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Macht die Fremden zu Bürgern

Die CSU hat recht: Deutschland ist kein Einwanderungsland. Doch ähnelt dieser Satz jenem, wonach zweimal zwei vier ist. Die Aussage ist richtig, aber nicht sehr interessant. Deutschland ist in der Tat nicht Amerika, Israel oder Australien, die durch Einwanderung entstanden sind. Man kann nicht im deutschen Konsulat von Kairo oder Katmandu die Einwanderung beantragen. Spötter sagen: Es ist einfacher, mit einem deutschen Schäferhund in der Familie hierher zu gelangen als mit einem Dr. phil. in Germanistik. Sie kommen trotzdem – per Asylantrag, Arbeitsvertrag oder Familienzusammenführung. Und jetzt sind es schon knapp zehn Prozent der Bevölkerung, Tendenz steigend. An die 400 000 zählt man pro Jahr: ein Viertel Asylbewerber, der große Rest wird etwas verschämt als „Zuzüge aus den ehemaligen Anwerbeländern“ etikettiert.

Freilich hat die CSU noch in einem anderen, diesmal hochinteressanten Sinne recht. Deutschland ist kein Einwanderungsland, weil es sich selbst und den Neuen die widrigsten Hürden bei der Integration in den Weg stellt. Just deswegen können auch die Gutwilligen hinterher behaupten: Es geht nicht; laßt uns zumachen. Und das ist, gerade bei kaltem Interessenkalkül, der falsche Schluß.

Einwanderung muß aus vielerlei Gründen sein. Vergleichen wir Amerika mit seinen zwei Millionen Immigranten (die Hälfte illegal) mit dem Abschottungssystem Japan. Welche ist die vitalere, die dynamischere Gesellschaft? Denken wir an das Völkergemisch namens Deutschland: Was wäre das hochgepriesene alte Berlin ohne die Hugenotten aus dem Westen und die Juden aus dem Osten? Ein brandenburgisches Groß-Kaff. Einwanderer sind nicht bloß das Salz in der Suppe, sondern das Feuer unter dem Topf. Denn es kommen die Ehrgeizigen und Unzufriedenen, die – weil sie härter arbeiten und schneller denken müssen – dem trägen Eintopf der Alteingesessenen neuen Dampf und Geschmack hinzufügen. Davon hat einst Deutschland profitiert, davon profitieren noch heute Amerika oder Israel.

Wem das zu verklärend klingt, der möge an das Nächstliegende denken, an den Abstieg der demographischen Kurve und den Anstieg der Rentenansprüche in Deutschland. Oder an Japan, dessen Arbeitskräftepotential kraft Geburtenrückgang dahinschmilzt. Wir lügen uns also in die Tasche, wenn wir wähnen: Macht zu das Tor, und es wird alles gut.

Jedem Multi sein Kulti?

Nur: Wir tun unser Schlimmstes, um die Neuen daran zu hindern, ihren klassischen Vorteil auszuspielen – zu unserem wie zu ihrem Nutzen. Der Koreaner an der New Yorker West Side darf seinen Laden rund um die Uhr offenhalten; hier muß ein Türke den seinen spätestens um 20 Uhr schließen. Anders als in Italien, wo nun fast die totale Gewerbefreiheit herrscht, kann ein Türke in Deutschland von Glück reden, wenn er die Geschäftsgenehmigung erhält. Er kann seine Arbeit nur illegal unterhalb des starren Tariflohnes verkaufen. Asylbewerber dürfen nur im Einzelfall arbeiten – und deshalb „liegen sie uns auf der Tasche“. Deutschland hat sich so organisiert – mit einer Vielzahl von antikompetitiven Räumen – , daß die Neuen froh sein können, wenn sie eine Nische finden – wie jener türkische Taxifahrer, der als Angestellter bei seiner deutschen Gattin arbeitet, weil die viel einfacher an den Gewerbeschein kommt.

