Das eher harmlos klingende Gesetz vom 14. Juli 1933
sicherte der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP)
mit ihren knapp zwei Millionen Mitgliedern das Monopol im Land. Die
anderen politischen Parteien der ersten deutschen Republik - an der
Parlamentswahl im Jahr zuvor hatten noch 29 teilgenommen - gab es nicht
mehr. Staatliche Verbote und forcierte Selbstauflösungen, wie wenige
Tage zuvor von der traditionellen katholisch-bürgerlichen Zentrumspartei
als letzter praktiziert, hatten den Weg freigemacht.
Die meisten Deutschen ließen sich von den Nazis
überrumpeln. Sie glaubten politisch-naiv an eine übergeordnete
staatstragende Autorität: Reichspräsident Paul von Hindenburg, Symbol
der konservativen Eliten und als erfolgreicher Feldmarschall des
früheren Kaiserreiches Galionsfigur der von den Nazis scheinbar noch
nicht kontrollierten Streitkräfte. Doch das Staatsoberhaupt bekam im
Greisenalter von 86 Jahren von der aktuellen Entwicklung wohl kaum noch
etwas mit.
Nach seiner Ernennung zum Reichskanzler durch
Hindenburg am 30. Januar 1933 ließ Adolf Hitler keine Zeit verstreichen.
Seine Nazis feierten diesen verfassungsmäßigen Auftrag zur
Regierungsbildung schon ganz offen als «Machtergreifung». Der oberste
Parteiführer setzte sofort Beschränkungen der Presse- und
Versammlungsfreiheit durch. Das Feuer im Reichtagsgebäude in Berlin am
27. Februar - der Niederländer Marinus van der Lubbe gestand
Brandstiftung - gab dem Regierungschef Handhabe zu Ausnahmegesetzen.
Bei
den letzten freien Parlamentswahlen der jungen Republik verfehlten die
Nazis Anfang März trotz massiver Behinderung und Einschüchterung der
politischen Gegner die angestrebte absolute Mehrheit. Doch Hitler ließ
jeden Widerstand skrupellos unterdrücken. Mit dem sogenannten
Ermächtigungsgesetz vom 23. März, gegen das nur noch die
Sozialdemokraten stimmten, machte er die schon von seiner Nazi-Partei
beherrschte Volksvertretung vollends handlungsunfähig. In einem nächsten
Schritt wurden alle Länderregierungen mit Berlin gleichgeschaltet.
Es bestand schon seit einigen Tagen das erste
Konzentrationslager des Regimes in Dachau bei München, als die
Nazi-Führung im April den landesweiten Boykott speziell gekennzeichneter
jüdischer Geschäfte organisierte und Juden aus dem Staatsdienst
vertrieb. Intellektuelle verloren ihre Arbeitsgrundlagen.
Der von Hitler in seiner Ideologieschrift «Mein
Kampf» angekündigte Antisemitismus wurde schrittweise zur brutalen
Realität. Am 14. Juli 1933 erließ die Reichsregierung auch «Gesetze» zur
Aberkennung der Staatsbürgerschaft und für die Beschlagnahme «volks- und
staatsfeindlichen Vermögens».
Politiker in den anderen europäischen Staaten
verfolgten mit zunehmender Besorgnis die skrupellose Zerschlagung des
Rechtsstaates und den Aufbau der totalitären Partei-Diktatur in
Deutschland. Aber sie boykottierten das Regime nicht.
Auf Initiative des faschistischen Italiens setzten
am 15. Juli 1933 deutsche, französische und britische Diplomaten in Rom
ihre Unterschriften unter einen Vier- Mächte-Pakt zur Sicherung des
Friedens in Europa. Für Berlin war dieses Abkommen, das allerdings nie
in Kraft trat, eine diplomatische Aufwertung.
Den höchsten Prestigegewinn verbuchten die Nazis
jedoch durch ihre erfolgreichen Verhandlungen mit dem Vatikan und der
überraschend schnellen Unterzeichnung des Reichskonkordats am 20. Juli
1933. Es regelte grundlegend das Verhältnis zwischen dem Nazi-Staat und
der Katholischen Kirche Deutschlands, die alle ihre Rechte gesichert
sah. Hitler war an einem Erfolg der erst im April begonnenen Gespräche
sehr gelegen. Er wies ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, «den
Wünschen des Heiligen Stuhls auch ohne Zustimmung des Reichstages in
vollem Maße zu entsprechen». Das Parlament, in dem sich früher
protestantische Gegner zu Wort gemeldet hatten, war ausgeschaltet.
Die Nazi-Diktatur in Deutschland hatte sich
etabliert. Wo noch politischer Widerstand aufflackerte, wurde er
unterdrückt. Gewerkschaften hatten nichts mehr zu sagen. Aber Hitler
stand noch nicht am Ziel der absoluten Führerschaft über sein Reich. Das
greise Staatsoberhaupt Hindenburg, zugleich Oberkommandierender der
Streitkräfte, lebte und dachte nicht an Rücktritt. Für die Machthaber
war dies aber kein Hindernis.