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Archivierte
Meldungen aus den Jahren 1995 - 1999 |
Quo vadis Russland?
Eine Analyse nach den Wahlen in St.
Petersburg
Der Wahlkampf in St.Petersburg war der bisherig schwerste aller Rückschläge
für die russischen Demokraten. In den letzten Monaten wurden 3 Politiker
Opfer von Gewaltverbrechen. 56 der 500 Kandidaten für die
Abgeordnetenversammlung haben eine kriminelle Vergangenheit.
Die Ermordung von Galina Starowoitowa vor zwei
Wochen hat unter den Anhängern der Demokraten Trauer ausgelöst. Den Tränen
folgen nun Wut und Enttäuschung.
"Hunderttausende Petersburger werden dem demokratischen Prozess aus
Frustration fernbleiben. In Russland werden es Millionen sein. Der
bisherige Kampf zwischen Kommunisten und Demokraten, mit wenigen
Erweiterungen, wie der Alexander Lebeds, wird um eine neue Kraft
erweitert, der des organisierten Verbrechens" berichtet Dimitry
Prokofieff , Korrespondent des israelischen Rundfunks "Reshet Beth"
aus Moskau. |
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In Altersheimen, Stundtentenheimen, und
sogar Militärkasernen wurden Wähler "gekeilt". In Bussen wurden diese
Wähler, begleitet von kurzhaarigen Männern mit schrankartigen
Körperausmassen zu den Wahlurnen geleitet. Ein Passus im Gesetz
ausnützend hatten die scheinbar gut organisierten "Wahlhelfer" einige
Wähler in den Tagen vor dem eigentlichen Wahlsonntag zu Wahlurnen
geleiten dürfen.
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"Wahlkarten" auf Russisch Ein
Kandidat aus Starowoitowas Bündnis für Demokratie berichtet der JR,
ihm seien 5.000 Stimmen von Soldaten zum Kauf geboten worden. Die
Wahlen werden von der Spezialtruppe OMON gesichert, die Einheit hat
in der Sowjetunion traurige Berühmtheit erlangt. Tote in Georgien
wie auch 13 Opfer am 13.1.91 in Wilna sind dunkle Flecken auf der
Weste Gorbatschows. Jetzt sind diese Männer angetreten,
demokratische Wahlen zu schützen. |
Demokratie?
Der Wahlleiter von Jawlinskis Jabloko sagte haGalil
auf Anfrage Drastisches: "Wir müssen nunmehr die organisierte
Kriminalität als unseren größten Feind ansehen, nicht die Kommunisten".
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Eine Unterschätzung der
Genossen könnte jedoch fatal sein. Eine Wideraufstellung der Statue
von Felix Dsherschinski, des Urvaters der Geheimdienste, steht in
Moskau bevor. Ein Vertreter des rotbraun angehauchten radikalen
Flügels der Kommunisten sprach schon von der Wiedererrichtung von
Arbeitslagern.Die Drohungen gegen den immens populären
Fersehmoderator Alexander Drus passen da durchaus ins Bild. Anyonyme
Flugblätter werden verteilt, um gegen den jüdischen Kandidaten zu
hetzen. Die Beteuerungen
von Kommunistenchef Sjugjanov beim Besuch in Bonn, die
Demokratiefähigkeit demonstrieren sollen, scheinen wie eine
schlechtsitzende Maske. "Die Kommunisten als geringeres Übel
anzusehen, wird fatale Folgen haben" warnt
Grigory Jawlinski, der Chef von Jabloko. |
Der Machtkampf in Russland wird nicht nur
an der Wahlurne geführt. "Raten Sie uns nicht, Jelzin weiter als
Präsidenten zu behalten, wenn Sie Jelzin nicht als Präsidenten in
Deutschland, den USA, Österreich oder der Schweiz wünschen" sagt
Jawlinski mit bitterer Miene.
Die letzten Entwicklungen und der
scheinbare Unwille der Kommunisten sich von antisemitischen "rotbraunen"
Tönen zu distanzieren, könnte zu einer großen Ausreisewelle aus Russland
führen. Keine gute Zeit für Demokraten, keine gute Zeit für Juden. Die
Sowjetunion zeigt eine Fratze, die aus der Gruft zu kommen scheint.
Quo Vadis Russland?
Und doch sprachen die Wähler am
Sonntag klar für das Vermächtnis von Galina Starwoitowa. Überrraschende
38% gingen zu den Wahlurnen, viele Demokraten und Reformer setzten sich
im ersten Wahlgang durch. Wenn kein Kandidat die absolute
Stimmenmehrheit auf sich vereinigen kann, kommt es zur Stichwahl.
War dies ein letztes
Aufbäumen der Reformer?
Wir im Westen dürfen Rußland
nicht aufgeben. Unsere Anteilnahme an den Geschehnissen ist wichtiger
als faule Kredite des Internationalen Währungsfonds, die Potjemkinsche
Dörfer vor Wahlen schaffen.
SLW
Bilder vom Begräbnis
von Galina Starowoitowa
by A.Kulbys for haGalil onLine
Grigory Jawlinski:
Russischer Wunderrabbi oder
Zweckoptimist?
Exklusivinterview mit Russlands profiliertestem Reformer
haGalil
onLine - Dienstag 08-12-98 |
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