Kaum Chancen einer wirksamen Unterstützung der
Bürger durch die Öffentlichkeit:
Gesetz aus der NS-Zeit behindert
die Medien
Seit Jahren behindern
bestimmte Anwälte unter Berufung auf ein Gesetz aus der Nazizeit die Medien,
wenn sie Leser, Zuschauer oder Hörer über ihre Rechte informieren. Leider
haben die Gerichte ihnen bisher sehr oft Recht gegeben und dabei die
grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit gegenüber den Interessen der
Anwälte als "minderes Recht" betrachtet.
Es geht hier um ein
gemeinsames Interesse aller engagierten Medien. Praktische Beispiele
lieferte letzte Woche die Sendung 'mit mir nicht' im ZDF. Zum
Beispiel 'Tacheles', eine soziale Hilfsorganisation, die sich bei
der Stadt Wuppertal für eine Frau einsetzte, die ihr zu früh
geborenes Baby beerdigen wollte, damit es nicht wie sonst in der
Klinik üblich "entsorgt" wird. Der Bürgermeister sagte die
Beerdigung zu. Im gleichen Moment aber erhielt Tacheles eine Klage
wegen unerlaubter "Rechtsberatung".
Kein Einzelfall. Über Einzelfälle aber
zu berichten, kann problematisch werden. Diese Erfahrung machte nun
Maria von Welser. Ihr Engagement für die Zuschauer hat einen
Rechtsanwalt auf den Plan gerufen: Die Ombudsfrau verstoße gegen das
Rechtsberatungsgesetz, das nur Rechtsanwälten erlaube, Menschen zu
beraten.
Betroffen davon sind neben Maria
von Welser auch andere Journalisten: Peter Escher, der im
Mitteldeutschen Rundfunk Neppern auf der Spur ist, auch Geert
Müller-Gerbes, der in "Wie bitte!?" die Bürokraten aufs Korn nimmt.
Immer wieder schränken Gerichte die Freiheit der Presse ein, über
Rechtsfragen zu berichten. |
Hakenkreuzotter |
Das Gesetz, auf dessen Auswüchse sich
klagende Anwälte berufen, stammt aus der NS-Zeit und diente dazu
jüdischen Rechtsanwälten die Existenz zu entziehen. Heute bringt es
viele Bürgern um die die Chance einer wirksamen Unterstützung durch die
Öffentlichkeit.
Weitere Information: ZDF Pressestelle -
06131 / 70-2120 und -2121
Anwalt ohne Recht
Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933
Herausgegeben von der Rechtsanwaltskammer Berlin 1998 |
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In Berlin gab es 1933 3.890
Rechtsanwälte. Mehr als 1.800, also rund die Hälfte, galten nach der
Machtübernahme der Nationalsozialisten als Nichtarier". Am 31. März
1933 wurden Berliner Gerichtsgebäude von SA-Trupps gestürmt, nachdem
lautstark gefordert worden war, alle als jüdisch bekannten Richter,
Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Beamte zu entfernen".
Die Maßnahmen trafen eine völlig unvorbereitete, politisch und
religiös in keiner Weise homogene Berufsgruppe. Konnte das
Berufsverbot 1933 noch nicht vollständig durchgesetzt werden, da es
zu diesem Zeitpunkt den Zusammenbruch des Rechtssystems bedeutet
hätte, war die Situation fünf Jahre später eine andere: 1938 wurde
allen als jüdisch geltenden Anwälten die Zulassung entzogen.
Die Berliner Rechtsanwaltskammer hat
Simone Ladwig-Winters damit beauftragt, das Schicksal
ihrer jüdischen Kollegen zu erforschen. Sechzig Jahre nach dem
Berufsverbot liegt nun eine umfassende Dokumentation über die
Ausgrenzung innerhalb einer Berufsgruppe vor: Es ist gelungen, die
Lebensdaten von rund 1.300 Berliner Anwälten jüdischer Herkunft zu
ermitteln. Das vorliegende Buch schildert die politische und
rechtliche Lage der Betroffenen und präsentiert unbekanntes
Bildmaterial. Sein biographisches Verzeichnis läßt den Verlust, den
gewaltsame Absonderung, Vertreibung und Vernichtung bewirkt haben,
beklemmend deutlich werden.
Seit November des Jahres ist eine Ausstellung zu dieser
Dokumentation im Centrum Judaicum Berlin zu sehen. |
Simone Ladwig-Winters
Geboren 1955 in Berlin, Studium der Rechtswissenschaften und Pädagogik
an der Freien Universität. Tätigkeit als Sozialplanerin und
Mieterberaterin in der Stadterneuerung in Schöneberg und Kreuzberg.
Promotion am Fachbereich Politische Wissenschaften an der FU.
ISBN 3-930863-41-3
Euro 32,00
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