Wir machen es den Neuen schwer und wundern uns, daß sie „es nicht schaffen“. Aber die andere Seite, die da predigt: Tor auf, und jedem Multi sein Kulti, macht es sich auch zu einfach. Amerika ist hier Modell und Warnung zugleich. Das Modell heißt: Ablösung des Staatsbürgerrechtes vom Blutsrecht. Das Privileg enthält jedoch kräftige Pflichten. Es gilt nicht, Tacos und Tandoori aufzugeben, sondern die „Zivilreligion“ des Landes anzunehmen: das Heiligtum der 211 Jahre alten Verfassung und das Prinzip „one nation, indivisible“, dazu Englisch und amerikanische Geschichte. Zweit-Pässe sind Ausnahme. Jedermann kann Amerikaner werden, muß aber feierlich schwören, es auch zu sein. Das ist der Preis. Früher hieß er „Assimilation“, heute, nicht ganz so rigoros, „Integration“.

Die Warnung? Die amerikanische „Willensnation“ bröckelt; sie ist weiter auf dem Weg des Multikulturalismus (oder gar Separatismus) vorangeschritten als jede andere westliche Demokratie. Das sollte nicht nur eingefleischte Nationalisten grämen, sondern auch liberale Demokraten. Denn am Ende dieses Weges steht die „Dekonstruktion“ der Nation. Wenn jede Gruppe ihre eigene Sprache spricht, gibt es keinen nationalen Dialog mehr. Wenn jede nur noch sich selbst hört, gibt es keine überwölbende Verpflichtung mehr. Schlimmstenfalls wird der Staat zur Beute der Gruppen, wo jedes rassische, ethnische oder religiöse Kollektiv per Quote ein Maximum für sich selbst herauszuschlagen versucht. So haben es sich Locke, Kant und Jefferson nicht vorgestellt, als sie Liberalismus und Pluralismus predigten.

Kreuz, Käppchen, Kopftuch

Die Amerikaner haben diese Gefahr erkannt; selbst die „Hispanics“ pochen inzwischen auf Unterricht in Englisch, damit ihre Kinder am „amerikanischen Traum“ (vom Ghetto ins Grüne) teilhaben können. Auch hierzulande zeigt sich schon der Preis des Separatismus: Türken in der zweiten und dritten Generation stehen inzwischen schlechter da als ihre Väter (siehe den Fall „Mehmet“).

„Ja“ zur notwendigen Immigration heißt also „Ja“ zur nicht minder notwendigen Akkulturation – nicht, um Deutschkultur pur zu predigen, sondern um die Neuen wettbewerbsfähig zu machen. Das impliziert eine Bringschuld für beide Seiten. „Wir“ müssen unsere Verkrustungen schleifen, damit „Ihr“ euch nicht im Ghetto ducken müßt. „Ihr“ müßt die Clubregeln lernen – nicht nur damit ihr vorwärtskommt, sondern um gleichbefähigt und -berechtigt mitzuarbeiten, auch an der nächsten Satzungsänderung. Wir wollen euch als Bürger, und werden deshalb auch unser archaisches Nationalitätsrecht ändern, aber ihr müßt gerade im eigenen Interesse zeigen, daß ihr Bürger werden wollt. Döner ist wunderbar, Deutschkönnen noch besser.

Dürft „Ihr“ in der Schule auch Kopftuch tragen? Wenn Kreuz und Käppchen rechtens sind, dann auch das Kopftuch, sofern es nicht eine verfassungsfeindliche Haltung demonstriert. Noch besser aber wäre neben Entkrustung von Wirtschaft und Staatsbürgerrecht eine dritte Modernisierung: die rigorosere Trennung von Kirche und Staat wie in Amerika und Frankreich. Wenn alle religiösen Symbole aus dem staatlichen Raum verbannt würden, gäbe es einen unlösbaren Streit weniger. Denn Glaubensfragen sind nicht Vernunftsfragen. Laßt uns „unserem“ Gott in Kirche, Synagoge und Moschee huldigen, damit wir uns um so besser im gemeinsamen Raum der Demokratie verständigen können. Und dessen Regeln bestimmen nicht Rabbi, Imam oder Pfarrer, sondern Grundgesetz und Verfassungsgericht.

Wir sind ein Einwanderungsland. Doch lebten wir glücklicher mit dem Unvermeidbaren, wenn wir die Fremden zu Bürger machten. Der Eintrittspreis? Der ist in einer liberalen Demokratie nicht anders als im Tennisclub: Der Neue muß das Spiel beherrschen, die Regeln respektieren und die Ziele bejahen.

Von Josef Joffe - SZ vom 18.07.1998

haGalil onLine - Samstag, 14. Dezember 2013

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