antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info
haGalil onLine - http://www.hagalil.com

  

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 
Archivierte Meldungen aus den Jahren 1995 - 1999
haGalil onLine

 

Der Unterschied zwischen Druck und Überdruck

Bekannte Schweizer Juden nehmen ihr Land und seine Banken vor Vorwürfen aus dem Ausland in Schutz – nun werden sie selbst angegriffen

Von Bernadette Calonego (SZ)

Zürich, im März – Im Leben des Zürcher Rechtsanwalts Sigi Feigel spielen Briefe eine wichtige Rolle. Zum Beispiel jene, die er in mehreren Ordnern in der Ecke seines Empfangszimmers sortiert hat. Sie sind beschriftet mit „Üble antisemitische Zuschriften“ oder „Positive Zuschriften“. Der 77jährige Feigel ist ein bekannter jüdischer Schweizer. Als Ehrenpräsident der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich nimmt er immer wieder in der Öffentlichkeit Stellung. Und Feigel schreibt Briefe, die er nun auf den Schreibtisch seines Anwaltsbüros in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs legt. Einer ist an Edgar Bronfman gerichtet, den mächtigen Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses (WJC). Der Amerikaner Bronfman fordert von der Schweiz drei Milliarden Franken für eine Beilegung des Konflikts um die nachrichtenlosen Vermögen. Wenn die Schweiz nicht einwillige, sagte Bronfman Anfang März in einem in San Francisco erschienen Interview, komme es zum „totalen Krieg“.

Feigel schüttelt fassungslos den Kopf „So etwas müssen wir uns nicht gefallen lassen“, sagt er aufgebracht. Schon im Januar hatte er Bronfman geschrieben, er bewirke mit seinen stetigen Behauptungen, neuen Forderungen und Drohungen eine „Vergiftung der Atmosphäre.“

Feigel gehört zu jenen prominenten Schweizer Juden, die offen die Methoden einflußreicher jüdischer Organisationen in der Auseinandersetzung um Holocaust-Gelder kritisieren. Sie fühlen sich immer stärker dazu aufgerufen, ihre Schweizer Heimat zu verteidigen. Eine Heimat, die bekanntlich die eigenen Juden lange diskriminiert und jüdische Flüchtlinge während des Zweiten Weltkriegs an der Grenze zurück in den sicheren Tod geschickt hat.

Als Feigel im Dezember davon hörte, daß der WJC eine Gemeinschaftsklage gegen die Schweiz erwog, forderte er die Regierung in Bern öffentlich auf, sie solle die Beziehungen zum Jüdischen Weltkongreß abbrechen, weil die Organisation das Vertrauensprinzip ständig verletze. Am Anfang, sagt Feigel, sei der Druck der jüdischen Organisationen in den USA, die sich teilweise Konkurrenz machten, nötig gewesen. „Ohne diesen Druck wäre in der Schweiz wahrscheinlich nichts gelaufen“, sagt er. Doch heute, da das Land enorme Anstrengungen unternehme, um seine Versäumnisse und Vergehen zusammen mit internationalen Experten aufzuarbeiten und bedürftigen Holocaust-Opfern möglichst rasch Geld zukommenzulassen, sei es „kontraproduktiv, was der WJC macht“.

Als WJC-Vizepräsident Kalman Sultanik den Schweizer Bundespräsidenten Flavio Cotti mit dem früheren österreichischen Staatspräsidenten Kurt Waldheim verglich, der seine Vergangenheit als Nazi-Offizier geleugnet hatte, platzte dem Juristen Feigel der Kragen, und er verlangte vom WJC eine Entschuldigung. Feigel glaubt, daß man antisemitisch gestimmten Schweizern damit unnötig Munition liefere: „Viele Schweizer haben uns nur bedingt aus ihrer Vorstellungswelt als böse Juden entlassen und nur auf Bewährung als Schweizer Bürger angenommen“, warnt er. Das sei zwar ein Problem der Schweizer, „aber es trifft die Juden eben doch“.

