zu den letzten Jahren ruecklaeufige Zahl der
Morde an Journalisten ist sicher eine gute Nachricht - gleichzeitig aber
ein reiner Gluecksfall. Solange es in der Mehrzahl der Staaten keine
wirksamen Garantien fuer die ungehinderte Arbeit der Medien gibt,
solange Ermittlungen verschleppt werden und die Urheber von Gewalttaten
ungestraft bleiben, bleiben Journalistinnen und Journalisten
unvermindert bedroht.
Naehere Informationen ueber die 1998 ermordeten Journalistinnen
und Journalisten koennen bei Reporter ohne Grenzen angefordert werden.
Tel: (030) 615 85 85
Reporter ohne Grenzen - Skalitzer Strasse 101 - D-10997 Berlin -
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Sonntag 10-01-99 |