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Die DVU hat mit ihrer ausländerfeindlichen Wahlkampagne vor allem Jung- und Nichtwähler zur Stimmabgabe animiert. Der Nährboden war bereitet. Schon 1990 war vielen ostdeutschen Jugendlichen jeder Ausländer einer zuviel. Seither haben rechtsradikale Agitatoren das Feld beackert.

"Auf ein autoritäres Angebot gewartet"

Die Methode dieses Erfolgs war klassisch amerikanisch. Mit den Adressenlisten ihrer demographischen Zielgruppen, den 18- bis 29jährigen und den über 60jährigen, und mit viel Geld schaffte die Deutsche Volksunion (DVU) bei den Landstagswahlen in Sachsen- Anhalt, was noch wenige Tage davor kaum jemand vermutet hätte: das beste Ergebnis einer rechtsextremen Partei bei den Wahlen in der Geschichte der Bundesrepublik seit 1946. Dafür brauchte die DVU noch nicht einmal eine eigene Parteiorganisation in Sachsen-Anhalt. Bis vor kurzem wurde sie kommissarisch von Thüringen aus mitverwaltet.

Daß der Erfolg der DVU vom Himmel fiel, kann trotz deren Wahlwerbung in luftigen Höhen keiner behaupten, der die Entwicklung in Sachsen-Anhalt und in den anderen neuen Bundesländern in den vergangenen acht Jahren verfolgt hat. Ohne Konkurrenz durch die "Republikaner" oder die NPD sammelte die DVU ein Potential von Erst- und Jungwählern ein, das nach Einschätzung des Magdeburger Politologen Wolfgang Renzsch "auf ein solches autoritäres Angebot gewartet hat". Der "totale Verlust der Glaubwürdigkeit" der etablierten Parteien habe dabei ebenso eine Rolle gespielt wie der "fehlende Abwehrreflex" der Jüngeren gegenüber rechtsextremen Parteien. "Die Älteren", sagt Renzsch, "wählen dann eher noch PDS."

Das Resultat ist bekannt: 30 Prozent der Wähler unter 30 Jahren haben laut einer Analyse der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen (siehe Seite 4) ihre Stimme der DVU gegeben - genauer gesagt: den ausländerfeindlichen Parolen auf ihren Plakaten und Transparenten. Etwa zwei Drittel der Stimmen für die DVU stammen von Erstwählern und solchen, die vor vier Jahren zu Hause geblieben waren. Das andere Drittel konnte die DVU anderen Parteien abspenstig machen - vor allem der CDU. Solche Parolen sind seit langem Bestandteil eines rechtsradikalen Potentials, das sich unmittelbar nach der Wende unter kräftiger Mithilfe westdeutscher Neonazis und rechtsextremer Parteien formierte.

Diese konnten von Beginn an auf rassistischen Einstellungen von Jugendlichen in Ostdeutschland aufbauen: Im Frühjahr 1990, als es in der gesamten DDR noch kein Heim für Flüchtlinge gab und die Zahl der ehemals hier lebenden Ausländer von 200.000 auf 150.000 gesunken war, erklärten rund 40 Prozent der Jugendlichen in einer Umfrage des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung die Anwesenheit von Ausländern für "störend". Jeder vierte wollte sie des Landes verweisen, jeder fünfte erklärte sich bereit, mit "Aktionen" auch persönlich nachzuhelfen.

Rassistische Äußerungen und Denkweisen werden folglich kaum noch als extrem empfunden. Eingebettet in eine rechte Musikkultur, hat sich denn auch in Sachsen-Anhalt unterhalb der Ebene der Gewaltbereitschaft eine "stabile rechtsorientierte Jugendszene formiert", sagt der Ausländerbeauftragte des Bundeslandes, Günther Piening. Mit anderen Worten: Am Sonntag meldete sich per Wahlzettel erstmals auch eine Gruppe von Jungwählern zu Wort, die in einem rechten bis rechtsradikalen Gedankenumfeld groß geworden ist.

Das sieht der Chef der Landeszentrale für politische Bildung, Bernd Lüdgemeier, nicht nur bei Arbeitslosen und jungen Arbeitnehmern mit Abstiegsängsten, sondern auch unter Abiturienten. "Es gibt an den Schulen eindeutig eine Empfänglichkeit für solche Positionen", schildert Lüdgemeier seine Erfahrungen in Abitursklassen. Vor den Landtagswahlen hatte die Landeszentrale für politische Bildung eine Kampagne für eine höhere Wahlbeteiligung gestartet. Die war zweifellos erfolgreich, aber angesichts des Ergebnisses konstatiert Lüdgemeier mit britischem Understatement einen "Wermutstropfen".

Allerortens wird der DVU-Anhängerschaft nun das Etikett "Protestwähler" angeheftet. Anetta Kahane, Mitinitiatorin der "Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugend und Schule" (RAA) in den neuen Bundesländern, lehnt diese Einordnung ab. "Mit diesem Begriff wird so getan, als ob die Anwesenheit von Ausländern tatsächlich einen Mißstand darstelle, den die etablierten Parteien bislang ignoriert hätten." Außerdem suggeriere die Bezeichnung "Protestwähler" eine Bewegung am Rand der Gesellschaft. "Diese Parolen und Meinungen kommen aber aus der Mitte der Gesellschaft."

Kahane wie auch der Ausländerbeauftragte Piening können dem DVU-Erfolg allerdings ein paar positive Seiten abgewinnen. Die RAA-Leiterin sieht darin ein schrilles Alarmsignal, das ihre Warnungen der letzten Jahre bestätige und dem mit der fortgesetzten Verharmlosung des Problems durch Politiker und Behörden nicht mehr beizukommen sei. Das letzte, so Kahane, "was jetzt hilft, sind gegenseitige Schuldzuweisungen der Parteien für das Erstarken der DVU. Da lachen sich die Rechtsradikalen doch ins Fäustchen." Piening hofft nun auf eine bundesweite Debatte des "grundlegenden Problems: Wie der Demokratisierungsprozeß in den neuen Bundesländern vonstatten gehen soll". Die Anwesenheit einer DVU-Fraktion im nächsten Landtag von Sachsen-Anhalt könne da durchaus genutzt werden, um deren Parolen in aller Öffentlichkeit "zu entzaubern". Zudem verzeichnet der Ausländerbeauftragte schon während des Wahlkampfs einen Aktivitätsschub der "zivilgesellschaftlichen Kräfte". So hatten sich zum Beispiel in Halle vierzig Vereine und Organisationen gegen die DVU zusammengeschlossen.

Diese Kräfte können Unterstützung jeder Art gebrauchen. Denn ein Wettrennen rechtsradikaler Parteien um das Wählerpotential in den neuen Bundesländern steht bevor. Im Nachbarland Sachsen hofft nun die NPD auf ähnliche Erfolge.

Andrea Böhm / TAZ vom 28.04.1998

Publikation: Samstag, 14. Dezember 2013

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