„Unglückliche Wortwahl“

Als Bronfman das Nazi-Schlagwort vom „totalen Krieg“ gebrauchte, dachte Feigel, der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG), der Dachverband der Schweizer Juden, müßte doch jetzt darauf reagieren. Dessen Präsident Rolf Bloch ist auch Vorsitzender des Ausschusses, der die Gelder aus dem von den Banken geschaffenen Holocaust-Fonds verteilt. Tatsächlich versucht der 68 Jahre alte Bloch vor allem Brücken zu bauen. Als Bronfman die „unglückliche Wortwahl“ verwendete, sagt Bloch, habe er den amerikanischen WJC-Mitgliedern klar machen wollen, daß er zum äußersten bereit sei. Man dürfe in der Schweiz nicht überreagieren, sagt . Er beobachtet aber auch, daß die „gegenseitige Eskalation“ zu einer antijüdischen Stimmung in der Schweiz führe. „Die Leute sind sich nicht mehr im klaren, wohin sie die Schweizer Juden stellen sollen“, sagt der allseits respektierte Berner Schokoladenfabrikant. „Aus Verunsicherung gegen sie auf Distanz.“ Mit den Methoden des WJC sei man nicht immer einverstanden, sagt Bloch: „Druck ist zwar nötig, aber nicht Überdruck.“

Der jüdische Schweizer Abgeordnete François Loeb fühlte sich gefordert, als das Wiesenthal Center in Los Angeles die Schweizer Flüchtlingslager während des Zweiten Weltkriegs als „Sklavenlager“ einstufte und damit in die Nähe von Konzentrationslagern rückte. Dem widersprach selbst US-Unterstaatssekretär Stuart Eizenstat. Der 58jährigeLoeb, dem ein Kaufhaus in Bern gehört, rief ehemalige Lagerinsassen auf, ihm ihre Erfahrungen in Briefen mitzuteilen. „Es kamen über hundert meist positive Briefe“, erzählt er. Loeb klagt, im Ausland werde nicht anerkannt, welche Bemühungen man heute in der Schweiz unternehme: „Da fühlt man sich ungerecht behandelt.“

Gegen in seinen Augen ungerechtfertigte Vorwürfe schreibt auch der jüdische Journalist Max Frenkel regelmäßig in der Neuen Zürcher Zeitung an. WJC-Generalsekretär Israel Singer allerdings nannte jüdische Schweizer Persönlichkeiten, die Vorwürfe an den Kongreß richteten, in der Jüdischen Rundschau „feige“: Sie täten dies, „weil es zu ihrem geschäftlichen Vorteil ist oder weil sie Sympathien wecken wollen (. . .)“, erklärte Singer.

Hört man sich unter jüngeren Juden in der Schweiz um, spürt man immerhin einen Unterschied zwischen den Generationen. Die jüngeren Juden sind dafür, daß man selbstbewußt auftritt und Konflikte nicht scheut. Ein 30 Jahre alter jüdischer Schweizer glaubt, die älteren Juden wollten „aus einem Gefühl der Schwäche heraus“ lieber keine schlafenden Hunde wecken.

Die Schweizer Juden erhielten erst zwischen 1866 und 1874 auf Druck ausländischer Mächte hin alle Rechte von Schweizer Staatsbürgern. Es gibt heute nur rund 17 500 Juden in der Schweiz. Einige wenige sind in wichtige Positionen aufgestiegen, etwa die Innenministerin Ruth Dreifuss oder Ursula Koch, die Präsidentin der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz. Der 40 Jahre alte SIG-Sprecher Thomas Lyssy sagt, seine Organisation wolle „eine einheitliche Haltung nach außen zeigen“. Meinungen wie die des „Privatmannes“ Sigi Feigel liegen da quer in der Landschaft. Nicht mit offenen Briefen, betont Lyssy, sondern im direkten Gespräch sollte man sich mit dem WJC verständigen.Vor wenigen Tagen haben sich die Schweizer Banken angesichts von Boykottdrohungen grundsätzlich bereiterklärt, die gesamten jüdischen Ansprüche in den USA durch einen Vergleich abzugelten.

Wir freuen uns, wenn Sie Ihre Meinung zu diesem Thema in unserem Offenen-Forum äußern.

SZonNet: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutscher Verlag GmbH, München Copyright © 1997, 1998 - Süddeutsche Zeitung.

integre.jpg (2716 Byte)

magen.gif (4304 Byte)

hagalil.gif (1716 Byte)

hadash.jpg (2703 Byte)
1998© Copyright by haGalil onLine - http://www.hagalil.com - Munich - Kiryat haYovel
Die hier archivierten Artikel stammen aus den "Anfangsjahren" der breiten Nutzung des Internet. Damals waren die gestalterischen Möglichkeiten noch etwas ursprünglicher als heute. Wir haben die Artikel jedoch weiterhin archiviert, da die Informationen durchaus noch interessant sein können, u..a. auch zu Dokumentationszwecken.


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!
haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved