Nach der Rückkehr des
Schejkh Jasín nach Asah:
Hamas reicher, beliebter und
tatendurstiger denn je
Gaza (dpa) - Die Polizei der palästinensischen
Autonomiebehörde tat ihr möglichstes, um die Rückkehr des Hamas-Gründers
Scheich Ahmed Jassin so unauffällig wie möglich hinter sich zu bringen.
Mitten in der Nacht zum Donnerstag rollte der gelähmte Scheich durch die
israelischen Kontrollen am Rafah-Übergang an der ägyptischen Grenze. Denn
Jassir Arafats Behörde hat ebenso wie Israel ein großes Interesse daran,
diesem Mann so wenig Publizität wie möglich zukommen zu lassen. Beide Seiten
sehen in ihm eine leibhaftige Zeitbombe.
Scheich Jassin kehrte von einer
viermonatigen Reise durch mehrere arabische Staaten und Iran zurück, in
deren Verlauf er Millionen von Dollars an Spendengeldern gesammelt haben
soll. Die Schätzungen schwanken zwischen 50 und 400 Millionen. Mit
diesem Geld, so lautet die Vermutung, wird die radikalislamische Hamas
nur Unheil anrichten. Sei es durch Finanzierung von Bombenanschlägen
oder durch politische Arbeit, die ihr Netz von Helfern unter
Palästinensern ausdehnen könnte.
Arafats Autonomiebehörde steckt in einem
kaum lösbaren Konflikt. Einerseits versucht sie, mit Israels
Rechtsregierung zu einem Übereinkommen über den Fortgang des
Friedensprozesses zu kommen, und geht dafür einen Kompromiß nach dem
anderen ein. Andererseits muß sie mitansehen, daß all dies trotzdem
nicht hilft und die radikalen Elemente innerhalb der palästinensischen
Gesellschaft angesichts der israelischen Hinhaltemanöver rapide an
Zulauf gewinnen.
Die Hamas-Anhängerschaft unter den
Palästinensern wird inzwischen auf rund 30 Prozent geschätzt,
tatendurstig und aktiv wie ihr Chef. Die palästinensische Polizei steht
nun vor der Aufgabe, eine finanziell gestärkte Hamas zu neutralisieren,
die durch medienwirksame Auftritte Scheich Jassins in der islamischen
Welt enorm an Ansehen und Prestige gewonnen hat.
Arafat dagegen hat zunehmend
Schwierigkeiten, selbst bei provozierenden Aktionen der Israelis wie dem
jüngsten Jerusalem-Plan noch ein arabisches Protest-Sondergipfeltreffen
zusammenzubekommen. Die Hamas-Strategen dürften dies mit großer Freude
zur Kenntnis nehmen. Sie brüskierten Arafat noch vor ein paar Tagen, als
sie seinen Versuch ablehnten, Hamas-Vertreter ins neue Autonomiekabinett
aufzunehmen und damit politisch einzubinden.
Der als Hardliner bekannte israelische
Infrastrukturminister Ariel Scharon schimpfte am Donnerstag, es sei ein
Fehler gewesen, Scheich Jassin aus dem Gaza-Streifen ausreisen zu lassen
«und ein noch größerer Fehler, ihm die Wiedereinreise zu erlauben». Doch
es war namentlich Scharon, der im September des vorigen Jahres in
geheimen Verhandlungen mit Jordanien die Freilassung Jassins aus
israelischer Haft aushandelte. Ein wütender König Hussein hatte die
sofortige Freilassung Jassins, der sich seit Jahren in israelischer Haft
befand, verlangt, um so einen Ausgleich zu schaffen für eine
haarsträubende Aktion des israelischen Geheimdienstes in Jordanien.
Mossad-Agenten hatten versucht, am hellichten Tag in Amman einen
Hamas-Führer zu ermorden, und waren dabei festgenommen worden.
Daß dieser «Fehlschlag im Kampf gegen den
Terror», wie Regierungschef Benjamin Netanjahu den verpfuschten
Mordanschlag damals nannte, Israel noch teuer zu stehen kommen würde,
wurde seinerzeit von vielen Israelis gesehen und beklagt. Daß Hamas die
Rechnung einzulösen beginnt, wurde deutlich, als Jassin in der Nacht zum
Donnerstag unter dem Jubel seiner Anhänger mit Taschen voller Geld nach
Gaza zurückkehrte.
haGalil onLine 98-06 |