Kommentar zum Sieg der Hamas:
Der Wille des palästinensischen Volkesvon
Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 26. Januar 2006
Demokratie ist die beste aller schlechten Regierungsformen. Sie ist aber
auch sehr unberechenbar, wie das die palästinensischen Wahlen bewiesen. Das
Votum des Volkes muss man akzeptieren, aber die Palästinenser müssen auch
die Folgen ihrer demokratischen Entscheidung in Kauf nehmen.
Ob sich die große Mehrheit der eher weltlich ausgerichteten Palästinenser
nach Schleier und drakonischen Gesetzen der Scharia sehnt oder lediglich der
korrupten Fatah einen Denkzettel verpassen wollte, spielt keine Rolle mehr,
sowie die Islamisten die Wahlen gewonnen haben.
Jetzt müssen sich alle Palästinenser damit abfinden, eine extremistische
Partei gewählt zu haben, die gewissenlos ihre eigenen jungen Menschen in den
Tod schickte, um Massenmord an Zivilisten zu begehen. Die Verlockungen von
90 Jungfrauen im Paradies waren fünf Jahre lang die treibende Kraft hinter
einem tödlichen Märtyrerkult. Die große Mehrheit der Palästinenser stimmte
auch gegen eine Anerkennung Israels und gegen die Errichtung eines
palästinensischen Staates neben dem "zionistischen Gebilde". Die Hamas
redete bisher immer von einer Wiederherstellung der islamischen Nation in
ganz Palästina.
Jetzt zwischen den Zeilen der kämpferischen Hamas-Sprüche eine "Mäßigung"
herauszufiltern oder zu glauben, dass Regierungsverantwortung automatisch zu
westlich orientierter "Vernunft" führe, ist ein Wunschtraum jener naiven
Optimisten, die selbst auf einem Höhepunkt von Mord und Totschlag vom
Prinzip Hoffnung nicht ablassen konnten. Jetzt gilt es, einer höchst
gefährlichen Realität ins Auge zu schauen. Die Geistesverwandtschaft des
iranischen Präsidenten Ahmadinedschad mit den in Damaskus sitzenden
Hamas-Chefs wurde in jüngster Zeit offen demonstriert.
Auch wenn es den Protestwählern nur darum ging, die aus dem tunesischen Exil
mit Arafat eingereisten korrupten PLO-Funktionäre nach Hause zu schicken,
wusste jeder, dass eine Stimme für Hamas auch ein Votum gegen die Osloer
Verträge, gegen Verhandlungen und gegen einen Frieden mit Israel bedeutete.
Wer sich so gewissenhaft an die Regeln der Demokratie hielt, wie das die
Palästinenser taten, der weiß auch, dass eine einmal abgegebene Stimme bis
zum nächsten Wahlgang in ungewisser Zukunft gültig ist. Das jetzt abgelöste
Parlament wurde vor genau zehn Jahren gewählt. Und in dieser langen Periode
gab es mehrere israelische Rückzüge, aber auch einen Krieg mit über 5000
Toten.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
hagalil.com 26-01-2006 |