Im vermutlich letzten großen Kriegsverbrecher-Prozeß
Frankreichs hatten die Geschworenen nach 18stündigen Beratungen ihr
Urteil getroffen.
Papon ist angeklagt, für die Deportation von 1.500
Juden während der deutschen Besatzungszeit mitverantwortlich zu sein.
Die Anklage hatte 20 Jahre Haft wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die
Menschlichkeit gefordert. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch.
Unabhängig vom Urteil wird Papon aber auf freiem Fuß bleiben, bis ein
Revisions-Verfahren entschieden ist.
Der Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums in
Wien, Simon Wiesenthal, hat das Urteil gegen Maurice Papon als zu milde
kritisiert. Er hätte sich gewünscht, daß Papon zu lebenslanger Haft
verurteilt wird. Es sei aber positiv, daß Papon überhaupt verurteilt
wurde, sagte Wiesenthal. Dies sei «eine Warnung an die Mörder von
morgen, daß sie niemals ruhen werden.» Die Verbrechen der Nazis seien so
grausam gewesen, daß sie eigentlich nicht bestraft werden könnten. Auch
wenn Papon nicht direkt für die Ermordung von Juden verantwortlich
gemacht werden könne, sei eines klar: «Deportation ist Beihilfe zum
Mord», betonte Wiesenthal.
Maurice Papon: Der frühere französische
Haushaltsminister Maurice Papon wurde 1981 von seiner Vergangenheit als
Nazi-Kollaborateur eingeholt. Nach 16 Jahren Verfahrensstreit und sechs
Monaten Prozeß um die Deportation von Juden aus Bordeaux ist Papon heute
verurteilt worden. Frei ist er noch immer.
Papon wurde am 3. September 1910 in
Gretz-Armainvilliers bei Paris geboren. 1935 begann seine
Beamtenlaufbahn. Er diente der linken Volksfront in den 30er Jahren
ebenso wie den Kollaborateuren des Vichy-Regimes ab 1940. 1942 wurde er
Generalsekretär der Präfektur in in Bordeaux und war als solcher
mitverantwortlich für die Deportation von Juden.
Nach der Befreiung 1944 blieb Papon im
Staatsdienst unter anderem in Korsika, Algerien und Marokko. 1958
erhielt er einen Ausweis als Widerstandskämpfer wegen angeblicher
Konspiration mit der Resistance. 1958 wurde Papon Polizeipräfekt von
Paris. In seine Amtszeit fielen 1961/1962 die blutige Niederschlagungen
von Demonstrationen gegen den Algerien-Krieg. 1967 wurde Papon Chef des
Luftfahrt-Konzerns Sud-Aviation. 1968 kehrte er in die Politik zurück
und erreichte 1978 als Budget-Minister unter Präsident Valery Giscard
d'Estaing den Zenit seiner Laufbahn, die drei Jahre später, eben mit
Aufdeckung seiner Vergangenheit, endete.