Wie
der Vorsitzende der Kommission, der stellvertretende Direktor der
städtischen Universitätsklinik von Wilna (Vilnius) Henrikas Ulevicius,
sagte, haben sich die Ärzte mit dieser Formulierung "die Verantwortung
mit den Richtern geteilt". Nun muß das Gericht entscheiden, ob Lileikis
vorgeladen wird.
Die Ärzte trafen ihre Entscheidung nach der Durchsicht der früheren
Krankengeschichten, ohne aber Lileikis selbst zu untersuchen. Von dieser
Möglichkeit hatte der Vorsitzende der Kommission bereits früher
gesprochen.
"Die Opfer von Lileikis werden leider nicht in der Lage sein, sich dem
Stress auszusetzen," sagt Efraim Zuroff, Leiter des Wiesenthal Centers
in Jerusalem. Insgesamt dürfte Lileikis für die Ermordung von über
70.000 Menschen verantwortlich sein, von denen die meisten Juden waren.
Der Anwalt des Angeklagten Algirdas Matuiza äußerte sein Missfallen
über diese Entscheidung der medizinischen Kommission: "Wie können sie
ihn an Gerichtsverhandlungen teilnehmen lassen, wenn der Mensch auf dem
Krankenbett liegt und sich nicht selbst helfen kann?" Dem Anwalt zufolge
kann Lileikis "allenfalls mit seinem Bett" zu den Verhandlungen gebracht
werden.
Das Bezirksgericht in Vilnius hatte die aus fünf Medizinern bestehende
Kommission am 10.September gebildet, nachdem Lileikis aus
Krankheitsgründen nicht zur Verhandlung erschienen war, und sie
beauftragt, ein Gutachten über Lileikis’ Gesundheitszustand zu
erstellen. Lileikis ist als Schwerbehinderter erster Kategorie
anerkannt, leidet an etwa 20 größtenteils unheilbaren Krankheiten und
verbringt viel Zeit im Krankenhaus.
Die Medien Litauens hatten den Fall Lileikis sehr unterschiedlich
beurteilt. Eine ulatranationalistische Lobby versuchte mit ziemlichem
publizistischen Erfolg, Lileikis als Opfer einer ungerechten Verfolgung
darzustellen. Die Beteiligung am Holocaust ist eines der größten Tabus
der litauischen Gesellschaft. Vertreter des litauischen
"GENOZID-Zentrums" stellten eine Beteiligung von Lileikis an Morden in
Abrede. Die Leiterin des Zentrums, Dalia Kuodyte, wurde am 7.September
vom Präsidenten Valdas Adamkus in eine Kommission berufen, die
Verbrechen der Sowjets und Nazis zwischen 1940-1991 untersuchen soll.
Die Relativierung der Geschichte wird in Litauen im Dekret des
Präsidenten festgeschrieben.
Die Anklage gegen den inzwischen 91-jährigen ehemaligen Leiter der
Sicherheitspolizei Saugumas wurde nach zweijährigen Untersuchungen im
März erhoben. Lileikis wurde im Juni 1996 aus den USA ausgewiesen, da er
falsche Angaben bei der Einreise machte.
Lileikis wird beschuldigt, in seiner Funktion als Chef der
Sicherheitspolizei im Bezirk Vilnius von Juni 1941 bis Juli 1944 75
Juden der "physischen Vernichtung anheimgegeben zu haben", von denen nur
einer dem Tode entkommen konnte. Lileikis bestreitet diese Vorwürfe auf
das energischste.
Druck des US-Justizministeriums und vor allem die Mobilisierung der
internationalen Öffentlichkeit durch Efraim Zuroff, Leiter des
Wiesenthal Centers in Jerusalem hatten die Anklage überhaupt ermöglicht.
Ein eigenes vom Parlament verabschiedetes Gesetz, das die Anklage von
Kriegsverbrechern in Abwesenheit ermöglichen sollte, erwies sich als
wirkungslos.
In Litauen, das im Jahre 1991 seine Unabhängigkeit erlangt hat, scheint
das Verständnis für die Tragweite der Taten von Lileikis zu fehlen. Mehr
als 90% der etwa 220.000 Juden in Litauen wurden ab dem Jahre 1941 bis
1944 von den Nazis und ihren willigen litauischen Helfern ermordet.
Tausende Litauer aller Gesellschaftsschichten waren daran beteiligt. Der
seit 6 Monaten amtierende Präsident Adamkus versucht die Tatsachen zu
verdrängen. Er spricht gerne von "WENIGEN HOOLIGANS" die diese Morde für
Wodka verübten.
Am 12.12. erwartet Litauen, zu Beitrittsverhandlungen mit der EU
akzeptiert zu werden.
Hintergrund: Revisionismus in Litauen -
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