Israelisches Kino sieht
mit Pessimismus in die Zukunft:
15.Internationales Filmfestival in Jerusalem eröffnet
Jerusalem (dpa) - Mit einer Galaveranstaltung hat am Donnerstag abend in
Jerusalem das 15. Internationale Filmfestival begonnen. Als ersten Film
wollten die Veranstalter dem Publikum das neue Werk der Coen-Brüder aus den
USA, «The Big Lebowski» (Der große Lebowski) vorstellen. Insgesamt werden
bis zum 18. Juli etwa 180 Filme aus aller Welt gezeigt, darunter Spielfilme,
Dokumentar-, und Zeichentrickfilme.
Neben prominenten Gästen wie dem
italienischen Komiker und Regisseur
Roberto Benigni und dem britischen Schauspieler Alan
Rickman, wird auch Joseph Vilsmaier, der Regisseur des deutschen
Spielfilms «Comedian
Harmonists» erwartet. In der Wettbewerbskathegorie
«Jüdische Erfahrungen» tritt sein Werk gegen dreizehn weitere Spielfilme
an.
Mit Spannung wird die Reaktion des
israelischen Publikums auf die umstrittene Holocaust-Komödie Benignis,
«La vita e bella» (Das Leben ist schön), erwartet. Die Karten für den in
Cannes ausgezeichneten Film, der am Samstag abend in Anwesenheit des
Regisseurs gezeigt werden soll, waren bereits innerhalb von 48 Stunden
ausverkauft.
Alan Rickman stellt sein erstes Regie-Werk,
«The Winter Guest» (Der Wintergast), der niederländische Regisseur
Jeroen Krabbe präsentiert seinen Film «Left Luggage».
Israelisches Kino sieht mit Pessimismus
in die Zukunft
Jerusalem (dpa) - Vor Gästen aus aller
Welt präsentieren auch israelische Regisseure auf dem diesjährigen
Internationalen Filmfestival in Jerusalem ihre neuesten Werke. Das
israelische Kino hat jedoch keinen Grund zum Feiern, obwohl das am
Donnerstag eröffnete, äußerst beliebte Festival sein 15. Jubiläum begeht.
Seit dem Regierungswechsel Mitte 1996 sieht die Finanzlage nämlich bitter
aus: Die rechtsorientierte Koalition unter Regierungschef Benjamin Netanjahu
hat dem israelischen Filmfonds, der je zur Hälfte von Kultur- und
Handelsministerium getragen wird, rigoros den Geldhahn zugedreht. Wurden
während der Amtszeit Itzchak Rabins noch zehn bis zwölf Filme jährlich
unterstützt, ist für das kommende Jahr nur noch die Teilfinanzierung eines
einzigen Films vorgesehen.
Seit der Gründung des Staates Israel im Jahre
1948 erfuhr das Kino im Land eine eher stiefmütterliche Behandlung.
David Ben-Gurion, der erste israelische Ministerpräsident, wertete den
Film als «niedere Unterhaltungsindustrie» ab. In den ersten beiden
Jahrzehnten nach der Staatsgründung wurden in Israel vornehmlich
zionistische Propaganda- Filme gedreht. Im Mittelpunkt des Geschehens
stand der neue, «starke» Israeli, stets optimistisch und zur
körperlichen Anstrengung bereit. «Zabar» lautet die hebräische
Bezeichnung dieses zionistischen Helden, die auf die Eigenschaften der
in der Region wachsenden gleichnamigen Kaktus-Frucht anspielt - rauh und
stachelig von außen, süß und zart von innen. Der «Zabar» war das genaue
Gegenteil des schwachen, passiven und unterdrückten Diaspora-Juden.
Eine unerwartete Wende erfuhr das israelische
Kino durch den populären Unterhaltungskünstler Uri Sohar.
Mit bissiger Satire verweisen seine Filme auf die lächerliche Seite des
Helden Zions. Sein Avantgarde-Film «Hole in the Moon» (1964) löste
Begeisterung in internationalen Filmfestivals wie Cannes und Lucarno aus
und gilt bis heute als einer der Lichtblicke des israelischen Kinos.
Doch Uri Sohar, dessen experimentelle Werke stets innere Unruhe
ausdrückten, fand die Antwort auf seine Suche schließlich nicht im Kino,
sondern in der Religion. Er wurde ultaorthodox und zog sich aus der
Filmwelt zurück. Mit ihm hatte der israelische Film einen seiner
faszinierendsten Künstler verloren.
In den siebziger und vor allem in den
achtziger Jahren befaßte sich das israelische Kino fast ausschließlich
mit dem israelisch- palästinensische Konflikt. Doch bald wurden die
Zuschauer der Politik müde. Man wollte ins Kino gehen, um von der
drückenden Realität zu entfliehen. Die 1993 unterzeichneten
Friedensabkommen mit den Palästinensern gaben Anlaß zur Hoffnung und
boten auch dem Kino die Möglichkeit, sich von der politischen
Problematik zu entfernen. Das Resultat war eine Flut unterschiedlichster
Filmgenres, vom Yuppie-Leben in Tel Aviv bis zu psychologischen
Familiendramen. Der auch in Deutschland sehr erfolgreiche Film «Life
according to Agfa» (1992) von Assi Dajan, Sohn des
legendären Generalstabschefs Mosche Dajan, porträtierte den tiefen Riß
durch die israelische Gesellschaft.
Während früher der landwirtschaftliche
Pionier und kämpfende Soldat Sinnbild der israelischen Identität waren,
herrscht heute bei vielen Israelis tiefe Verwirrung darüber, was es
eigentlich heißt, Israeli zu sein. Doch gerade diese «Identitätskrise
der neunziger Jahre» führte zu einer Blütephase des israelischen Kinos.
Niemals zuvor war das Kino so vielfältig und facettenreich wie zur Zeit
der Regierung des im November 1995 von einem religiösen Fanatiker
ermordeten Premiers Rabin.
Das diesjährige Filmfestival in Jerusalem
könnte jedoch das Ende der wohl fruchtbarsten israelischen Filmperiode
einläuten. Die Regisseure blicken mit tiefem Pessimismus in die Zukunft.
«Unsere einzige Hoffnung bleiben die Neuwahlen 2000», sagt Marek
Rosenbaum, Vorsitzender des Verbands israelischer Filmproduzenten. «Je
nach dem, wie sie ausgehen, könnte sich dann wieder alles zum Besseren
wenden.»
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Samstag, 14. Dezember 2013 |