Das Merkwürdige bei Superman ist bloß, daß er zwar
den Horror dessen, was in Polen geschieht voll mitbekommt, immerhin ist
im Text von „Genozid“ und „Endlösung“ die Rede, doch um wen es dabei
eigentlich geht, das scheint dem Helden durchaus unbekannt zu sein,
jedenfalls kommen Bezeichnungen wie „Juden“ oder „jüdisch“ einfach nicht
vor. Daß es sich um Juden handelt, läßt sich höchstens an ihren Namen
ableiten. Das hält die amerikanische „Anti Defamation League“ für einen
Skandal: Wer den Holocaust darstelle, ohne die Juden zu erwähnen, der
beleidige die Opfer zusätzlich, sagt der Sprecher der Organisation,
Kenneth Jacobson.
Den Grund für diese sonderbare Weglassung hat
unterdessen der Autor der betreffenden Folgen Nr. 81 und 82 von
„Superman: Man of Steel“, ein gewisser Jon Bogdanove, selbst
verlautbart, und zwar in „The Jewish Weekly“: Nicht er, sondern die
Herausgeber der Hefte im New Yorker Verlag DC Comics haben die Juden aus
der Geschichte gestrichen. „Die Redaktion wollte Reizwörter vermeiden",
erkläft Bogdanove, erst habe er sich dagegen aufgelehnt, weil er es für
Zensur hielt, schließlich aber eingelenkt. Er glaube nicht daß es der
Geschichte geschadet habe – Geschichte im Sinne von Story, nicht von
History.
Daß der Autor bester Absicht war, will man gern
glauben, wenn man die naive Prosa liest, die er seinem Helden in den
Mund legt. „Ich hätte diesem Nazi-Unwesen von Anfang an Einhalt gebieten
sollen", grübelt Superman, nachdem er Zeuge von Massenmorden geworden
ist, und fährt fort: „Ich mische mich eigentlich nicht in die
Angelegenheiten der Regierungen auf dieser Welt, aber ich kann nicht die
Augen verschließen und diese faschistischen Tyrannen jeden, den sie
nicht leiden können, umbringen lassen.“ So ähnlich, hofft man, möge Gott
gedacht haben in den finstersten Stunden der Shoah, daß Superman jetzt
diesen Text spricht, ist einfach obszön, aber in einer Zeit da
französische Schwimmerinnen auf einer Olympiade schon den Holocaust als
Wasserballett aufführen wollten, auch nicht verwunderlich.
DC Comics, eine Firma des Time-Warner-Konzerns, hat
sich für den Lapsus, die Juden nicht erwähnt zu haben, umgehend
entschuldigt. Natürlich ist eine öffentliche Debatte wie die jetzt
entbrannte unter Marketing-Gesichtspunkten für ein Groschenheftchen
äußerst schädlich. Vor allem wollte man ja gerade durch die Weglassung
möglicher Kritik vorbeugen. Die offizielle Rechtfertigung lautet: Man
habe befürchtet, junge Leser könnten echte antisemitische Sprüche aus
dem Mund von Comic-Nazis unbedarfterweise wiederholen. Deshalb sei man
zu dem Schluß gekommen, von Juden ganz zu schweigen. Von ihren Henkern
übrigens auch. Deutsche kommen im Superman-Heft über die Nazizeit
ebenfalls nicht vor.
BURKHARD MÜLLER-ULLRICH
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06.07.98 Feuilleton