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MAREK EDELMANN:
GHETTOKÄMPFER UND HELD WIDER WILLEN

"Erinnert euch! Ihr wart passiv, und ihr dürft es nicht länger bleiben. Auf daß es nie mehr zu Armenier-Gemetzeln komme, nie mehr zu einem Warschauer Ghetto, zu einem Kambodscha, zu Sarajewo und Kosowo!"

Marek Edelmann, der letzte noch lebende Anführer des Warschauer Gettoaufstandes von 1943, ist ein schwieriger Held. Er liebt kein Pathos, kann die Worte "Ehre" und "Würde" nicht ausstehen, wenn mit ihnen zwischen dem Sterben in den Gaskammern und dem bewaffneten Aufstand unterschieden wird, haßt die Tränen in der Augen derjenigen, die die Shoa nur aus Erzählungen kennen. Mitte April zeichnete der polnischen Staatspräsident Aleksander Kwasniewski den ehemaligen Ghettokämpfer Marek Edelmann mit dem höchsten Orden Polens aus, dem 'Weißen Adler': "Sie waren einer derjenigen, die der Resignation in hoffnungsloser Lage trotzten und zu den Waffen griffen," erklärt Kwasniewski in feierlichem Tone. "Sie gehörten zu denjenigen, die im 20.Jahrhundert die Legende von Massada wiederaufleben ließen, den Kampf der zum Tode - und zur Unsterblichlichkeit - verurteilten Juden gegen die römischen Unterdrücker."

Der immer wieder gegen seinen Willen auf den Heldenpodest Gehobene geht auf die Worte des polnischen Präsidenten nicht ein. Er nutzt die Verleihung des Staatsordens, um eine Erinnerung einzufordern, die nicht nur Orden verleiht, sondern tatsächlich für das "Nie wieder" kämpft. "Die Demokratie ist weder von Gott noch von den Menschen auf ewig gegeben. Man muß ständig um sie kämpfen. Heute entstehen schon wieder nationalistische, chauvinistische und brutale Strömungen, und wenn die Demokratie nicht beizeiten zur Vernunft kommt, wird es böse enden." Doch Edelmann läßt es nicht bei dieser allgemeinen Betrachtung bewenden. Er wendet sich direkt an die demokratischen Länder dieser Welt: "Erinnert euch, was euch droht! Erinnert euch: ihr wart passiv. Und ihr dürft es nicht länger bleiben: Auf daß es nie mehr zu einem Armenier-Gemetzel komme, nie mehr zu einem Warschauer Ghetto, zu einem Kambodscha, zu Sarajewo und Kosowo!"

Einen Tag später, am 19. April, warten vor dem "Denkmal für die Helden des Ghettoaufstandes" einige Hundert Menschen, darunter auch der Ministerpräsident Polens Jerzy Buzek und einige katholische Würdenträger. In wenigen Minuten soll die Gedenkzerenmonie zum 55.Jahrestag des Aufstandes beginnen. "Man müßte das Denkmal umdrehen", empört sich eine Frau so laut, daß alle es hören. Eine peinliche Stille breitet sich aus. Auch Rabbi Schudrich dreht sich kurz um zu den jüdisch-proletarischen Riesengestalten aus Bronze. Wie ein Winzling wirkt er gegenüber den muskulösen und kampfentschlossenen "Helden des Ghettoaufstandes". Unter seinen Füßen, im Sockel und unter den Treppen des Denkmals liegt Sand aus "Eretz Israel". Der erklärte Antizionist Edelmann mag das Denkmal nicht. "Wir waren nur zweihundert Kämpfer", relativiert der unbequeme "Held" die Bedeutung des Aufstandes. Auf der Rückseite des pompösen Denkmals wird auch der über 400.000 Juden gedacht, die als "Transporte" vom "Umschlagplatz" aus nach Treblinka oder in ein anderes NS-Vernichtungslager gebracht wurden. Es ist ein kleines Flachrelief aus Granit, das Männer, Frauen und Kinder zeigt, die gramgebeugt und verzweifelt, aber passiv und "wie die Lämmer zur Schlachtbank" in den sicheren Tod ziehen. Edelmann hält diese Wertung für falsch. Der Journalistin Hanna Krall gegenüber hat er einmal erklärt: "Diese Menschen gingen ruhig und würdevoll. Es ist schrecklich, wenn man so ruhig in den Tod geht. Das ist wesentlich schwieriger als zu schießen. Es ist ja viel leichter, schießend zu sterben, es war für uns viel leichter zu sterben, als für einen Menschen, der auf den Waggon zugeht und dann im Waggon fährt und dann eine Grube für sich gräbt und sich dann nackt auszieht... Verstehst du das jetzt?" Doch auch wenn es nur 200 oder 750 Aufständische waren, wie der Historiker Israel Gutman schreibt, so hatte dieser erste militärische jüdische Widerstand doch eine gewaltige Signalwirkung. Überall begannen sich nun Juden zu wehren, nicht nur in den noch verbliebenen Ghettos, auch in den Konzentrationslagern Treblinka, Sobibor und Auschwitz-Birkenau kam es zu einzelnen Revolten.

Trotz der nationalsozialistichen Übermacht von rund 2.000 gut bewaffneten SS-Männern und Soldaten gegenüber 200 bis 750 schlecht gerüsteten Aufständischen, dauerte der Kampf fast einen Monat. Erst als die Nazis die Kanäle fluteten und Brandbomben in die Häuser warfen, änderten die Aufständischen ihre Taktik. Nicht länger Gegenwehr, Flucht war angesagt. Doch die wenigsten schafften es noch, durch die Abwasserkanäle auf "die arische Seite" zu kommen. Am 16.Mai 1943 sprengte SS-Brigadeführer Jürgen Stroop höchstpersönlich die "Große Synagoge" an der Tlomackie-Straße. Triumphierend kabelte er nach Krakau: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk mehr in Warschau": 17.000 Juden hatten die Nazis im Ghetto ermordet, 7.000 nach Treblinka ins Gas geschickt, 42.000 in die Arbeitslager nach Lublin gebracht. Rund 7.000 Juden lagen verschüttet unter den Trümmern oder waren in dem Inferno verbrannt. Um den Nazis nicht in die Hände zu fallen, hatten die Anführer des Aufstandes am 7.Mai 1943 kollektiven Selbstmord begangen. Marek Edelmann überlebte, weil er auf der Suche nach einem Fluchtkanal war. Die Toten vom 7.Mai wurden nie geborgen. Noch heute liegen sie unter einem kleinen Hügel an der Mila-Straße 18. Eine Gedenktafel erinnert an den früheren Bunker von Mordechai Anielewicz. Kinder lieben diesen Denkmalhügel besonders. Im Winter eignet er sich gut zum Rodeln.

Aus Warschau: Gabriele Lesser

Erscheint in der "Illustrierten Neuen Welt", Wien


Der Stroop Bericht: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk mehr in Warschau"
Beim Holocaust History Project liegt der 76-seitige Stroop-Bericht im deutschen Original vor.

Weitere Information:

Publikation: 04-1998

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