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50 Jahre IsraelSüddeutsche Zeitung

Das Wunder der Wiedergeburt

Israels Wandel vom zionistisch-sozialistischen Bauernstaat zur wirtschaftlich-militärischen Vormacht

Von Josef Joffe

Am Anfang war Israel ein Witz, dann ein Wunder. Der Anfang, das war der 14. Mai 1948, als Staatsgründer David Ben Gurion die Unabhängigkeit ausrief und sechs arabische Armeen gegen 600 000 Juden aufmarschierten, die mit selbstgebastelten MPs der britischen Marke Sten zurückschossen. „Wenn uns die Engländer schon ein Land geben, das ihnen nicht gehört, warum nicht die Schweiz?“ lautete ein bitterer Witz aus jener Zeit, als jeder Tag den Staatenmord heraufbeschwor.

Und das Wunder? Israel gewann diesen Krieg und noch vier mehr. Mann für Mann ist seine Armee wahrscheinlich die schlagkräftigste der Welt; sie hat mehr Panzer als Deutschland und Frankreich zusammen. Die Bevölkerung hat sich in 50 Jahren verzehnfacht – so, als würden in Deutschland heute 800 Millionen Menschen leben. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 17 000 Dollar ist der einstige Sozialfall inzwischen im Durchschnitt reicher als die EU-Länder Griechenland, Irland, Portugal und Spanien. Oder anders betrachtet: Israels Wirtschaft ist größer als das gesamte Sozialprodukt seiner vier arabischen Nachbarstaaten. Orangen, Blumen und Avocados machen nur noch vier Prozent seiner Exporte aus; der Rest sind zunehmend High-Tech-Industriegüter, darunter Software, Waffen und Elektronik.

Das ist das Wunder: daß Israel am Leben geblieben und dann zu einer kleinen militärischen und wirtschaftlichen Supermacht herangewachsen ist. Dan Propper, der Chef des israelischen Industrieverbandes, erinnert sich: Damals „wanderten Kamel-Karawanen mit Orangenkisten zum Hafen von Jaffa. Beduinen weideten ihre Ziegen in den Straßen, und Schakale streiften durch das Herz von Tel Aviv.“ Ein zweites hat sich geändert: Aus einer zentraleuropäischen Kultur mit russischer (und sozialistischer) Färbung ist eine „amerikanische“ geworden. In den ersten Jahren des Staates konnte sich der Besucher noch ganz gut mit Deutsch durchschlagen; doch wer heute auf der achtspurigen Autobahn vom Ben-Gurion-Flughafen Richtung Tel Aviv fährt, wähnt sich irgendwo in Südkalifornien. „Schauen Sie uns an“, sagt Finanzminister Jaacov Ne’eman, „unser Premier hat einen Abschluß von M.I.T. Der Gouverneur der Zentralbank hat einen Doktor von der Universität Chicago. Ich selbst habe in New York und Los Angeles gelehrt.“

Heidelberg, Wien, Prag – das ist vorbei. Man spricht Englisch, und dann mit amerikanischem Akzent. Aber in einem noch tieferen Sinne ist Israel „amerikanisch“ geworden. So, wie in den USA der „Schmelztiegel“ plötzlich out ist und der „Bindestrich-Amerikaner“ in, ist Israel als Nation dabei, sich zu „dekonstruieren“. Am Anfang war die entscheidende Kluft die zwischen links (Ben Gurion und seinen Sozialisten) und rechts (Begin und seinen „Revisionisten“). Dann, nach Hunderttausenden von Flüchtlingen aus der arabischen Welt, gesellte sich die Spaltung zwischen europäischen und sephardischen Juden dazu.

Aufstieg der Orthodoxen

Nach dem Sechstagekrieg von 1967 begann der politische Aufstieg der Religiösen; inzwischen sind die weltlichen Israelis und die frommen Ultras nur noch durch ihren wachsenden Haß aufeinander vereint. Obwohl nur 60 Kilometer voneinander entfernt, sind Tel Aviv, die westliche Metropole am Mittelmeer, und Jerusalem, die Hochburg der Orthodoxie, nicht bloß zwei Städte, sondern zwei verfeindete Lebenswelten. Doch damit nicht genug: In den neunziger Jahren sind fast 700 000 Russen eingewandert; sie bilden die größte ethnische Gruppe, und sie denken nicht daran, in den israelischen Schmelztiegel zu springen. Sie haben ihre eigene Partei, leben in selbstgewählten Ghettos und betrachten im Kabel die TV-Programme aus Moskau.

Israel sollte einst Nation, Staat und Religion in einer Normalität vereinen, die den Juden 2000 Jahre lang nicht vergönnt war; geworden ist daraus ein Mosaik, dessen Teile nicht zusammenpassen wollen. In biblischen Zeiten zerfiel das Land in „Judäa“ und „Israel“; heute träumt so mancher weltlich gewandter und westlich geprägter Israeli von der zweiten Zweiteilung: hier Tel Aviv mit seinen Boutiquen und Software-Labors, dort Jerusalem mit seinen Yeshivas (religösen Hochschulen) und einer eifernd-frommen Lebensart.

Aus dem Wunder der Wiedergeburt ist für manche Israelis ein Alptraum geworden. „Die Stimmung im Lande“, schreibt der Schriftsteller David Grossman, „erinnert an eine Familie, die in der Krise, vielleicht sogar in der Krankheit steckt.“ Es könnte sein, daß „die Gewalt in das innere Gewebe eindringt, die selbst den Bruder zum Feind macht“. Oder: Es könnte sich nur um eine „unvermeidbare üble Laune angesichts eines mächtigen Wunders handeln, das zur profanen Realität mit all ihren Widersprüchen und Verletzungen geworden ist“.

Doch schätzt sich Grossman „glücklich“, in dem einzigen Land wohnen zu können, in dem er als Jude „mit seiner Geschichte und seiner Kultur leben kann“, wo er „kein Fremder“ ist. Nur: „Wie lange werden wir die Gefangenen unserer Ängste sein? Wird mein Sohn gegen die Kinder meiner palästinensischen Freunde in Hebron kämpfen müssen?“

Fünfzig Jahre nach seiner Gründung lebt Israel noch immer nicht in Sicherheit, auch wenn zwei der einstigen Invasoren – Ägypten und Jordanien – inzwischen einen eher kalten Frieden mit dem Nachbarn geschlossen haben. Noch ist nicht eingetroffen, was der erste israelische Präsident Chaim Weizmann am 14. Mai 1948 den Arabern zugerufen hat: „Es ist unser tiefstes Anliegen, harmonische und respektvolle Beziehungen zu unseren arabischen Mitbürgern und Nachbarstaaten herzustellen.“

Es fehlt vor allem der Frieden mit den Palästinensern. Der Prozeß, der 1993 mit dem legendären Händedruck Rabin/Arafat begann, rumpelt seit Monaten im Leerlauf. Und die Zeit läuft ab. Denn der 4. Mai 1999, so steht es in den „Oslo-Abkommen“, ist das Ende der Übergangsperiode. Kommt es in den nächsten zwölf Monaten nicht zur Einigung, könnte sich der Kreis am 4. Mai dort schließen, wo er am 14. Mai 1948 begann: mit einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung – diesmal der Palästinenser. Die Israelis könnten den neuen Staat ebensowenig verhindern wie seinerzeit die Araber. Aber die blutige Botschaft von fünf Kriegen lautet: zusammen ist besser.

SZ vom 29.04.1998 - Copyright © 1997 - Süddeutsche Zeitung. SZonNet 3.1

haGalil onLine: Samstag, 14 Dezember 2013

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