Es geht um das sogenannte Konversions-Gesetz, das
die religiös-orthodoxen Parteien Israels in der Knesseth durchbringen
wollen. Das neue Gesetz soll liberalen Rabbinern, den sogenannten
Konservativen und Reformern, in Israel offiziell verbieten, aus
Nichtjuden Juden zu machen.
Die in Israel vorherrschenden Orthodoxen wollen ihr
De-facto- Monopol rechtlich untermauern und am liebsten auch liberale
Konversionen außerhalb des Landes in Israel für unzulässig erklären.
Damit wollen sie eine Gesetzeslücke schließen - das Oberste israelische
Gericht hat das praktizierte Monopol der Orthodoxen für unzulässig
erklärt. Die Macht der Orthodoxen in Israel war nie größer als heute. In
Netanjahus Regierungskoalition stellen sie 23 Abgeordnete, etwa ein
Drittel.
In Südamerika haben die Rabbiner der dort dominanten
konservativen Strömung bereits damit gedroht, Besuche israelischer
Politiker zu boykottieren, die das Konversions-Gesetz unterstützen.
Falls sich die Orthodoxen durchsetzen, sieht
Chef-Reformrabbiner Yoffie "die Seele Israels in Gefahr". "Amerikanische
und andere Diaspora-Juden beginnen sich wie Fremde in ihrem eigenen
Heimatland zu fühlen. Nicht-orthodoxen Juden werden ihre Rechte
verweigert", beklagt er.
Tausende von Nichtjuden - Neueinwanderer, Ehepartner
von Israelis oder dort gebliebene Touristen - wollen jedes Jahr in
Israel aus religiösen oder pragmatischen Gründen zum Judentum
konvertieren. Das orthodoxe Oberrabbinat gibt jährlich nur etwa 700
seinen Segen. In jüngster Zeit häufen sich israelische Presseberichte
über Rabbiner, die sich ihr Siegel abkaufen ließen. In einem Fall wurde
mit versteckter Kamera festgehalten, daß dafür 15.000 US-Dollar bezahlt
wurden. Die Rabbinerin Einat Ramon und Sprecherin der konservativen
Bewegung in Israel sagt: "Das ist kein Wunder. Monopole verleiten zu
Korruption".
Doch für viele Israelis sind Konvertiten oder
Liberale kein Thema. Die im 19. Jahrhundert in Deutschland entstandenen
liberalen Strömungen des Judentums, die sich vor allem durch
Gleichberechtigung der Frauen in der Synagoge von den Orthodoxen
unterscheiden, sind in Israel, anders als in den USA oder in Südamerika,
weitgehend unbekannt. Und warum jemand unbedingt darauf besteht, jüdisch
sein zu wollen, verstehen viele säkulare Israelis ohnehin nicht - obwohl
es in Israel keine Zivilehe gibt, Kinder von Nichtjüdinnen nach dem
jüdischen Religionsgesetz, der Halacha, nicht als Juden gelten und mit
massiven gesellschaftlichen Problemen zu rechnen haben.
Der konservative Rabbiner Arik Ascherman aus
Jerusalem faßt das Problem in zwei trockenen Sätzen zusammen: "Die
säkularen Juden überlassen den Orthodoxen das Feld. Wir gehen nicht in
die Synagoge, sagen sie - aber die Synagoge, in die wir nicht gehen, muß
orthodox sein".
"Israel steht vor der Wahl, seine jüdische Identität
völlig zu verlieren - oder in religiösen Fundamentalismus abzugleiten",
sagt Einat Ramon. "Die Israelis werden das erst begreifen, wenn man
ihnen am Sabbat ihre Straßen für den Verkehr sperrt oder ihnen die
orthodoxe Kleiderordnung aufzwingt". Rabbiner Uri Regev, Leiter des
"Zentrum für jüdischen Pluralismus" in Jerusalem, sieht eine weitere
Gefahr: "Uns droht ein Bruderkrieg". Doch Regev bleibt optimistisch:
"Die meisten Israelis wollen einen pluralistischen, freien Staat. Das
säkulare Israel wird schließlich siegen - aber wir alle werden bis dahin
noch viel leiden".