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haGalil onLine: Buch und Judentum

50 Jahre Israel Süddeutsche Zeitung

Über Österreich und Israel:
Gemütlich unglaubwürdig

Judith Huebner, die 1939 aus Wien geflüchtet und heute stellvertretende Bürgermeisterin von Jerusalem ist, bringt ihr Verhältnis zur alten Heimat in einem knappen Statement auf den Punkt: „Man glaubt den gemütlichen Wienern nicht.“ Allzu deutlich sind ihr noch der in Österreich tiefverwurzelte Antisemitismus und die Verstrickung vieler ihrer ehemaligen Landsleute in die nationalsozialistischen Verbrechen in Erinnerung.

Angesichts der historischen Fakten erscheint es erstaunlich, in welchem Ausmaß es Österreich nach 1945 gelungen ist, sich der Mitverantwortung für die Schoah zu entziehen – stützte sich doch die Staatsideologie auf jenen Passus, der von den Alliierten unterzeichneten „Moskauer Deklaration“ von 1943, demzufolge das Land als erstes Opfer Hitlers zu betrachten sei. Während sich Deutschland zu seiner Rolle als Nachfolgestaat des Dritten Reiches bekennen mußte und „Wiedergutmachungszahlungen“ in beträchtlicher Höhe an den jüdischen Staat leistete, erklärte sich das offizielle Israel 1952 bereit, als politische Gegenleistung für die Gewährung eines Kredits, auf Reparationen durch Österreich vollständig zu verzichten. Auch sonst wurden, ob es um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, Paßgesetze oder Boykottmaßnahmen ging, Deutschland und Österreich mit zweierlei Maß gemessen.

Lebenslüge Österreichs

In der israelischen Öffentlichkeit allerdings wurde die „Lebenslüge“ Österreichs kontinuierlich an den Pranger gestellt. Und auch sonst blieb, trotz oder gerade wegen der österreichischen Verdrängungsleistungen, das Verhältnis zwischen Österreich und dem jüdischen Staat an der Vergangenheit überschattet und gestaltete sich als schwierige „Gratwanderung“ – so die zentrale These des gleichnamigen Buches von Helga Embacher und Margit Reiter. Auf Grundlage einer umfassenden Presseanalyse, von Archivrecherchen und Interviews haben die Autorinnen eine erste Gesamtdarstellung der österreichisch-israelischen Beziehungen von ihren Anfängen in den frühen fünfziger Jahren bis in die Gegenwart vorgelegt.

Der jüdische Staat rückte in Österreich erst 1967 durch den Sechstagekrieg von in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Israel wurde als Bastion von Demokratie und Aufbauwillen im Nahen Osten, die arabische Bedrohung als Vernichtungsfeldzug gegen das jüdische Volk wahrgenommen und in die Kontinuität der jüdischen Verfolgungsgeschichte gestellt. Doch trotz der häufigen Bezugnahmen auf die Schoah blieb die Mitverantwortung Österreichs ausgeklammert; die eigene, verdrängte Schuld konnte auf „die Araber“ projiziert werden. Israels Sieg über die zahlenmäßig überlegenen arabischen Armeen wurde mit jenem des „kleinen David“ über „Goliath“ verglichen.

Schon eine Antisemitismusstudie von 1969 hatte freilich gezeigt, daß ein idealisiertes Israel-Bild keineswegs mit einer Revision antisemitischer Vorurteile einhergehen mußte, und spätestens während der Libanon-Invasion 1982 zeigte sich die Brüchigkeit der Israel-Begeisterung: Die euphorische Parteinahme für den jüdischen Staat im Jahr 1967 schlug in ihr krasses Gegenteil um. Ebenso parteiüberschreitend und emotional wie damals, nur mit umgekehrten Vorzeichen, wurden Bezüge zum Holocaust hergestellt. Jetzt sollte die Verwendung solcher Termini wie „Holocaust“ oder „Endlösung“ suggerieren, daß die ehemaligen Opfer selbst zu Tätern geworden seien.

Während in der Bundesrepublik seit 1982 heftige Diskussionen über die Berechtigung einer Israel-Kritik durch die ehemaligen Täter geführt wurden, blieben solche Debatten in Österreich auf einen kleinen Kreis meist jüdischer Linker beschränkt. Embacher und Reiter gelangen zu dem Schluß, daß es „einen umfassenden (Selbst-)Reflexionsprozeß, der sich mit den Grauzonen der Israel-Kritik, unbewußt vorhandenen antisemitischen Ressentiments und Entlastungsbedürfnissen kritisch auseinandersetzte, in Österreich bis heute nicht gegeben“ hat.

Die im Vergleich intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und die „Wiedergutmachungsleistungen“ durch die BRD sollten freilich nicht unrühmliche Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte in Vergessenheit geraten lassen, die nicht Gegenstand des Buches sind: etwa die von antisemitischen Ressentiments getragenen Widerstände deutscher Politiker und Teilen der deutschen Öffentlichkeit gegen die im Luxemburger Abkommen getroffenen Zugeständnisse an Israel.

Was die offiziellen österreichisch-israelischen Beziehungen betrifft, so wurde von israelischer Seite vor allem die lange „Ära Kreisky“ (1970 bis 1983) als Dauerkrise wahrgenommen. Schon 1973, als der österreichische Bundeskanzler auf Druck palästinensischer Geiselnehmer die Schließung des Transitlagers Schönau für jüdische Auswanderer aus der Sowjetunion verfügte, war ein Tiefpunkt erreicht. Die vom propalästinensischen Engagement Kreiskys bestimmte Nahost-Politik Österreichs und vor allem Kreiskys Attacken – er sprach vom jüdischen Staat als einem „semifaschistischen Land“ und einem „Wüstenstreifen, mit dem mich nichts verbindet“ – provozierten in Israel heftige Gegenreaktionen: Obwohl Kreisky die Existenzberechtigung Israels nie in Frage gestellt hatte, wurde er, selbst jüdischer Herkunft, in den Medien des Selbsthasses bezichtigt und als „ehrloser Hofjude“ beschimpft.

Auch nach seinem Rücktritt dauerte wegen der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten und der Diskussionen über dessen Kriegsvergangenheit die Eiszeit in den zwischenstaatlichen Beziehungen an. Zu einer Wiederannäherung kam es erst, als sich Bundeskanzler Franz Vranitzky bei einem Israel-Besuch 1993 erstmals zu einer Relativierung der österreichischen „Opferthese“ und einem Eingeständnis der Mitschuld bereitfand.

Reiter und Embacher haben, weit über eine Darstellung der politischen und diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Israel hinausgehend, auch die darunterliegende Ebene einer eingehenden Analyse unterzogen. Das zentrale Interesse der Historikerinnen gilt der gegenseitigen Wahrnehmung, der komplexen Beziehung zwischen ehemaligen „Tätern“ und „Opfern“ und den daraus resultierenden Ambivalenzen und Konflikten. „Gratwanderungen“ ist deshalb auch ein Buch über den Umgang Österreichs mit seiner Vergangenheit.

GABRIELE ANDERL
Die Rezensentin ist Historikerin und Publizistin. Sie lebt in Wien.

HELGA EMBACHER, MARGIT REITER:
Gratwanderungen
Die Beziehungen zwischen Österreich und Israel im Schatten der Vergangenheit
Picus Verlag, Wien 1998 - 390 Seiten, 48 Mark

SZ vom 11.05.1998 - Copyright © 1997 - Süddeutsche Zeitung. SZonNet 3.1

haGalil onLine: Samstag, 14 Dezember 2013

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