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STUTTGARTER ZEITUNG

Landesrabbiner klagt:
Missionare wollen Juden bekehren

Joël Berger rügt ''hinterlistige'' Versuche durch andere Religionsgemeinschaften - Angegriffene streiten alle Vorwürfe ab

Von Michael Trauthig

Heftige Vorwürfe erhebt Landesrabbiner Joël Berger gegen christliche Missionare: Unter falscher Flagge und mit materiellen Versprechungen wollten sie Juden aus Osteuropa bekehren. Die Beschuldigten streiten dies ab.
Für den Sprecher der Rabbinerkonferenz Deutschlands sind die von ihm angeprangerten Praktiken ''die Fortsetzung des Holocausts mit anderen Mitteln''. Mit Auschwitz, so Berger, habe das Judentum eliminiert werden sollen. Darauf zielten auch die Bekehrungsversuche der protestantischen Missionare ab. Sie seien besonders aktiv, seitdem Tausende von sogenannten Kontingentflüchtlingen aus Osteuropa in die Bundesrepublik und auch nach Stuttgart kämen.

Diese Juden aus der ehemaligen Sowjetunion seien in ihrer Identität verunsichert. ''Jahrelang durften die Menschen ihren Glauben nicht öffentlich leben'', so Berger. Sehr viele von ihnen könnten kein Deutsch. Hier angekommen, bekämen die Auswanderer in den Übergangswohnheimen der Region Besuch von evangelikalen Eiferern. Dabei würden russischsprachige Missionsschriften verteilt. Außerdem werbe man mit dem Versprechen auf Arbeit und Wohnung für den Glauben an Jesus. Die Missionare würden sich überdies als die wahren Juden aufspielen. ''Einer von ihnen trägt ein schwarzes Käppchen, ein wallendes Gewand und einen langen Bart - wie ein ultraorthodoxer Jude'', berichtet Berger.

Für diese Art der Seelenfängerei macht der Landesrabbiner vor allem zwei Organisationen verantwortlich: Den Korntaler Missionsbund ''Licht im Osten'' und den Evangeliumsdienst für Israel aus Leinfelden-Echterdingen (Edi). Dessen Geschäftsführer Hartmut Renz räumt ein, daß Mitarbeiter der 1971 gegründeten Einrichtung russische Juden in den Wohnheimen Esslingens besuchen und zu Bibelstunden einladen. Außerdem feiert ein Angestellter des Edi, Anatoli Ourschomirski, mit den Auswanderern ''messianische Gottesdienste''. Dabei werden hebräische Lieder gesungen und jüdische Feste begangen, aber auch neutestamentliche Texte gelesen. Außerdem wird der Glaube an Jesus Christus gepflegt. ''Die Heilsbotschaft gilt den Juden zuerst, auch sie haben ein Recht auf das Evangelium'', rechtfertigt Renz dieses Angebot.

Niemand werde gezwungen, zu den Treffen zu kommen. Materielle Vorteile würden nicht versprochen. Dies hatte zum Beispiel ein Mitarbeiter der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg in einer Fernsehsendung behauptet. Der Edi strengte deshalb eine Unterlassungsklage gegen den Angestellten an. Diese wiederum nahm der Evangeliumsdienst schließlich mangels Aussicht auf Erfolg zurück. Der Richter, so Berger, habe die Ankläger auf ihr voraussichtliches Scheitern beim Prozeß hingewiesen. Renz dagegen erklärt die Niederlage mit formaljuristischen Gründen. ''Wir hätten die jüdische Gemeinde selbst verklagen müssen. Das wollten wir aber nicht.''

Auch Martin Hirschmüller, Pfarrer in Ostfildern-Ruit, Vorsitzender von ''Licht im Osten'', weist die Vorwürfe zurück. Bergers Wortwahl stelle eine unverantwortliche Verharmlosung des Holocausts dar, sagt der Theologe. Niemand werde mit Versprechungen geködert. Der Missionsbund finanziere lediglich die russischsprachige Zeitschrift Menora.

Ferner beschäftige Licht im Osten Waldemar Zorn. Dieser nennt sich ''Vorsitzender'' einer ''Israelitischen messianischen Gemeinde'', die ihren Sitz in der Rhönstraße in Feuerbach hat. Die Rufnummer der Gemeinschaft ist nicht im Telefon zu finden. Ihre Adresse ist identisch mit einer Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde. Waldemar Zorn mag am Telefon nicht über seine Arbeit reden. ''Wir haben schon Ärger mit Presseberichten gehabt'', begründet Zorn.

Für Berger ist schon der Titel ''messianische Juden'' Etikettenschwindel. ''Wenn jemand an Jesus glaubt, ist er keine Jude mehr'', sagt der Landesrabbiner. Er verlangt von der württembergischen Landeskirche, daß sie beschließt, keine Missionsarbeit an Juden zu betreiben. ''Aufgrund der deutschen Geschichte wäre dieser Schritt angebracht'', so Berger. Die rheinische Landessynode hat schon vor Jahren einen derartigen Beschluß gefaßt.

Im pietistisch geprägten Württemberg aber steht ein solcher Schritt noch aus. Die Synode hat in der vergangenen Woche nur beschlossen, sich in einer separaten Sitzung im Jahre 2000 mit dem Thema zu befassen. Dennoch formuliert der für Mission und Ökumene zuständige Oberkirchenrat eine eindeutige Absage an jegliche Form der Judenmission im Land. ''Ich lehne derartiges wegen unserer Geschichte in Deutschland ab'', sagt Heiner Küenzlen. Solche Versuche führten bei der Israelitischen Gemeinde zu einem verständlichen Bedrohungsgefühl.

Allerdings müsse ein Christ über seinen Glauben sprechen dürfen. Dies solle in der Begegnung mit Juden grundsätzlich anders geschehen als gegenüber anderen Menschen. Küenzlen räumt ein, daß womöglich Gelder aus dem Opferstock an den Edi fließen. Licht im Osten werde auch aus Kirchensteuermitteln - etwa 50000 Mark im Jahr - unterstützt. Beweise dafür, daß beide Organisationen mit materiellen Versprechungen Juden bekehrten, gebe es nicht.

Überdies liege der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf anderen Gebieten. Licht im Osten etwa unterstütze seit mehr als 70 Jahren protestantische Gemeinden in den Ostgebieten mit Hilfsprojekten.

© 1998 Stuttgarter Zeitung

haGalil onLine - Dienstag 01-12-98

 
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